Elbpromenade in Hamburg:Sehnsuchtsort mit Haken

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Elbpromenade mit Philharmonie (Foto: imago/Westend61)

Der Hochweg zwischen Landungsbrücken und Hafencity ist Hamburgs wichtigster Boulevard. Dank Zaha Hadid wurde er weltläufig und lebendig - und hat für Besucher doch Tücken.

Von Till Briegleb

Für das geschäftstüchtige Hamburg war die Elbe über sehr lange Zeit einfach eine Verkehrsfläche. Trotz später massiv erzeugter Hafenromantik wurde die Wasserkante der Stadt zur Elbe über Jahrhunderte doch vor allem als Wirtschaftsraum definiert und entsprechend bebaut. Krananlagen, Speicher, Gleise und Zufahrtswege verbarrikadierten den Zugang zum Fluss. Ein großer Teil war als Freihafen mit einem Zaun und Zollkontrollen abgesperrt. Und hinter einer hohen Flutschutzmauer aus Backstein bildete eine vielspurige Straße eine weitere Abschreckungsmaßnahme gegen die Wahrnehmung der Elbe als Natur- und Erlebnisraum. Zwischen Fischmarkt und Elbbrücken entlang der gesamten Innenstadt wendete Hamburg bis in die Achtziger seinem Fluss den Rücken zu.

Das hatte natürlich auch seine Vorteile. In den vernachlässigten Vierteln von Altona, St. Pauli und Altstadt lebte man billig in großen Gründerzeitwohnungen und Fabriketagen. Hier erwachten Punk und die Hafenstraße, Künstlerkarrieren und verschiedene Subkulturen, hier pulsierte das Herz der Vergnügungen und der Kreativität, die Club- und die Galerienszene als Vielvölkergemeinschaft. Im Schatten bröckelnder Seehandelsbauten war Hamburg wahrlich international und vortrefflich nachbarschaftlich. Doch dann erfand der Hamburger Oberbaudirektor Egbert Kossack 1981 die Vision der "Perlenkette" für den Stadtrand am Fluss.

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Mit dieser Metapher aus dem Schmuckkästchen der Reedersgattinen, die in Villen an der Elbchaussee leben, wo der Blick auf den Fluss zwar frei, aber sehr sehr teuer ist, wurde das räudige Leben am Wasser Schritt für Schritt verdrängt für einen Immobilienboom. Beflügelt durch das Ende der Hafenwirtschaft auf Hamburgs Stadtseite entstand zwischen dem Elbstrand in Övelgönne und den Gewerbegebieten in Hamburgs Osten über 40 Jahre ein neues Schaufenster der Stadt, die Auslage eines Architekturjuweliers mit Perlen, Muscheln, Yachten, Wellengebirgen, Riffen und was der nasse Kontinent noch so an Bildern hergab, in Hausform - entworfen oft von Architekten wie Herzog & de Meuron, David Chipperfield, Richard Meier, Kees Christiaanse oder Ben van Berkel.

Auch das kantige Becken der Binnenalster wird gerade besuchertauglich gemacht

Und inzwischen ist auch der Zaha-Hadid-Bau fertig, den jede Stadt braucht, um sich wirklich international zu fühlen. Zwar hat die 2016 verstorbene Kunstarchitektin in Hamburg keinen Schlagsahneberg in XXL-Format entwerfen dürfen, wie sie es sonst gewohnt war. Aber wenigstens konnte sie das wichtigste Teilstück der neuen Elbpromenade konzipieren, die sukzessive die komplette Flussseite der Stadt für Fußgänger und Radfahrer zugänglich macht: den Hochweg zwischen Landungsbrücken und Hafencity, also Hamburgs wichtigsten Touristenboulevard für einen Hafenblick, wo gar kein Hafen mehr ist (sondern Musicaltheater).

