Südamerika:Auf Sahara-Dünen in Brasilien

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An Brasiliens Nordostküste breitet sich eine beinahe surreal erscheinende Welt aus Sanddünen, türkisfarbenen Süßwasserlagunen und Mangroven aus.

Manche Orte in Brasiliens Nordosten gelten selbst unter Brasilianern noch als Geheimtipp: Zwischen Jericoacoara im Bundesstaat Ceará und dem Kolonialstädtchen São Luís, der Hauptstadt von Maranhão, sind die längsten und einsamsten Strände Brasiliens zu finden.

Südamerika
:Brasiliens Schatz im Nordosten

Manche Orte und Strände in Brasiliens Nordosten gelten selbst unter Brasilianern noch als Geheimtipp.

Jericoacoara war bis vor einigen Jahren den meisten Brasilien-Reisenden unbekannt. Dann machte die Surferwelt "Jeri" zum Kitesurf-Traumziel. Die Washington Post erklärte den Strand mit seiner gigantischen Sanddüne kurz danach zu "einem der schönsten Strände der Welt". Schon war es um die Ruhe geschehen, und die Surfer waren nicht mehr unter sich. Surfschulen, Kunsthandwerk-Läden, niedliche Restaurants und Bars im Hippie- oder Chill-out-Stil hielten Einzug.

Doch "Jeri" hatte Glück: Eine Teerstraße wurde nie gebaut. Die Anfahrt durch die 20 Kilometer lange Dünenlandschaft ist nur mit Jeeps zu bewältigen oder mit Buggys am Strand entlang. So konnte das Fischdorf seinen Charakter nahezu behalten.

Auch heute noch bestehen die Straßen aus Sand; kreuz und quer laufen Hühner, Esel und Schweine herum. Tagsüber ist "Jeri" wie leer gefegt - die meisten Menschen stehen auf dem Surfbrett. Die anderen sind mit Strandbuggys im rund 8500 Hektar großen Dünen-Nationalpark in der Nähe unterwegs.

Am Abend treffen sich Surfer und Nicht-Surfer auf einer 30 Meter hohen Düne. Es ist eine Art Kult, hier oben zuzuschauen, wie die Sonne im Atlantik versinkt. Während sich die letzten Romantiker noch vom Sonnenuntergang verzaubern lassen, geht es am Strand bereits sportlich zu. Einige Jungs spielen Fußball.

Ein Pärchen aus England versucht erfolglos die Capoeira-Übungen ihres Lehrers nachzumachen und schaut immer wieder neidisch zu Cäsar und Marcelo hinüber. Leichtfüßig umtänzeln sich die beiden zum Rhythmus der Berimbau. Der akrobatische Kampftanz wurde zur Kolonialzeit von afrikanischen Sklaven nach Brasilien gebracht.

Der Strand ist die Straße

In "Jeri" beherrscht jeder Capoeira und möchte es den hübschen Blondinen aus Europa und den USA natürlich auch zeigen. Unterdessen erleuchten am Ortseingang die ersten Getränkestände mit Caipirinhas und Mojitos. Jeder Stand auf der sandigen Dorfstraße hat seine eigene Gas-Lampe oder Kerzen, denn Straßenlaternen gibt es hier keine.

Am Morgen darauf geht es per Jeep in Richtung Nordwesten. Straßen existieren hier nicht, gefahren wird direkt am Strand. Immer wieder spritzt das Meerwasser am Wagen hoch. Außer einigen Fischern, die mit Holz-Segelbooten sogar kleine Haie an Land schleppen, ist niemand da, der sich gestört fühlen könnte. An tieferen Flussmündungen warten Holzfähren auf die Jeeps, die übersetzen wollen.

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:Sehenswertes abseits von Rio de Janeiro

Die meisten Touristen besuchen nur die Sehenswürdigkeiten der Metropole - und lassen das Hinterland links liegen.

Nach Dutzenden Kilometern menschenleerer Strände geht es über eine Straße weiter nach Parnaíba im Bundesstaat Piauí. Die Dünenlandschaft hat sich mittlerweile in eine grüne Welt aus Mangroven und Urwaldriesen verwandelt. Hier ist ein Weiterkommen nur noch per Motorboot möglich. Der Weg nach Canárias, einer der etwa 80 Inseln im Parnaíba-Delta, gleicht einem Labyrinth aus Flussarmen.

Die nächste Station ist Caburé zwischen dem Atlantik und dem Preguiça-Fluss. Von einem Dorf kann man eigentlich nicht reden: Es sind ein paar Holzhütten und drei Pensionen. Ab und zu kommen Ausflügler, um die leeren Strände und den frischen Fisch zu genießen.

Am Abend haben Einwohner und Pensionsgäste die 200 Meter breite Landzunge wieder für sich. Auf der einen Seite bläst eine warme Brise vom Atlantik, aus dem Urwald ist das Brüllen der Affen zu hören.

Mit dem Motorboot geht es zu den "Pequenos Lençois", den "kleinen Bettlaken". Die sich bis zum Horizont ausbreitenden Dünen sehen mit ihrem schneeweißen Sand tatsächlich wie ein zerknittertes Laken aus. Sie gehören zum Nationalpark Lençois Maranhenses. Experten gehen davon aus, dass es sich um Ausläufer der Sahara handelt, die entstanden, bevor Amerika und Afrika auseinandergedriftet sind.

Die Sicht von den bis zu 40 Meter hohen Dünen reicht bis zum Meer. "Aber wartet ab bis morgen. Dann werdet Ihr wirklich etwas Großartiges sehen", sagt Reiseführer Juan. "Denn wenn es ein 'kleines Bettlaken' gibt, dürfte auch ein großes existieren."

In den "Grandes Lençois" treffen die Besucher nach der einsamen Jeeptour entlang der Küste zum ersten Mal wieder auf größere Urlaubermassen. Die Touristen unternehmen vom nahegelegenen Kolonialstädtchen São Luis aus Tagesausflüge ins "große Bettlaken".

Einsamkeit zwischen den Dünen

Die meisten fahren mit Jeeps zur "Hübschen Lagune" und zur "Fischlagune". Deshalb wählt Juan weiter westlich eine weniger bekannte, aber nicht minder spektakuläre Ecke bei Santo Amaro.

Die mehrstündige Fahrt über die Sandpiste ist anstrengend, aber es lohnt sich. Hier verliert sich der Besucher fast alleine zwischen den Dünen. Das Bad im türkisblauen Wasser der Lagunen erscheint wie purer Luxus. Über 155.000 Hektar breitet sich das "große Bettlaken" aus, etwa 70 Kilometer zieht es sich an der Küste entlang.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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