Strandurlaub:Adria ti amo!

ADRIATIC RIVIERA, BELLARIA
Reise Aufmacher ET 26.7., BEARBEITETE KOPIE; Reise Aufmacher ET 26.7. , BEARBEITETE KOPIE

Post aus Bellaria: So ein ungeordnetes Gewimmel am Strand wie auf dieser kolorierten Postkarte aus dem Jahr 1960 gibt es heute nicht mehr.

(Foto: Fototeca Gilardi/akg-images)

Sonne, Strand, Spaghetti - und der Beginn einer ganz besonderen Liebesbeziehung: Erinnerungen an den Sommer in Italien.

Von SZ-Autoren

Gute Geschäfte in Bibione

Samstags bin ich auch zu Hause schon als Grundschüler immer zum Bäcker geradelt, um Semmeln und Brezen zu kaufen fürs Wochenende. So hielten wir es auch in Bibione, nur dass während der Ferien daraus eine tägliche Besorgung wurde. Die Geschwister waren dafür zu klein, die Eltern zu lustlos. Mir war es nur recht, dass ich um dieses Liefermonopol nicht kämpfen musste. Die Taschen voller Geld zwei Blocks die Straße runter und schon vor dem Frühstück die ersten Tausender auf den Kopf zu hauen, war ein kindliches, vielleicht auch kindisches Vergnügen. Besonders angetan hatten es mir die 500- und 1000-Lire-Münzen, die aus zwei verschiedenen Legierungen bestanden, wie heute die Ein- und Zwei-Euro-Stücke. Wie billig sahen dagegen unsere 50-Pfennig- und Eine-Mark-Münzen aus, auch wenn sie etwa dasselbe wert waren. Am besten war, dass all die Biovette, Cornetti und Rosette nicht zum Stückpreis verkauft, sondern gewogen wurden. Weil immer ein krummer Preis herauskam, und da kaum kleinere Münzen als 50-Lire-Stücke im Umlauf waren, gab es stattdessen ein Bonbon als Wechselgeld.

Stefan Fischer

Pinienparadies bei Venedig

Siebzigerjahre, Camping Marina di Venezia nahe Venedig: Das war für eine Woche die Quintessenz von Italien. Der erste Besuch in einem Land kann prägend für Jahrzehnte sein, in diesem Fall war er der Beginn einer herrlich krisenfesten Beziehung. An der Adria ist es kinderleicht, sich in Italien zu verlieben. Nichts lenkt vom Wesentlichen ab, die Landschaft ist weitgehend reizlos, keine anstrengenden touristischen Sehenswürdigkeiten. Nur Meer, Sand, ein Esel, der mittags einen Karren mit riesigen Wassermelonenstücken über den Strand zog. Kurz - das Paradies. Am deutlichsten ist die Erinnerung an die Abende, mit Spaziergängen unter Pinien. Großes Staunen der damals Fünfjährigen: Es gibt einen Ort, an dem es dunkel wird und die Luft trotzdem warm bleibt. Wo Kinder ewig aufbleiben dürfen und die Sprache der Menschen wie Musik klingt. Das ließ nur einen Schluss zu: Wieso um alles in der Welt sollte man diesen Ort wieder verlassen? Die Einwilligung zur Heimfahrt mussten die Eltern erkaufen, mit einer furchtbar kitschigen Gondola aus schwarzem Plastik mit goldenem Prunkdach. Zu Hause im Kinderzimmer thronte sie wie eine Trophäe.

Anne Goebel

In der Kolonie bei Cesenatico

Heimweh. Das sagt sich so leicht. Rückblickend betrachtet war es schlimmer als jeder Liebeskummer. Meine Mutter hielt es trotzdem für eine gute Idee, mich in eine sogenannte Ferienkolonie in Cesenatico einzuschreiben. In diesen kasernenartigen Gebäuden mit Schlafsälen und eigenem Strand durften Kinder Meerurlaub machen, deren Eltern sich das sonst nicht leisten konnten. Wir hatten aber immer Familienurlaub am Meer gemacht. Es war 1984, ich war neun und verspürte null Verlangen, drei Wochen (!) mit fremden Kindern zu verbringen. Morgens mussten wir uns auf den Asphalt setzen und zum Rapport Sachen nachbrüllen, die ich meist nicht verstand. Den Tag verbrachte man am Strand, abends gab es Kino oder Animation, die ich auch nicht verstand, da mein Italienisch als Südtiroler nicht so gut war. Ich litt. Statt Eis kaufte ich mir Gettoni, diese gerillten Münzen, die man damals in Fernsprechapparate warf. Ich wollte die Stimme meiner Mutter hören. Sie sagte, niemand könne mich abholen, leider, die Zeit vergehe bestimmt schnell. Tat sie nicht. Als ich im Zug nach Norden saß, verspürte ich reines Glück.

