Süddeutsche Zeitung

Strandgeschichten: Tel Aviv:Freiheit, Freaks und Frieden

Am einen Strandabschnitt wird streng nach Geschlechtern getrennt gebadet, ein paar Wellen weiter planschen Schwule und Lesben - willkommen in Tel Aviv.

Thorsten Schmitz

Strände sind Sehnsuchtsorte. Hier mischen sich Sand und Wellen, Träume und Erwartungen. Strände können einsam sein oder mit Liegestühlen vollgestellt - wer zurückkehrt, bringt oft eine besondere Erinnerung mit. In dieser Serie stellen SZ-Autoren ihre Lieblingsstrände vor.

Wenn man Glück hat, kann man auf der Promenade von Tel Aviv Etgar Keret treffen, Israels frechsten und witzigsten Schriftsteller. Sofort hat er eine Antwort parat auf die Frage, wie er die zwei Kilometer Strand von Tel Aviv beschreiben würde. In ihm, sagt Keret, spiegele sich die ganze Schizophrenie Israels: "Wir sind so konservativ, dass es am heiligen Schabbat keinen öffentlichen Nahverkehr gibt. Andererseits sind wir so tolerant, dass eine transsexuelle Sängerin Israel beim Eurovision Song Contest repräsentiert hat."

Der Strand von Tel Aviv ist Israel im Kleinen: Querschnitt durch die Gesellschaft und Gleichmacher.

Am Hilton-Strand im Norden etwa sonnen sich schwule Männer und lesbische Frauen - und gleich nebenan liegt der Eingang zum Abschnitt der Ultra-Orthodoxen, wo an drei Tagen der Woche Frauen, an drei anderen Tagen Männer baden dürfen.

In den Wellen zwischen den beiden Stränden schaukeln dann Schwule, Lesben und Religiöse in friedlicher Eintracht, und wenn die Wellen hoch genug sind, kommen die Surfer hinzu.

Wer Sehnsucht nach Deutschland hat, trifft am Gordon-Strand halb Berlin und halb München, vor dem Opern-Hochhaus ein Stückchen weiter südlich liegen die Russen, die unerschrocken auch im Winter bei 15 Grad Wassertemperatur baden gehen.

Weiter im Süden, am Banana-Beach, treffen sich jeden Abend Hippies und Kiffer und tanzen und trommeln auf Bongos, den verklärten Blick auf die untergehende Sonne gerichtet. Und kurz vor Jaffa sieht man verschleierte arabische Frauen in schwarzen langen Kleidern schwimmen.

Die Badewanne von Tel Aviv ist auch ein Stück Frieden.

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Quelle:
SZ vom 6.8.2009/kaeb
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