Städtetipps für Hamburg:Auf die Reeperbahn nie nachts um halb eins

Warum Hamburger der Meinung sind, dass es dort gar nicht so oft regnet, weshalb sie erst spät anfangen zu feiern, dann aber nicht mehr aufhören wollen, und wo ein Tag fast so schön ist wie am Meer.

Jens Schneider

Städtereisende wollen vieles erleben, am besten aber Orte entdecken, die nicht in jedem Reiseführer oder jeder App zu finden sind. Wer könnte besser durch die Stadt führen als jemand, der dort wohnt oder zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Süddeutsche.de hat Korrespondenten in deutschen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Jens Schneider verrät, was schöner und billiger ist als eine Hafenrundfahrt, den schönsten Platz für den Sonnenaufgang und was Sie sich hier wirklich sparen können.

Hamburg Hamburger Hafen Kreuzfahrt Kreuzfahrtschiff

Wasser prägt diese Stadt, und wenn der Hamburger nicht nah genug am Wasser wohnt, hält er sich so oft wie möglich dort auf.

(Foto: dpa)

Was macht Hamburg als Stadt aus?

Es ist das Wasser, das Hamburg besonders macht. Um den Lauf der zwei sehr eigenen und unterschiedlichen Flüsse Alster und der Elbe rankt sich das Geschehen der Stadt, fast alles Schöne und Abenteuerliche, auch das Liebliche und das stille Landleben. Der Hamburger lebt idealerweise am Fluss. Wenn nicht, suchen viele Hamburger die Nähe zum Wasser, so oft es geht. Deutet sich am Himmel nur ein wenig Sonnenschein an, zieht es sie zum Elbstrand nach Övelgönne, auf den Altonaer Balkon oder in den Jenischpark über der Elbe.

Man trifft sich am Alsterufer oder an einem der Kanäle, die sich durch die Stadt ziehen. Hinzu kommen Flüsse wie die Bille, die den äußersten Osten der Stadt prägt, und kleine Nebenarme der Elbe mit so schönen Namen wie "Dove Elbe". Zu Hamburgs Affinität zum Wasser gehört die von nahezu britischer Gelassenheit geprägte Einstellung zum Regen.

Manche Hamburger bestreiten, dass es in der Stadt überhaupt häufiger regnet als anderswo und berufen sich dabei gern auf dubiose Statistiken. Aber man darf Hamburg mögen und dennoch wahrnehmen, dass es an vielen Tagen anhaltend nieselt, sehr häufig heftige Schauer über die Stadt ziehen und etliche Tage sich zum ersten Sonnenstrahl, der dann nicht durchkommt, einregnen und damit bis zum Abend nicht aufhören. Die typische Haltung zeigt sich im Gleichmut der Hamburger, die auf Regenschirme verzichten und nur bei allzu heftigem Platzregen Unterschlupf suchen, um auf den nächsten hellen Moment zu warten.

Diese Sehenswürdigkeiten dürfen Sie nicht verpassen:

Hamburg ist keine Stadt der ganz großen Sehenswürdigkeiten. Es sind viele kleine und große Schätze, die als Teil der gewachsenen Stadt einen zauberhaften Anblick schaffen: aus der Stadt auf den Hafen und die Elbe, oder vom Hafen und der Elbe aus auf Blankenese, Altona, St. Pauli und die Michaelis-Kirche. Bis hin zur ewigen Baustelle der Elbphilharmonie reicht der Blick, die sich, wie ein Schiff geformt, schon jetzt zugleich einfügt und herausragt.

In Hamburg sollte sich der Besucher zwischen Stationen wie der beachtenswerten Kunsthalle oder den Deichtorhallen mit ihren großartigen Ausstellungen einfach Zeit nehmen, die vielen schönen Blickpunkte zu entdecken, zum Beispiel vom Jungfernstieg auf die Binnenalster. Einen ganz anderen Blick auf die Stadt hat er von einem Dampfer oder einem Kanu aus.

