Süddeutsche Zeitung

Südgeorgien:Wind aus Westen

Thies Matzen und Kicki Ericson haben Jahre im unbewohnten Südgeorgien verbracht und dort zu tiefer Zufriedenheit gefunden.

Von Birgit Lutz

Es gibt sie, die Ecken der Welt, über die noch nie ein Bildband erschienen ist. South Georgia war so eine, bis jetzt - denn nun liegt "Antarktische Wildnis" von Thies Matzen und Kicki Ericson vor. Ein Paar, das seit 25 Jahren auf dem Meer, oder besser: auf einem Segelboot lebt. 1999 haben sie auf Südgeorgien geheiratet, das können nicht viele Menschen von sich behaupten. Und nun haben sie zwei Jahre, inklusive der kalten und dunklen Winter, mit ihrem Schiff, der Wanderer III, in den Buchten Südgeorgiens verbracht.

Die bis auf ein paar Forscher unbewohnte Insel liegt tief im Südatlantik in den Howling Fifties, in den Breiten also, in denen das ganze Jahr über starke Westwinde wehen. Sie bringen unberechenbares Wetter, viel Regen und hohe Wellen. Nikolaus Gelpke zitiert in seinem Vorwort Reinhold Forster, der 1775 schrieb: "Der bloße Gedanke, hier ein Jahr zu leben, füllt die ganze Seele mit Grauen und Verzweiflung."

Das harsche Klima beschert dieser Insel aber eine pralle Tierwelt; Südgeorgien ist berühmt für riesige Vogelkolonien und immense Populationen von Pinguinen und Robben, die sich vor gewaltigen Bergkulissen an den Stränden drängen. Es ist nicht schwierig, etwas so Schönes auch schön abzubilden. Die Aufnahmen von Thies Matzen allerdings stechen aus allen Bildern heraus, die es von Südgeorgien gibt. Fotos wie diese entstehen nicht im kurzen Vorbeireisen. Hier ist etwas passiert, zwischen den menschlichen Besuchern und den tierischen Bewohnern, sie haben sich langsam einander angenähert. Matzen und Ericson, so macht es den Anschein, sind in den 26 Monaten, die sie auf der Insel verbracht haben, gleichsam mit ihr verschmolzen. Stunden, Tage, Wochen saß Matzen in Königspinguin-Kolonien, tagelang beobachtete er das Balzen der Albatrosse, und immer wieder den Himmel, die Wolken, das Licht, den Wind, der von den Bergen herunterfällt, "alles ist Wind und Wildnis - und wir in ihr", schreibt Ericson in einem ihrer so einfühlsamen Begleittexte.

Man erfährt viel über die Insel, auch darüber, wie sehr die Menschen selbst hier gewütet haben, in der Zeit des großen Walfangs. Die rostigen Reste der alten Walfangstation Grytviken hat Matzen im Sommer- und Winterlicht eingefangen, in feuchtem, bemoostem Grün und stechendem, verschneitem Weiß. Aus den Fotos spricht vor allem aber tiefe Zufriedenheit und Einigkeit - mit sich und der Welt.

Thies Matzen, Kicki Ericson: Antarktische Wildnis Südgeorgien. Mareverlag, Hamburg 2014. 144 Seiten, 58 Euro.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2015
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