Stockholm:Zum Frühschoppen ins Grand Hotel

Eigentlich ist Alkoholausschank in Schweden vor elf Uhr morgens verboten. In Stockholms Grand Hotel gibt es jetzt ein kleines, feines Hintertürchen.

Gunnar Herrmann

Schweden ist ein nüchternes Land. Alkoholgenuss ist strengen Regeln unterworfen. Ein Beispiel: Man stelle sich vor, dass man einen Nobelpreis bekommt. Nach Preisverleihung und Bankett mit dem König erwacht man im Grand Hotel, zum Frühstück geht es runter in die berühmte Cardierbar der Herberge.

Unter Kristallleuchtern auf einem Polstersessel sitzend bringt man einen Toast auf die Wissenschaft aus. Die anderen Nobelpreisträger erwidern die Geste - und erheben ihre Kaffeetassen und O-Saft-Gläser. Etwas anderes haben sie nicht, denn in Stockholm ist Alkoholausschank vor elf Uhr verboten. Zumindest war das bisher so. Denn ab sofort darf das Grand Hotel auch zum Frühstück Champagner reichen.

Das genehmigte am Montag die Stadtverwaltung und machte das Nobel-Etablissement damit zum einsamen Vorreiter des Frühschoppens. "Ein sehr unglücklicher Beschluss", findet Stefan Nilsson. Der Kommunalpolitiker der oppositionellen Grünen warnt in der Zeitung Dagens Nyheter vor einem feucht-fröhlichem Sittenverfall, der nun sozusagen von der Spitze her in die Gesellschaft einsickern wird. Nilsson befürchtet eine "Flut von Anträgen für Ausnahmegenehmigungen".

Nach schwedischem Recht ist Alkoholausschank in Gaststätten eigentlich nur von elf Uhr morgens bis ein Uhr nachts erlaubt. Für Discos und Bars verlängern die Kommunalbehörden die nächtliche Schankzeit üblicherweise, in Stockholm versiegen die Zapfhähne an manchen Orten erst um fünf Uhr. Dann aber war bislang endgültig Schluss.

Ausnüchtern bis morgens um elf

Nachtschwärmer mussten bis mindestens morgens um elf ausnüchtern. Es gab nur zwei Ausnahmen von der Frühstücks-Prohibition: Zugrestaurants und Gaststätten am Flughafen servierten auch bisher schon Alkohol in den Morgenstunden.

Dass sich nun das Grand Hotel zu diesen Lokalen gesellen darf, rechtfertigt der konservative Kommunalpolitiker Peter Lundén-Welden damit, dass es im Grand Hotel immer schon ein Hintertürchen gegeben habe. Das führte in die Minibar, die sich in jedem Zimmer findet. Die Gäste hätten sich dort bedient und das Frühstück ans Bett bestellt, sagt Lundén-Welden, Vorsitzender des Ausschusses, der die Ausnahme genehmigt hat. "Es macht doch keinen Unterschied, ob die Leute ihren Champagner auf dem Zimmer oder unten am Frühstückstisch trinken", meint er.

Auch Lundén-Welden ist aber gegen eine generelle Lockerung des Frühschoppen-Verbots. In derselben Sitzung, in der dem Grand Hotel der Morgenchampagner genehmigt wurde, lehnte der Ausschuss darum den Antrag einer Pizzeria ab, die schon von zehn Uhr an Bier und Wein servieren wollte.

Das Lokal habe eben keine Zimmer und keine Minibars, es gebe also keinen Grund für eine Ausnahme, erläutert Lundén-Welden. Der Pizzeria-Wirt aber sagte der Süddeutschen Zeitung: "Elf Uhr ist genauso gut. Ich hatte mich ohnehin nur beim Ausfüllen des Formulars vertippt."

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