Der Hafen mit Landungsbrücken, Speicherstadt und Hafen-City sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, und außerdem - als wäre es unvermeidlich - wird stets die Reeperbahn aufgeführt. Zu Unrecht.

Was ist noch sehenswerter - doch nur wenige Urlauber wissen davon?

Der Jenischpark mit dem Barlach-Haus, das einige der wichtigsten Kunstwerke des Bildhauers Ernst Barlach zeigt. Ein Ort, an dem man von der Kunst nicht unberührt bleiben kann. Zu der Atmosphäre des Landschaftsgartens hoch über der Elbe passt für viele Schwärmer die Stimmung in Ralphs Kiosk, dem Cafe im Park.

Lohnenswert ist der Spaziergang durch den Alten Elbtunnel in den Hafen, von den Landungsbrücken aus. Oder gleich eine Radtour durch den Alten Elbtunnel in den Hafen hinein und weiter auf die Elbinsel Wilhelmsburg, 2013 Standort der Internationalen Gartenschau und derzeit das spannendste Quartier Hamburgs mit neuen Cafes und schönen Plätzen am Wasser. Mit seiner buntgemischten Einwohnerschaft entwickelt sich Wilhelmsburg von einem Arbeiterquartier, auf das die feinen Hamburger stets herabblickten, zu einer urban-grünen Insel. Diese zieht Menschen an, denen es anderswo zu teuer, zu glatt und allzu herausgeputzt schick wird. Darüber wird in Hamburg an vielen Ecken geklagt, mittlerweile auch in Wilhelmsburg.

Welches Viertel sollten Sie unbedingt noch besuchen?

Hamburg ist eine Stadt der eigenständigen Quartiere, die sich voneinander unterscheiden, als wäre jedes eine eigene Kleinstadt. Es gibt Leute, für die es zur Lebenskunst gehört, ihren Kiez nicht zu verlassen. Wenn sie mal doch ins Zentrum müssen, fahren sie "in die Stadt". Ein Stück typische Hamburger Lebensart lässt sich am Eppendorfer Baum erhaschen, besonders wenn Markttag ist. Auf dem Isemarkt stehen die Blumen- und Gemüsehändler unter der alten Hochbahntrasse, von dort kann man zur Alster spazieren oder sich einfach in eines der Cafés fallen lassen.

Wie ein noch immer wilder, internationaler Kiez fühlt sich das Schanzenviertel für besucher an - mit seinen kleinen Händlern, den Bars und Cafés und mit schönen Namen wie "Omas Apotheke". Noch immer bietet das Viertel eine derbe Kulisse, den Anschein der bösen großen Stadt, während Anwohner der Schanze längst die Invasion von Latte Macchiato beklagen und sich anstrengen, Touristen mit Missachtung zu strafen. Und doch lässt es sich heiter bei Tapas gegenüber der seit Jahrzehnten besetzten Roten Flora sitzen, wo manche stolz, andere angewidert feststellen, dass ihr Haus zu den meistfotografierten der Stadt zählt. Wer die Schwellenangst überwindet, kann dort gelegentlich aufregende Partys erleben.

Den schönsten Blick haben Sie ...

... vom Turm des Michel aus, wo man die vielen Treppenstufen hochsteigt. Oder bei einer Fahrt mit einer Hadag-Fähre, die Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind, am besten von Teufelsbrück oder Övelgönne aus hinein in die Innenstadt. Das ist fast der Blick, den auch Seefahrer haben, wenn sie Hamburg erreichen. Die Hadag-Fähren, zu normalen Ticket-Preisen, sind auch für Fahrten ins Hafengebiet oder die Elbe herab gut, etwa ins gegenüberliegende Finkenwerder.

Das können Sie sich in Hamburg sparen:

Die Reeperbahn, vor allem nachts um halb eins. Aber eigentlich auch zu jeder anderen Zeit. Es gibt gute Clubs an der Reeperbahn wie das Molotow, auch Theater und Restaurants, die man auf direktem Weg ansteuern sollte. Aber gerade an Wochenenden sollte man sich die oft aufgeladene Atmosphäre ersparen, für die nicht wilde St. Paulianer, sondern überdrehte Jungs aus der Vorstadt verantwortlich sind. Dazwischen drängeln sich Touristen, als gäbe es Verruchtheit gegen Verzehr-Bons und Rotlicht im Sommerschlussverkauf.

