Städtereise:Warum war die Mauer nicht um Ost-Berlin?

Wartburg Eisenach Thüringen Unesco Welterbe

Die Wartburg in Eisenach, Thüringen, zählt zum Unesco-Welterbe.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seltsame Fragen müssen Gästeführer nicht nur in Berlin, Thüringen oder Hamburg beantworten. Guides an deutschen Sehenswürdigkeiten erklären, was Urlauber dort übersehen - und wo wahre Lieblingsplätze sind.

Touristenführer kennen ihre Sehenswürdigkeit nicht nur bis ins kleinste Detail und wissen, wo es an ihrem Arbeitsplatz besonders schön ist - sie haben auch mit mehr oder weniger gut informierten Gästen zu tun. Höchste Zeit, mal den Guides ein paar Fragen zu stellen.

Wartburg in Thüringen

Nino Dell, ausgebildeter Industriekaufmann, führt seit 2005 im Auftrag der Wartburg-Stiftung durch Burghöfe und den Sängersaal sowie in die kleine Schreibstube, in welcher der geächtete Martin Luther getarnt als "Junker Jörg" an der Bibelübersetzung arbeitete. Als Ausgleich zu dem "hin und wieder sehr anstrengenden Job mit viel Publikumsverkehr" genießt Nino Dell die ruhige Zweisamkeit zuhause, "das große Leben findet oben auf der Burg statt".

Welches unvergessliche Erlebnis hatten Sie mit Besuchern? Die Wartburg hat ja eine sehr breit gefächerte Besucherschaft, vom Individualreisenden bis zum europäischen Hochadel, der meist zu offiziellen Empfängen kommt, mit entsprechender Vor- und Nacharbeit. An einem Morgen stand aber plötzlich das schwedische Königspaar auf dem zweiten Burghof der Wartburg - einfach so, ohne Ankündigung und ohne Protokoll. Diese Persönlichkeiten so privat zu erleben, das war für mich ein Highlight.

Was übersehen Urlauber, wenn sie allein die Wartburg erkunden? Die Wartburg ist eine mittelalterliche Anlage, da entgeht dem ungeübten Auge einiges. So seltsam es klingen mag: Da kann ein spätromanisches Kapitell, ein Sonnenkopf aus dem 12. Jahrhundert, direkt neben einem Lichtschalter sein - aber dem Besucher würde eher der Schalter ins Auge fallen. Die Erfahrung haben auch meine Kollegen gemacht: Lichtschalter, Strom, Lampen, das sind die Dinge, die Gäste gleich wahrnehmen. Das Wesentliche bleibt aber außen vor, wenn man es nicht erklärt.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz auf der Wartburg? Ich genieße jeden Morgen um acht Uhr den zweiten Burghof, das ist für mich wirklich ein Genuss. Ich habe viele spezielle Orte, aber der zweite Burghof mit den mittelalterlichen Objekten ist für mich ganz besonders - und der Blick auf den Thüringer Wald: Von der Torhalle aus schaue ich jeden Morgen in Richtung Süden.

Und jetzt mal ehrlich: Was war die blödeste Frage, die Touristen gestellt haben? Da könnte man eigentlich ein Buch schreiben. Eine der Fragen hat eine historische Vorgeschichte: Eisenach war ja in der DDR bekannt für den Automobilbau, schon in der Vorkriegszeit wurden hier BMW gebaut, in der DDR dann Fahrzeuge namens "Wartburg". Die kurioseste Frage, die mir nicht nur einmal gestellt wurde: Hat die Burg ihren Namen von dem Auto?

Hamburg

Elbphilharmonie und Hafencity Hamburg

"So schön luftig": Hamburg im besten Licht

(Foto: Jonas Weinitschke - stock.adobe.)

Sarah Janning-Picker, 35 Jahre, führt seit 2009 Gäste durch Hamburg. Mit Reisen kennt sie sich aus: Sie hat ihren Magister in Tourismusmanagement gemacht. Wenn sie nicht gerade die spannenden Seiten der Stadt zeigt, findet man sie in der Sporthalle beim Handball oder in der Kirche bei der Gemeindearbeit.

