Strandgeschichten V: Italien:Das Imperium Romanum

In Ansendonia, am südlichen Rand der Toskana, bleibt Zeit für Kulturstudien zu Ländern und Leuten.

Christian Mayer

In Ansedonia am südlichen Rand der Toskana gibt es zwei Gruppen: Reiche Römer, die hier eine Zweitvilla mit Gärtner haben, und andere Besucher, die nicht ganz so reich sind, um sich auf den Hügeln des seit der Etruskerzeit besiedelten Ortes ein Anwesen mit Stellplatz für den Porsche der Ehefrau leisten zu können.

Das kleine Ansedonia besitzt einen tadellosen Dünenstrand, der sich bis zum Monte Argentario bei Orbetello erstreckt, und einen schattigen Pinienhain, in dem die Römer abends ihren Körper stählen, bevor sie in den Restaurants riesige Meeresfrüchteplatten verspeisen.

Tagsüber ruht der Römer; er bewegt sich den ganzen August nicht weg von seiner Badeliege, die er monatsweise oder für die gesamte Saison gemietet hat, was selbstverständlich ein Vermögen kostet.

Am glücklichsten ist er, wenn die wichtigsten Verwandten und die engsten Freunde samt Kindern ebenfalls auf ihren Lettini liegen und nicht wie die Deutschen in Bücher starren, sondern die wichtigen Dinge des Lebens besprechen.

Gerne steht der Römer breitbeinig im Tyrrhennischen Meer, das Mobiltelefon am Ohr, um seine Freude in alle Welt zu tragen.

Einmal am Tag kommt ein afrikanischer Strandverkäufer vorbei. Die Taschen, die der nette Herr aus Senegal mit sich führt, sehen aus wie aus der Edelboutique. Besonders schön ist eine weiße Ledertasche, auf die es eine deutsche Touristin abgesehen hat. Sie fängt an zu handeln, sie gestikuliert fast wie eine Italienerin; man will sich ja im Ausland keine Blöße geben.

Der Verkäufer lächelt nur.

Zehn Minuten später hat er das Stück zum geforderten Preis verkauft, denn die Römerin einen Sonnenschirm weiter fackelt nicht lange. Anders als in den billigeren Badeprovinzen der Adria werden am Strand von Ansedonia fast alle Wünsche erfüllt.

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