Auch der Fischmarkt am Sonntagmorgen fällt in diese Kategorie. Wer den mal als Kind erlebt hat, kann schwer ertragen, dass es bei manchen Händlern inzwischen zugeht wie im Trommelfeuer von Animateuren einer Kaffeefahrt.

Transport, Essen und Trinken

Hier finden Sie Jens Schneiders Tipps für den Weg durch die Stadt und für den kleinen und großen Hunger.

Bahn Hafen Hamburg Hamburger Landungsbrücken

U-Bahn mit Ausblick: Weil die Untergrundbahn in Hamburg eine Hochbahn ist, haben Besucher und Einheimische einen schönen Blick auf die Stadt - besonders in der U3, die auch an den Landungsbrücken am Hafen hält.

(Foto: dpa)

So kommen Sie am besten durch die Stadt:

Mit den roten Stadträdern, die es in der Innenstadt überall gibt, und die sich leicht ausleihen lassen. Bis zu 30 Minuten Fahrtzeit sind kostenlos. Hamburg hat zu wenig Fahrradwege, aber die Hafen-City oder der Weg um die Außenalster lassen sich mit dem Rad gut erfahren. Wer einmal Mut gefasst hat, wird sehen, dass die Radler in der Stadt meist aufmerksam beachtet werden.

Damit sollten Sie unbedingt fahren:

Eine kurze aber grandiose Stadtrundfahrt mit Blick auf den Hafen ist die Reise mit der U-Bahn, die in Hamburg Hochbahn heißt, genauer gesagt in der U3. Es gibt Hamburger, die sich diesen Umweg des Blicks wegen an jedem Tag gönnen, der es zulässt. Auch eine Linienfahrt mit dem Alsterdampfer ans linke oder rechte Alsterufer lohnt sich, genauso wie die Fleetfahrten und ein Ausflug über die Alster und in die anschließenden Kanäle.

Steigen Sie bloß nicht in ...

... eine überteuerte Hafenrundfahrt. Ein wenig Hafengefühl bieten die Fahrten mit den kleinen Barkassen.

Probieren Sie unbedingt:

Labskaus, auch Fischfrikadellen und Matjesbrötchen, im Winter: Birnen, Bohnen und Speck oder den Klassiker Grünkohl.

Das schönste Café:

Die "Strandperle" in Övelgönne ist ein magischer Ort, aber immer voll. Macht nichts, da gibt es viel zu gucken. Man setzt sich eben ein paar Meter weiter mit der Rhabarberschorle oder dem Bier in den feinen Elbsand und schaut zu, wie gegenüber die Containerschiffe beladen werden oder auf der Elbe vorüberziehen. An der Alster gibt es einige feine Cafes, das "Anleger 1870" mitsamt Restaurant am Schwanenwik zählt dazu.

Das beste Restaurant:

Besonders geschätzt wird im Moment "Das Weiße Haus", wohl zu Recht.

Nachtleben und Kniggefragen

Städtetipps für Hamburg

Möglichst spät beginnt das Nachtleben für echte Hamburger - dafür hören sie mit dem Feiern nicht so schnell wieder auf.

(Foto: Inga Nielsen/Fotolia)

Wo der Abend in Hamburg beginnt, wie es weitergeht und welchen Satz man hier besser nicht sagen sollte.

Der Imbiss für unterwegs:

Die Fischfrikadelle, das Krabbenbrötchen (eher nicht direkt an den Landungsbrücken kaufen) und für die Currywurst zum Beispiel die "Kleine Pause" in der Wohlwillstraße in St. Pauli, ein Stück abseits der Reeperbahn. Dort ist auch die Frikadelle aus eigener Herstellung empfehlenswert. Ein Ereignis ist die Fischbratküche "Daniel Wischer" in Spitalerstraße und Steinstraße mit Stammgästen, die seit Jahrzehnten kommen. Einfach und klassisch.