Hans Gasser

Bei den Schleimfischen in Cattolica

Meine Mutter hatte mich ja gewarnt: "Pack' nicht jedes Tier an!" Dabei hatte ich den Affen gar nicht streicheln wollen, nur füttern. Diese armen Kreaturen an Cattolicas Strand: Affen mit Windelhöschen. Löwenbabys mit Halsband, die die Männer uns in den Arm legen wollten, fürs Foto, gegen ein paar Lira. Den Löwen-Mann habe ich wüst beschimpft. Der Affe hat meine Zuneigung ausgenutzt, er hat das Obst genommen und ein kleines Loch im Finger hinterlassen. Seitdem mag ich keine Affen. Aber der Leserbrief, den die empörte Zehnjährige an die Zeitschrift "Das Tier" schrieb, wurde gedruckt. So was prägt. Die schönen Erinnerungen ans Urlaubs-Tier stammen aus dem Meer: Garnelen, Seeanemonen. Und diese tollen Schleimfische, die so aussehen, als seien sie gegen eine Wand gelaufen. Wie sie da zwischen Höhlen herumwandern und Algen weiden: tagesfüllend, die Touren auf die Wellenbrecher-Felsen. Man hat ja hier beides, feinen Sand und Gezeitentümpel. Irgendwann beschlossen meine Eltern, dass jetzt mal genug sei mit Italien. Wir fuhren nach Kroatien, das damals Jugoslawien hieß. In Rovinj gab es statt Sand Seeigel. Im nächsten Jahr durfte ich wieder zu den Schleimfischen.

Monika Maier-Albang

Kulturschock in Urbino

Irgendwann hat meine kleine Schwester gestreikt, ich glaube, es war in Urbino. Sie saß auf einer Kirchentreppe und sagte, sie wollte keine Altäre mehr sehen, keine Palazzi, keinen Bramante und auch keinen Raffael. Nur noch das Meer. Aber so weit war mein Vater noch nicht. Hatte er doch so lange auf Italien gewartet, den ganzen Krieg, der ihm seine Jugend gestohlen hatte. So war er wie so viele Deutsche in den 1950er-Jahren absolut süchtig nach dem Süden - und dem gelben Grieben-Reiseführer, in dem leider nur Baudenkmäler standen und keine Badestrände. Den ganzen Winter über hatte er diese 14 Tage im August vorbereitet, jedes Jahr wieder. Wir nahmen immer den Nachtzug aus München, mit dem man damals große Reisen machte, arbeiteten uns systematisch vor, von Nord- nach Süditalien, durch alle kunsthistorisch bedeutenden Städte, Kirchen, Museen. Aber nun streikte meine kleine Schwester. Mein Vater liebte sie sehr, deshalb bestiegen wir dann einen Bus, für einen kleinen, bedeutenden Umweg - zum Meer. Ein Nachmittag an der Adria! Es reichte für eine lebenslange Liebesbeziehung zum Mittelmeer.

Christiane Schlötzer

Das süße Leben in Bibione

Bibione, das klang in Kinderohren schon nicht ganz ernst gemeint, eher wie ein Spaßort. Quasi der Gegensatz zum Brenner, wo strenge Grenzbeamten durchs Fenster schauten, weil immer ein Kinderausweis vergessen worden war. Brenner klang gefährlich, Bibione klang lustig, und so war es auch: Papa baute Zelte auf, wir tröpfelten Sandburgen und gruben Löcher, bis das Wasser einlief. Das herrliche Feriengefühl kulminierte aber auf der langen, geraden Straße zum Strand, die abends sonnenwarm knisterte und an der sich Spielhallen, Karussells und Palmen aufreihten. Unerhörte Dinge geschahen hier nach dem Essen: Es gab kleine Rennautos, mit denen wir zwischen Pinienzapfen und Eidechsen herumkurvten, es gab verlockend klingelnde Videospiel-Automaten, Kokosnuss-Brunnen, Mama beim Minigolf und endlos geöffnete Geschäfte, in denen wir das Ferientaschengeld in Krebskescher und verbotenes Kriegsspielzeug investierten. Alles war wilder, bunter und süßer als daheim, und den Eltern alles egaler. Die kühle Meerluft auf dem Sonnenbrand im Nacken spüren, während man ziellos durch diese bunte Nacht trieb, das war die kleine, große Freiheit Bibione.

Max Scharnigg

Auslauf in Grado

Meine erste Begegnung mit dem Mittelmeer, mit dem Sehnsuchtsland Italien, das war Grado, die einzige Stadt an der Adria, in der alle Strände nach Süden ausgerichtet sind. In meiner Familie war der einstige Kur- und Badeort der Habsburger ein fester Begriff, man sagte "Grado", wenn man "Italien" und "Sommerferien" meinte. Meine Großmutter liebte das Leben dort - ich sehe sie noch vor mir, in diesem Restaurant direkt am Kanal. Eine Trattoria, in der mein Großvater mit seinen rudimentären Sprachkenntnissen ("mille grazie") hausieren ging und mir viel zu große Teller Spaghetti bestellte. Es gab zwei Türen hinten und vorne, ich sauste an lachenden Kellern und Gästen vorbei durch den Speiseraum, dann raus ins Freie und an der riesigen Glasfront zurück ins Lokal, immer im Kreis. In der Erinnerung bin ich wie ein kleiner, aufgedrehter Hund, unermüdlich. Diese Großzügigkeit, diese Wärme der Italiener, dazu die Großeltern: Das war Grado. Irgendwann werde ich zurückkehren, in meine Kindheit.

