Stadtführungen durch Berlin:Miet dir einen Künstler

In Berlin kann man Maler und Schriftsteller als Stadtführer buchen und mit ihnen durch Ausstellungen oder ihre Ateliers spazieren. Die Idee dazu kommt von einem Autor.

Hans Gasser

Künstler, notorisch unterbezahlt, führen Fremde durch ihr Fachgebiet in der Hauptstadt und verdienen sich was dazu. Diese Idee klaute der Schriftsteller Norbert Kron aus seinem eigenen Roman "Der Begleiter" und gründete die Agentur Art Escort.

Stadtführungen durch Berlin: Der Schriftsteller Norbert Kron führt Touristen durch Berlin.

Der Schriftsteller Norbert Kron führt Touristen durch Berlin.

(Foto: Foto: Karen Bofinger)

SZ: Wie kommt Ihr Angebot an?

Kron: Gut. Zwar rufen nicht jede Woche 50 Leute an, aber da es sich um ganz individuelle Führungen handelt, könnten wir die auch gar nicht bedienen. Und die Kunden geben uns durchweg positive Rückmeldungen. Unsere Gäste haben die Künstlerbegleitung oft von Berliner Freunden oder Verwandten geschenkt bekommen. Wellness-Gutscheine und Fallschirmsprünge hatten sie schon genug, da ist dies ein ungewöhnliches Geschenk.

SZ: Welche Künstler bekommen die meisten Anfragen?

Kron: Das ist ganz klar Toni Wirthmüller, der Maler. Vermutlich deshalb, weil Berlin weltweit für seine Kunstszene bekannt ist und es deshalb etwas Besonderes ist, mit einem Maler durch Ausstellungen zu gehen oder in sein Atelier. Anne Hahn, die Schriftstellerin, und auch meine Begleitung werden ebenfalls ganz gut gebucht - bei uns beiden geht es ja auch um die Geschichte der Stadt.

SZ: Haben sich manche Künstler, ähnlich wie Ihr Romanheld, auch aus finanziellen Erwägungen dazu entschlossen?

Kron: Ja, das spielt natürlich auch eine Rolle. Es ist für alle eine angenehme Art, für einen relativ guten Stundenlohn zu arbeiten und etwas von uns selbst zu zeigen. Natürlich, ein Topstar der Branche wird nicht mitmachen, weil er es gar nicht nötig hat. Ich bekomme aber immer wieder Anfragen von sehr guten Künstlern, die Stadtführer sein wollen.

SZ: Dass sich Künstler nicht zu schade sind als Stadtführer zu arbeiten - ist das nur in Berlin möglich?

Kron: Ich kann es mir in manchen Städten vorstellen, in anderen nicht. Leipzig wäre geeignet, München vielleicht auch. Das Angebot lebt sehr von der Gegenwart. Was tut sich hier und jetzt in der Stadt? Das ist die zentrale Frage, beantwortet von einem, der an dem Prozess beteiligt ist. Berlin ist natürlich ideal dafür. So viele Kreative, die nicht angemessen bezahlt werden, gibt es kaum woanders. Deshalb können die Künstler auch ihren Stundenlohn selbst bestimmen.

SZ: Ist ein Künstler immer ein guter Reiseführer?

Kron: Bei der Auswahl mussten wir darauf achten, dass die Künstler nicht dem Klischee des Egomanen entsprechen. Das müssen schon Leute sein, die auch auf den anderen eingehen und gut erzählen können. Das ist bei allen der Fall: Sei es Frank Willmann, der beispielsweise eine außergewöhnliche Prenzlauer-Berg-Tour anbietet, sei es André Bergelt, der durch die Club-Szene begleitet, oder Britta Gansebohm, die durchs literarische Berlin führt.

SZ: Ist man als Künstler dann auch ein bisschen das Sightseeing-Objekt?

Kron: Ja, das ist Teil des Angebots. Die Leute wollen wissen, wie man Schriftsteller geworden ist, wie man als Maler arbeitet und so weiter.Die meisten meiner Gäste haben mein neues Buch, aus dem die Idee ja entstanden ist, noch nicht gelesen. Aber nach der Begleitung sind sie dann darauf neugierig.

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