Welches unvergessliche Erlebnis hatten Sie mit Besuchern? Ich hatte eine Gruppe aus Luxemburg für drei Tage, am letzten Tag stand abends noch die Reeperbahn auf dem Programm. Wir waren unterwegs und wollten gerade in die "Ritze" (alte Kneipe auf St. Pauli), da fragte mich der Busfahrer, ob wir danach vielleicht noch einmal zusammen über die Köhlbrandbrücke fahren könnten. Ich verneinte mit der Erklärung, dass heute mein Geburtstag sei (Wahrheit!) und ich gerne nach Haus möchte (ich hatte schon zwei Stunden verlängert). Als wir aus der "Ritze" herauskamen, hatten die Gruppe und der Busfahrer irgendwoher Blumen besorgt und sangen mir ein Geburtstagsständchen mitten auf der Reeperbahn.

Was übersehen Urlauber, wenn sie allein Hamburg erkunden? Die Atmosphäre und Freifläche Hamburgs, hier ist es unaussprechlich luftig und somit fühlt man sich frei (im doppelten Sinne). Ich finde, das merkt man fast überall in der Stadt, wenn man sich etwas Ruhe gönnt und nicht von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzt.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Hamburg? Jeder. Überall gibt es etwas zu entdecken, von A wie Alster bis Z wie Zollenspieker Fährhaus. Ich halte mich im gesamten Hamburger Stadtgebiet sehr gern auf.

Und jetzt mal ehrlich: Was war die blödeste Frage, die Touristen gestellt haben? Eigentlich gibt es keine blöden Fragen, aber es ist schon amüsant, wenn Schweizer Gäste an der Höhenanzeige auf Google-Maps zweifeln: "Kann es wirklich sein, dass wir hier auf nur fünf Meter über Normalnull sind?"

Blumeninsel Mainau, Bodensee

Bodensee Radtour Fahrrad Rad Rundfahrt Tour

Barockschloss auf der Insel Mainau

(Foto: Katja Schnitzler)

Ursula Nicoletti, 57 Jahre, arbeitet seit 36 Jahren auf der Insel Mainau, im Servicezentrum und als Gästeführerin - zu tun gibt es genug: Jährlich besuchen etwa 1,2 Millionen Menschen die Blumeninsel. Auch in ihrer Freizeit kommt sie nicht vom Bodensee los, warum auch: "Ich bin unheimlich gerne am See, zum Beispiel im Sommer in einem der zahlreichen Strandbäder. Sonne und Wasser, da bin ich in meinem Element."

Welches unvergessliche Erlebnis hatten Sie mit Besuchern? In der langen Zeit, in der ich auf der Insel arbeite, habe ich schon die ein oder andere außergewöhnliche Gruppe betreut. Etwa einen Pudelzüchterverein, der mit 20 Pudeln - von ganz klein bis ganz groß - auf die Insel gekommen war. Die vielen Hunde gemeinsam mit ihren Frauchen und Herrchen, das war schon ein einprägsames Bild. Im Gedächtnis geblieben ist mir auch eine Rettungsaktion: Ein Gast kam zu uns ins Servicezentrum und hat unvermittelt einen großen blauen Schmetterling auf die Theke gesetzt, einen Himmelsfalter.

Der hatte sich im Schmetterlingshaus auf den Rücken seiner Frau gesetzt und war so als blinder Passagier aus dem Haus entkommen. Der Mann hatte aber keine Zeit mehr, den Schmetterling zurückzubringen, weil er dringend sein Schiff im Hafen bekommen musste. Also haben wir den Himmelsfalter vorsichtig in eine kleine Kiste gesetzt und ihn schnell ins Schmetterlingshaus getragen. Um zu überleben, braucht er nämlich tropische Temperaturen.

Was übersehen Urlauber, wenn sie die Mainau allein erkunden? Die Insel Mainau ist ja auch ein Botanischer Garten mit zahlreichen Pflanzenraritäten aus der ganzen Welt, zum Beispiel dem Taschentuchbaum, dessen Blüten tatsächlich aussehen wie Taschentücher. Ein witziges architektonisches Detail sind zwei Schlusssteine, die an der Außenfassade des Barockschlosses aus dem 18. Jahrhundert verbaut wurden.

Sie zeigen Lennart Graf Bernadotte - den Begründer des Mainau-Parks, wie wir ihn heute kennen - und seine damalige Frau Gräfin Karin. Die Steine wurden nachträglich in den 1950er Jahren bei Renovierungsarbeiten an der Schlossfassade eingesetzt. Es ist immer schönes Suchspiel für unsere Inselgäste, die beiden Köpfe zu finden.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz auf der Insel Mainau? Der Ufergarten der Insel am sogenannten Fernrohrplatz, direkt am Wasser. Dort suche ich mir gerne in der Mittagspause ein Bänkchen und lasse meine Gedanken schweifen. Das Plätschern der Wellen an die Ufermauern, der weite Blick über den See, der jeden Tag anders aussieht, das ist sehr entspannend.

