Süddeutsche Zeitung

Städtereise im Dezember:Diese Weihnachtsmärkte sind eine Reise wert

Der Weihnachtsmarkt ist ein deutscher Exportschlager. In Europa gibt es originelle Varianten - ob mit viel "Oompah Music" in London oder schwungvoll-alternativ in Wien. Einige Empfehlungen.

Von SZ-Autoren

Oompah! Santa-Kirmes in London

Briten sind treue Fans von Weihnachtsmärkten. Und seit einigen Jahren müssen die Untertanen Ihrer Majestät für teure Bratwürste und schlimmen Glühwein nicht mehr extra nach Deutschland reisen, denn Städte im Königreich richten ihre eigenen Märkte aus. So findet in Birmingham seit 1997 der "Frankfurt Christmas Market" statt, benannt nach der Partnerstadt am Main. Die Organisatoren behaupten, die Veranstaltung sei der weltweit größte authentisch deutsche Weihnachtsmarkt außerhalb Deutschlands und Österreichs. In London existieren gleich mehrere Weihnachtsmärkte, die mit Abstand größte Weihnachtssause in der Hauptstadt ist das "Winter Wonderland" im Hyde Park.

Mehr als drei Millionen Gäste besuchen dieses Wunderland, das von Mitte November bis Jahresende geöffnet ist. Seit dem Start 2007 hat es sich zu einer riesigen Mischung aus Kirmes und Weihnachtsmarkt entwickelt. Der Eintritt ist frei, aber viele Attraktionen kosten Geld. Etwa eine Fahrt auf der Achterbahn Olympia Looping, bekannt vom Oktoberfest. Oder Schlittschuhlaufen auf der größten Freiluft-Eisbahn des Königreichs, rings um den viktorianischen Konzertpavillon. Im größten Zirkuszelt Großbritanniens treten Akrobaten und Clowns auf.

Besinnlicher ist der Bereich "Santa Land", wo Kinder dem Weihnachtsmann begegnen können. Die 200 Hütten der Weihnachtsmärkte auf dem Gelände sind im "bayerischen Stil" gehalten. Noch bajuwarischer wird es im "Bavarian Village". Neben Essensständen lockt dort ein Bierzelt mit Live-Musik und DJ sowie "The Almhütte", in der am Tisch serviert wird, während traditionelle bayerische "Oompah Music" gespielt wird, wie der Organisator verspricht.

(http://hydeparkwinterwonderland.com/)

Björn Finke

Glöggchen: Stockholms Mittelaltermarkt

Schweden im Winter ist kalt und dunkel, und früher, ohne Strom und Heizung, war es noch kälter und dunkler. Die Schweden sind deswegen schon lange Meister darin, es sich drinnen warm und gemütlich zu machen. Wie sich das früher angefühlt hat, kann man an den Adventswochenenden im Freilichtmuseum Skansen in Stockholm testen. Im Park sind Häuser, Höfe und Gärten aus verschiedenen Jahrhunderten aufgebaut. Gleich zu Beginn geht man durch die kleine Altstadt mit Werkstätten von Glasbläser, Bäcker, Buchdrucker und Silberschmied. Wenn es nachmittags längst dunkel ist, sieht man sie drinnen bei Kerzenschein arbeiten. Reenactment gehört ganzjährig zum Park, an den Adventswochenenden singt ein Chor Weihnachtslieder, die Kostüme erinnern an die Sonntagskleidung von Michels Eltern in Lönneberga.

Überlaufen ist das Freilichtmuseum selten, was am Eintritt liegen mag: etwa 16,20 Euro im Advent, sonst 12,20 Euro. Auf dem Platz in der Parkmitte steht der Weihnachtsmarkt. Hier gibt es zu kaufen, was es auch früher an den Festtagen gab, eingelegten Hering, Marmelade, Spekulatius, Safrangebäck. Es gibt warme Mützen, Kerzen, schwedische Weihnachtswichtel aus Filz. Man isst Pfannkuchen aus eisernen Pfannen über offenem Feuer, trinkt Glögg und heiße Schokolade. Darsteller in Tracht tanzen um einen Weihnachtsbaum, viele Besucher tanzen mit, Nostalgie wärmt auch. Am Rand des Marktes beginnt der Schmied unüberhörbar seine Arbeit. Man kann ihm in seiner Hütte zuschauen und sich dabei vorstellen, dass ein Feuer nie so hell und warm war wie damals im Norden.

(Der Markt ist nur an den Adventswochenenden geöffnet, www.skansen.se/de)

Silke Bigalke

Tutto Natale: Bozen zieht halb Italien an

Alle sind in Südtirol! Während manche deutschen Touristen noch beim Törggelen sitzen, sich an neuem Wein und Schlachtplatte erfreuen, haben Gäste aus Norditalien längst ihr Lieblingsziel angesteuert: den Mercatino di Natale in Bolzano, wobei das verkleinernde "Mercatino" etwas in die Irre führt. Mit 80 Ständen am Waltherplatz und Ablegern in zwei Innenhöfen und am Rathausplatz ist der Bozner Christkindlmarkt kein Märktchen mehr. Am ersten Wochenende zählte die Stadtpolizei 190 große Reisebusse, die meisten aus norditalienischen Großstädten. Die Mischung aus Tiroler Brauchtum, Lichterglanz und kulinarischen Spezialitäten kommt dermaßen gut an, dass der Bozner Weihnachtsmarkt, 263 Meter über der Adria gelegen, ein äußerst wichtiger touristischer Faktor für die Stadt geworden ist. Es gibt ihn erst seit 1991, damals hat der Stadtrat sich dafür Unterstützung und Know-how direkt vom Nürnberger Christkindlesmarkt geholt.