Typisch für das Nachtleben in Hamburg ist, dass ...

... es spät beginnt und nie richtig aufhört. Die Hamburger versuchen gern, erst loszugehen, wenn die Pinneberger wieder weg sind und auch die anderen Vorstädter. Aber die bleiben auch schon immer länger. So sind die Hamburger ständig auf der Flucht vor ihnen und bleiben doch nicht unter sich, auf der Reeperbahn, dem Hamburger Berg oder der Schanze. Dabei wollen Hamburger das so sehr, unter sich sein.

Wo man den Abend beginnt:

So lange es hell ist am Elbstrand, dann langsam in die Stadt ziehen. Am besten am Elbufer entlang. Irgendwo gibt es immer ein Astra.

Dann ziehen Sie weiter ins ...

... "Hafenklang", um sich von einer Band überraschen zu lassen, von der man noch nie gehört hat.

Hier wollen alle rein:

Mindestens mal gucken, auch wenn das eigentlich nicht so gedacht ist, in der Bar "20 Up", der Skybar hoch über der Elbe im Riverside Hotel.

Dabei ist es hier viel besser:

Im "Le Lion" nahe am Rathaus, oder, wer es nicht so nobel will, auf dem Hamburger Berg, vielleicht ins "Sorgenbrecher".

Dies ist der beste Platz für den Sonnenaufgang:

Der Altonaer Balkon. Franzbrötchen vom nächsten Bäcker, einen Espresso im Pappbecher. Unten liegt der Hafen, weiter hinten die Köhlbrandbrücke, und hinter einem laufen die ersten Jogger vorbei.

Mit diesem Satz kommen Sie hier gut an:

"Ist ja immer noch viel mehr los hier als in Berlin. Regnet auch gar nicht so oft."

Darüber spricht man in Hamburg:

Über den HSV, der niemals absteigen darf. Über den FC St.Pauli, der ständig ab- und aufsteigen darf und nur weiterhin anders erscheinen muss, um geliebt zu werden.

Über das große Geld, das sich mit Lofts in der Stadt breitmacht und Leute ohne Geld verdrängt.

Über die Elbphilharmonie, die - ganz bestimmt, kein Zweifel erlaubt - wunderschön wird, aber niemals fertig.

Vorsicht, Fettnäpfchen!

Sagen Sie bloß nicht: "Es regnet leider doch ziemlich oft hier, oder?" Und: "Man hört ja, dass viele Künstler jetzt nach Berlin gezogen sind. Ist ja auch mehr los da!"

Mehr über Jens Schneider, Autor der Hamburg-Tipps:

Jens Schneider ist 1963 in Hamburg geboren und dort aufgewachsen. Nach dem Zivildienst verließ er die Stadt von den Landungsbrücken aus mit dem Schiff in Richtung England und arbeitete ein Jahr lang in Cambridge und London als Briefträger und Kellner. Dann studierte Schneider in Hamburg Politik und Volkswirtschaft, bevor er die Henri-Nannen-Journalistenschule besuchte. Seit 1991 ist er bei der Süddeutschen Zeitung. Zunächst berichtete er als außenpolitischer Redakteur vor allem über den Balkan, 1996 ging er als Korrespondent für Ostdeutschland nach Dresden. 2005 wechselte Schneider in die Parlamentsredaktion in der Hauptstadt Berlin, seit 2008 ist er Korrespondent für Norddeutschland. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. Der Elbstrand vor der Strandperle ist seit vielen Jahren sein Lieblingsort in Hamburg. Was die Club-Tipps angeht, mag er Hafenklang und Molotow gern, musste sich aber sonst von Bekannten und Freunden helfen lassen.

Von London bis Berlin - hier finden Sie die bislang erschienenen Städtetipps der deutschen und europäischen SZ-Korrespondenten.

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