Christian Mayer

Die Taschen voller Geld in Rimini

Rimini, das war nicht nur Sonne, Strand und Sonnenbrand, sondern eröffnete uns Kindern und angehenden Teenagern auch eine große Welt, die daheim verboten war: die Welt des Glücksspiels. In den Buden mit den langweiligen Reittieren für kleine Kinder davor konnte man sich nach Herzenslust austoben: als Scharfschütze gegen das Böse kämpfen, illegale Autorennen am Bildschirm gewinnen und bei den Automaten, in denen viele glänzende Münzen hin- und hergeschoben werden, ebendiese gewinnen. Das Allerbeste daran: Jeder durfte rein, ob volljährig oder nicht. Eine natürliche Grenze aber gab es für meinen Bruder und mich doch: Wer spielen wollte, musste reales Geld in Spielgeld tauschen und dafür ersteres auch besitzen. Taschengeld für Automatengezocke bekamen wir nicht, dafür stießen wir an einem Abend auf eine Maschine, die freiwillig Jetons ausspuckte. Einfach so, ohne Ende. Wir stopften unsere Hosentaschen voll und spielten, bis der Besitzer uns wenig freundlich hinausbegleitete. So viel Glück hat man nur einmal, das kann keinesfalls das ganze Leben anhalten. Also haben wir es seitdem gelassen mit dem Glücksspiel.

Melanie Staudinger

Liegebatterie in Grado

Der kürzeste Weg von Penzberg ans Meer führt über die Dolomiten nach Grado - 395 Kilometer, fünf Stunden und 57 Minuten. Vor drei Jahren bin ich mit meinen Söhnen dem Routenplaner an die Adria gefolgt, zum ersten Mal seit Sommer 1975. Die Karrees der Liegestühle sind immer noch mit bloßem Auge aus dem All erkennbar, so endlos erstrecken sie sich am Strand entlang. Sand, Sonne, Wasser, Nudeln - das sind die Zutaten, aus denen ein Urlaub in Grado besteht. Das ist einerseits schrecklich. Andererseits kann es auch entspannend sein, wenn man akzeptiert, dass man ein nichtiger Bestandteil der Liegebatterie ist. Nach drei Tagen hat man das Datum vergessen. Von einem Urlaub in Grado gibt es wenig zu erzählen, das ist ungemein erleichternd. Niemanden interessiert es, wie es an der Adria war, das Fotografieren kann man sich deshalb gleich sparen: hinten Hotels, vorne nur der Horizont. Ab und zu fährt draußen ein Tanker durchs Bild. Man pennt kurz ein, und der Tanker ist weg. "Ich hol eine Fanta", sagt der Sohn. Drachen flattern am Himmel. Die Schatten wandern. Sonnenbrand. Alles exakt wie damals, nur das Meer ist sauber. Woanders könnte es schöner sein, aber kaum besser.

Sebastian Beck

Nordsee-Feeling an der Adria

Meermäßig bin ich mit der Nordsee sozialisiert worden. Die Erinnerungen an die erste Zeit sind diffus, Sandburgen kommen darin vor, Strandkörbe und eine endlose Weite bei Ebbe. Ein paar Jahre später wurde ich zur Kindererholung an die Nordsee geschickt, was, wie ich damals schon ahnte, weniger meiner Erholung als der Erholung meiner Eltern diente. Die Erinnerungen daran sind ganz konkret und bestehen aus endlosen, öden Deichspaziergängen sowie schlechtem Essen. Und aus einem ganz besonderen Geruch, der für mich immer der Nordseegeruch sein wird. Mit zehn oder elf war ich das erste Mal an der Adria. Dort hat es ganz anders gerochen. Ein warmes Meer riecht halt anders als ein kaltes Meer, dachte ich. Dass es die mediterrane Vegetation ist, die das Aroma des Mittelmeers prägt, wusste ich noch nicht. Statt Strandkörben gab es endlose Liegestuhlreihen. Dort durfte man aber nicht einfach in der ersten Reihe liegen, auch wenn man als Erster am Strand war. Später war ich noch öfter an der Adria, aber immer im Sommer. Nur einmal war ich im November dort, auf der Durchreise weiter nach Süden. Nur wenige Geschäfte und Restaurants hatten offen, das Hotel war schlecht geheizt. Der Tag war kalt und grau, das Meer aufgewühlt, die Liegestühle waren verschwunden. Am Strand hat man kilometerweit keinen Menschen getroffen. Und es hat gerochen wie an der Nordsee.

Peter Fahrenholz

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High angle view of the Estate Hotel Beach, on the Adriatic Sea and a view of the jettys of Torre Pedrera in the town Torre Pedrera in the region of Rimini, Provence of Emilia-Romagna, Italy. Torre Pedrera was developed as a tourist resort around the sixti

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