Und welche Frage von Touristen hat Sie am meisten erstaunt? In fast vier Jahrzehnten gab es einiges, über das ich gemeinsam mit unseren Gästen lachen konnte. Vor kurzem hatte beispielsweise eine Gruppe eine Führung gebucht. Meine Kolleginnen und ich wunderten uns, warum niemand auftauchte. Nach einer Weile bekamen wir einen Anruf, wo denn nur der vereinbarte Treffpunkt sei? Es sei auch keine Touristenführerin zu sehen. Erst während des Gesprächs stellte sich heraus, dass die Gruppe gar nicht auf der Insel Mainau unterwegs war - sondern auf der Insel Reichenau.

Berlin mit Museumsinsel und Schloss Sanssouci

Herbstwetter - Sanssouci von oben

Sanssouci ohne Mönche, dafür von oben

(Foto: dpa)

Astrid von Deichmann, Jahrgang 1959, arbeitet seit 2009 als Guide in Berlin und Potsdam und ist von der IHK und dem Bundesverband der Gästeführer BVGD zertifiziert. Zudem ist sie seit 2012 freie Mitarbeiterin der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten und hat damit die Lizenz zum Gästeführen für alle Berliner und Potsdamer Schlösser und Parks. Wenn Astrid von Deichmann nicht gerade arbeitet, findet man sie in Museen, Galerien, Ateliers, auf Märkten und überall dort, wo Neues entsteht.

Welches unvergessliche Erlebnis hatten Sie mit Besuchern? In Gelb gekleidete buddhistische Mönche in Sanssouci bei Schnee und Eis - ein wunderschönes Bild für mich und andere Gäste.

Was übersehen Urlauber, wenn sie allein Berlin erkunden? Wenn man auf der Museumsinsel vom Alten Museum die Treppe zum Neuen Museum hinaufgeht, befindet sich linker Hand ein Brunnen mit einem Plattfisch, dem Butt. "Butt" war der Kosename von Königin Louise für ihren Sohn, den späteren König Friedrich Wilhelm IV. Dieser Brunnen ist ein Indikator dafür, dass man das Terrain Friedrich Wilhelms III. verlässt, um die neue Epoche Friedrich Wilhelm IV. (Neues Museum, Alte Nationalgalerie) zu betreten. Ein ähnlicher Brunnen befindet sich auch bei den Römischen Bädern beim Schloss Charlottenhof in Potsdam.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Berlin? Der Ausstellungsbau des Deutschen Historischen Museums von I. M. Pei, der auch die Glaspyramide des Louvre entworfen hat. Ich liebe diese leichte, luftige, beeindruckende Atmosphäre und die Internationalität des Baus: Der Architekt war ein US-Bürger mit chinesischen Wurzeln, der Kalkstein kommt aus Frankreich, das Glas aus Finnland. Der in Holz gegossene und mit Kalksteinpulver gefärbte Zement, die geometrischen Formen, der schmeichelnde Handlauf, die transparente Galerie-Einfassung, die Rolltreppen, mit denen man von unten hinauffährt, um den Schlüterhof zu besichtigen, der von I. M. Pei überdacht wurde - das ist jedes Mal wieder purer, sinnlicher Genuss.

Und jetzt mal ehrlich: Was war die blödeste Frage, die Touristen gestellt haben? Wieso die Mauer um West-Berlin verlief und nicht um Ost-Berlin ...

Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel mit den Wasserspielen

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Sind die Schleusen geöffnet, reicht das Gefälle unter dem Herkules im Bergpark aus, um das Wasser durch alle Stationen - hier die Kaskaden - zu drücken.

(Foto: fotobeam.de - stock.adobe.com)

Claudia Panetta-Möller, 50 Jahre, ist zertifizierte Stadt- und Museumsführerin und zeigt seit 1994 Kassels schöne und spannende Ecken. Wenn sie nicht gerade arbeitet, genießt sie ihre ganz private Ecke: den Garten mit Familie und Hund.

