Urlaub am Mittelmeer:Worte, die verführen

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Viele Menschen schmelzen dahin, wenn sie Italienisch hören. Die Geige bräuchte es da gar nicht, um Eindruck zu machen. (Foto: kpa/Grimm/imago images/United Archives)

Sehnsuchtsziel Süden: Was lockt uns in den Sommerferien ans Mittelmeer? Wer glaubt, es seien das Klima, das Essen und die Kulturdenkmäler, der irrt.

Glosse von Stefan Fischer

Liegt es tatsächlich am Klima, dass sich die Mehrzahl der Deutschen während der Sommermonate nach wie vor in Richtung Mittelmeer aufmacht? Angesichts von 40 Grad und mehr im Schatten, egal ob in Südfrankreich, an der türkischen Riviera oder auf Kreta, ist das kaum vorstellbar. Von den allfälligen Waldbränden in den beliebten Urlaubsregionen, angefacht durch Trockenheit und Hitze, gar nicht erst zu reden. Andererseits ist man im europäischen Süden längst auch nicht mehr davor gefeit, sich im Juni oder August plötzlich inmitten eines mehrtägigen Starkregen-Ereignisses wiederzufinden. Und sein Zelt gar nicht so schnell abbauen zu können, wie es davongespült wird. Das Klima kann es also eigentlich nicht sein, das uns ans Mittelmeer zieht.

Also muss es an der mediterranen Küche liegen. Tatsächlich? Das unambitioniert zubereitete Pizza-und-Pasta-Einerlei an der italienischen Adria, die minderwertigen Touristenmenüs an der Côte d’Azur, die Pampe, die einem als Paella vorgesetzt wird an der Costa del Sol, können nicht ernsthaft der Grund sein, weshalb man in tagelangen Autofahrten von Stau zu Stau in den Süden kriecht oder eine zermürbende, eigentlich nur aus Warten und Anstehen sich zusammensetzende, ebenfalls vielstündige Flugreise auf sich nimmt. Und es sind gewiss auch nicht die Hausweine der meisten Trattorien und Tavernen, von lokalen Spirituosen-Spezialitäten ganz abgesehen, die ein unstillbares Verlangen in uns wecken, unsere freie Zeit im Sommer auf Mallorca oder in Istrien zu verbringen.

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Sind es doch die Sehenswürdigkeiten? Nee, oder? Antike Tempel, gotische Kathedralen oder die vermeintlichen ehemaligen Fischerdörfer mögen ihre Reize haben. Aber dafür von der Sonnenliege aufstehen? Anziehen müsste man sich außerdem auch, denn die Einheimischen schauen immer so pikiert, wenn man bloß in Badeshorts unterwegs ist. Dabei hat es wie erwähnt um die 40 Grad. Viel zu heiß für langärmeliges Gewand; und der Kopf ist bei diesen Temperaturen ohnehin nicht aufnahmefähig.

Was dann lockt uns in den Süden? Es sind, nun ist es erwiesen: die Sprachen! Eine Sprachlern-App hat bei ihren Nutzern Herzfrequenzmessungen vorgenommen, um herauszufinden, angesichts welcher Sprachen diese Menschen ein messbares Sehnsuchtsflimmern bekommen. Bei Deutsch eher nicht. Noch weniger bei Niederländisch. Indessen bei Italienisch, bei Portugiesisch, Französisch und Griechisch – regelrechtes Herzrasen. Schockverliebtheit. Die Sprachen des Südens bringen die Menschen offenkundig in Wallung.

Die Transformation des Lateinischen zum Italienischen als Muttersprache aller Bewohner entlang des Apennin war, auch wenn Sprachwissenschaftler das anders sehen mögen, eine über alle Maßen hellsichtige Investition der Tourismusindustrie in ihre eigene gedeihliche Existenz. Welchen Schluss ziehen wir nun daraus? Vielleicht diesen: Wenn wir Französisch oder Italienisch lernen, statt im Urlaub in unserer mehrheitlich als unangenehm empfundenen Muttersprache herumzutönen, bekommen wir womöglich künftig vernünftiges Essen serviert. Dank der hochfrequent pulsierenden Herzen der albanischen Köche und ungarischen Kellner, die rund ums Mittelmeer Dienst tun und genauso ticken wie ihre Gäste.

Stefan Fischer mag die Küche Frankreichs. Auch, weil die Speisen dort so schöne Namen haben. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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