Etwa ein Drittel der Stände bietet einheimische Produkte an, von Filzpantoffeln über blaue Schürzen bis zu geschnitzten Krippenfiguren. Wer es noch nie mit dem pappsüßen Glühwein hatte, kommt an einem Stand auf seine Kosten, an dem gute Südtiroler Weine ausgeschenkt werden. Täglich wird traditionelles Kunsthandwerk vorgeführt, ein Fixpunkt sind Lesungen von deutsch- und italienischsprachigen Autoren. Im Innenhof des Capitol-Kinos kann man mit Bäuerinnen Weihnachtsdeko basteln, italienische Fischgerichte gibt es am Rathausplatz, und an Wochenenden spielen Ensembles und Musikkapellen am Waltherplatz. Wer es vor Weihnachten nicht mehr schafft: Der Markt ist bis Dreikönig geöffnet.

Hans Gasser

Heißer Vin: Straßburg setzt auf Kulinarik

Es duftet nach Plätzchen, die hier Bredele heißen, und Glühwein, der hier Vin Chaud genannt wird: Die Nähe zu Deutschland ist in Straßburg unverkennbar. Stolz nennt man sich Weihnachtshauptstadt. Doch das reklamieren auch deutsche und österreichische Städte für sich. Frankreichs Weihnachtshauptstadt ist Straßburg allemal, schon seit 1570 stellt man hier Buden auf. 24 Märkte sind es inzwischen, die meisten in der Altstadt mit ihren prächtigen Fachwerkhäusern. Ableger gibt es bereits in Tokio, Moskau, Peking und Taipeh.

Schon beim Vin Chaud zeigt sich der Unterschied zu Deutschland, denn der wird hier aus Weißwein, elsässischem Riesling, Silvaner oder Pinot Blanc zubereitet. Auch Varianten mit Bordeauxweinen, Cidre und Crémant d'Alsace gibt es. Dazu sollte man ein Foie-Gras-Sandwich probieren. Zwei dicke Scheiben Gänsestopfleber in einem tannenbaumförmigen Brötchen für neun bis zehn Euro, wo gibt's das sonst? Im Internet bietet die Stadt Routen für ein- bis dreitägige Touren an.

Ein Hingucker ist die opulent geschmückte, 30 Meter hohe und alles überstrahlende Tanne auf der Place Kléber, die ein Bediensteter der Staatsforste Jahr für Jahr in den Wäldern der Vogesen, Lothringens oder der Moselregion aussucht. Ein wohlbeachtetes Ritual für sich. Auf der Place de la Cathédrale gibt es neben Essen und Trinken Stände mit Kristallkunst aus den umliegenden Glasbläsereien oder auch elsässische Töpferwaren, etwa Formen für den Guglhupf und den Baeckeoffe-Eintopf. Letzterer wäre ein schöner Abschluss des Bummels, zu verzehren in einer verwinkelten Winstub.

(https://noel.strasbourg.eu)

Ingrid Brunner

Mit Schwung: Wiens alternativer Markt

Es gibt die normalen Karussells, zu denen Eltern von ihrem quengelnden Nachwuchs gezerrt werden, um am Rand winkend gute Miene zum faden Spiel zu machen. Und dann gibt es das "Karussell der Fundgegenstände" auf dem Wiener Karlsplatz. Dort betreibt der Kunsthandwerksverein Divina Art seinen jährlichen Weihnachtsmarkt. Bei seinem Karussell sind es eher die Eltern, die den Kindern unbedingt eine Runde spendieren wollen, sagt dessen Erbauer Stefan Novak. Er hat für das Kunstwerk unzählige alte Dinge zusammengesucht, -gedacht und -geschweißt: Mülltonnen, alte Stoßdämpfer, Blechwannen, hölzerne Skier und Vogelkäfige wurden zu fantastischen Reit- und Schaukeltieren.

Die Eltern haben kaum Zeit zum Winken: Sie müssen in die Pedale treten, damit Schwung in die Sache kommt. Neben urig-vorweihnachtlicher Stimmung breitet sich somit auch gutes Gewissen über dem weiten Platz zwischen der hochbarocken Karlskirche und den eleganten Jugendstil-Pavillons der ehemaligen Stadtbahn aus: nicht nur, weil das Upcycling-Ringelspiel klimaneutral betrieben wird, auch der eine oder andere Marillenkrapfen kann gleich wieder abgebaut werden, ehe er sich anlegt.

Selbst dann wären Gewissensbisse unangebracht: Immerhin ist hier alles Essbare bio, von den Waldviertler Mohnnudeln bis zu den Tiroler Kiacheln - nur der Wildschweinburger nicht, weil seine Hauptzutat nicht zertifiziert werden kann. Man bekommt auch keinen fernöstlichen Plastik-Kitsch zu kaufen, sondern solides Kunsthandwerk aus Wolle, Holz und Schmiedeeisen. Im großen Brunnen mitten auf dem Platz steht ein Gehege mit Schafen und Ziegen. Das flache Steinbecken rundherum ist mit Stroh angefüllt, ein Traum für die Kinder.

Georg Renöckl

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Quelle:
SZ vom 30.11.2017/ihe
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