Auch Zaha Hadid gestaltete das flussnahe Bauwerk als wasserbezogene Metapher, wenn auch als das Paradox eines steinernen Flusslaufs auf einem Flutschutzdeich. Und dafür wurde im Gegensatz zu dem nüchternen Vorgängerbollwerk im Stil der kantigen Nachkriegsmoderne jetzt voll auf flüssiges Design gesetzt. Alles ist gerundet an dieser 1,5 Kilometer langen Maßnahme, vom weißen Treppenstein bis zum grauen Geländer. Das ist hübsch anzuschauen, wirkt lebendig, weltläufig, flott und zeitgemäß, macht dieses Verkehrsbauwerk sehr eigen, was man für solche Art Funktionsarchitektur sonst nicht immer behaupten kann.

Aber dieser Stil zäh fließender Formen ist eben auch Zaha Hadids Markenzeichen, und das wird dann in formalistischer Konsequenz selbst dort durchgezogen, wo es nicht den geringsten Sinn ergibt. Sechs weitläufig geschwungene Treppenkaskaden, die als Amphitheater bezeichnet werden, müssen aus offensichtlich rein ästhetischen Gründen nicht nur zur Wasserseite in den Flutschutzdeich geschnitten werden, wo sie ein echter Gewinn für Ausblicksuchende mit müden Stadtrundgangfüßen sind. Auch zur Nordseite, wo nur die viel befahrene Hafenrandtangente und parkende Autos zu sehen sind, wurden aufwendige Prunktreppen eingeschnitten, als bräuchte es hier ein Luftbad für Feinstaub. Von solch unsinnigen Details eines rein künstlerischen Designs hat der Boulevard (der nirgends darauf hinweist, dass er nur wegen der dem Klimawandel geschuldeten steigenden Pegel gebaut werden musste) noch einige zu bieten. Etwa Pavillons, die dank der Verzerrungsdoktrin des Londoner Büros in extremen Spitzen auslaufen, die räumlich für nichts zu nutzen sind. Oder Sitzgelegenheiten, die auf Mülleimer schauen. Aber besonders absurd an der schönen Hochwasserbarriere mit Aussicht auf die Elbphilharmonie ist die fehlende Barrierefreiheit.

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Nach zwei Dritteln des Weges, wo die Promenade abbiegt Richtung Binnenalster, gibt es nur noch Treppen. Weder Rollstuhl- noch Fahrradfahrer kommen dort weiter. Das freut zwar die Obdachlosen, die sich hier unter den Brücken häuslich eingerichtet haben. Aber die Chance, eine attraktive Wegverbindung zwischen den beiden großen Flüssen der Stadt herzustellen, wurde im siffigen Untergrund unbefahrbarer Wasserrandwege kläglich vertan. Dabei wird auch das kantige Becken der Binnenalster gerade Schritt für Schritt besuchertauglich aufgefrischt nach der Einsicht, dass Menschen gerne nahe ans Wasser kommen. Oder wie Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeld es jüngst auf einer Veranstaltung zur Neugestaltung des Alsterraums knapp und treffend erklärte, dieser sei zwar "sehr schön", dürfte aber "noch besser zugänglich sein"-

Nachdem 2005 bereits der Jungfernstieg zur Binnenalster hin abgetreppt wurde und Pontons auf Wasserniveau an lauen Sommerabenden kiffende Jugendliche mit Ghettoblastern anziehen, soll nun ein Konzept entwickelt werden, wie Hamburgs Hausteich Flaniercharakter erhält, damit Menschen wie in der guten alten Zeit hier wieder versonnen am Geländer stehen und ins Wasser starren. Und dieser entschleunigte Bezug zur nassen Verkehrsfläche wird mittlerweile an zahlreichen Punkten der Hamburger Wasserkante inszeniert. Von einem Café mit goldenem Turm auf der Entenwerder-Insel über den neu aufgeschütteten "Himmelsberg" in einem Becken der Hafencity bis zu den sommers rege besuchten Altonaer Hafenkais ist "Waterkant" wieder ein Sehnsuchtsort, nicht nur für Touristen.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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