Welches war das verrückteste Erlebnis, das Sie bisher mit Besuchern hatten? Ich hatte eine italienische Gruppe, die mich im Anschluss an die Wasserspiele fragte, was es denn mit dem "Eimersystem" in Kassel auf sich habe. Leicht irritiert fragte ich nach. In dem Reiseführer, den mir die Gruppe zeigte, stand, dass die Wasserspiele aufgrund eines ganz ausgeklügelten Eimersystems funktionierten! Ich antwortete daraufhin, dass nach der Führung hinter dem Schloss Wilhelmshöhe Eimer ausgegeben würden, damit jeder wieder etwas Wasser für die kommende Vorführung nach oben bringt ... Nein, Blödsinn, der Verfasser dieses Reiseführers hat schlecht oder gar nicht recherchiert! Das Wasser wird in Speicherbecken gesammelt.

Was übersehen Urlauber, wenn sie die Wasserspiele allein betrachten? Wasserspiele wurden früher wie ein Theaterstück inszeniert, daher ranken sich auch viele Geschichten um die einzelnen Stationen. Wer allerdings nicht mit einer Führung unterwegs ist, stürzt oft weiter, sobald das Wasser kommt: Viele haben Angst, es nicht rechtzeitig bis zur nächsten Station zu schaffen. Das ist schade, denn die Besucher sollen die Anlage erst in trockenem Zustand bewundern, dann zusehen, wie sich das Ganze verändert, was mit der Station passiert, wenn das Wasser von ihr Besitz nimmt. Oft überspringen Gäste aus Unwissenheit sogar einzelne Stationen und sind dann irritiert, weil so lange nichts fließt. Denn jedes Wasserbild wird etwa zehn Minuten lang inszeniert.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz im Bergpark Wilhelmshöhe? Unterhalb des Aquäduktes. Ich finde es immer wieder faszinierend, die Wassermassen knapp 40 Meter hinabstürzen zu sehen.

Und jetzt mal ehrlich: Was war die blödeste Frage, die Touristen gestellt haben? Blöde Fragen gibt es nicht, aber ich musste schon schmunzeln, als ich von einer älteren Dame gefragt wurde, wie Landgraf Karl mit Nachnamen hieß. Ein Landgraf von Hessen braucht so etwas nicht.

Rothenburg ob der Tauber

Rothenburg ob der Tauber Rathaus Marktplatz Tourismus Städtereise

Der Marktplatz von Rothenburg mit dem Rathaus - und den Treppen, die zu den beliebtesten Sitzplätzen im Ort gehören.

(Foto: by-studio - stock.adobe.com)

Tanja Benz, 50 Jahre, ist Bankbetriebswirtin und zudem seit 1986 Stadtführerin in Rothenburg ob der Tauber. Da sie vormittags Intensiv-, Sanierungs- und Abwicklungskredite betreut, sind die Führungen "eine angenehme Zerstreuung zu meiner eher ernsten beruflichen Haupttätigkeit", sagt sie. Schließlich seien die meisten Gäste gut gelaunt und freuten sich, in Rothenburg unterwegs zu sein.

Welches war das verrückteste Erlebnis, das Sie bisher mit Besuchern hatten? Das war mit einer Gruppe Holländer, sie waren extrem lustig und verstanden sich auch untereinander sehr gut und unterhielten sich angeregt. Doch auf unserem Weg zum Marktplatz hörte ich sie plötzlich nicht mehr hinter mir. Als ich mich besorgt umdrehte, brachen alle in Lachen aus. Sie hatten spontan beschlossen, die Rothenburger Stadtführerin etwas zu veräppeln, waren einfach stehen geblieben und verhielten sich mucksmäuschenstill. Und warteten gespannt, wann ich bemerkte, dass sie mir nicht mehr folgten. Das war schon lustig, so wie auch der Rest der Führung.

Was übersehen Urlauber, wenn sie Rothenburg allein erkunden? Etliche verpassen den geschnitzten Riemenschneider-Altar auf der Westempore der Jakobskirche, viele bemerken auch die Stiftertafeln an der Stadtmauer nicht, auf denen Spender verewigt sind, die Geld für den Wiederaufbau der zerstörten Häuser nach dem Zweiten Weltkrieg geschickt haben. Und weil einige vermuten, dass es hinter dem Burgtor nicht weitergeht, versäumen sie den schönen Burggarten.

Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsplatz in Rothenburg? Der Marktplatz, dort kann ich gemütlich auf den Rathaustreppen sitzen, einen Kaffee trinken und dem bunten Treiben der Besucher und Einheimischen zusehen.

Und jetzt mal ehrlich: Was war die blödeste Frage, die Touristen gestellt haben? Wie viele Pflastersteine hat Rothenburg?

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