St. Pauli in Hamburg:Als die Beatles noch wild waren

Vor 50 Jahren zogen die Beatles nach Hamburg und bekamen immer wieder Ärger mit der Polizei, McCartney saß sogar im Gefängnis - eine Spurensuche.

Am Beatles-Platz im Hamburger Stadtteil St. Pauli ziehen am Samstagabend Kiezbesucher in Scharen an den Silhouetten aus Edelstahl vorbei, die am Rand des Platzes stehen. Die Figuren erinnern an die Band, die hier an der Reeperbahn ihre Karriere begonnen hat. Das erste Mal kamen die Jungs aus Liverpool im Sommer vor 50 Jahren in die Hansestadt, um nächtelang im Kiezclub "Indra" zu spielen.

Damals kannte sie noch keiner, aber in Hamburg starteten sie durch - und bekamen immer wieder Ärger mit der Polizei. Ihren Spuren können St. Pauli-Besucher rund um die Reeperbahn folgen - selbstverständlich ist das nicht. Lange erinnerte in Hamburg so gut wie nichts an die erfolgreichste Band aller Zeiten.

Den Beatles-Platz direkt am Eingang zur Großen Freiheit, der berühmtesten Nebenstraße der Reeperbahn, gibt es erst seit 2008. Links daneben steht das "Café Möller", in dem die Beatles oft Gäste waren. Aber etliche der berühmten Orte, an denen sie aufgetreten sind, sucht man inzwischen vergeblich: Der "Star Club" etwa brannte Mitte der 80er Jahre ab.

Was es noch zu sehen gibt, zeigt Stefanie Hempel: "Ich bin selbst riesengroßer Beatlesfan", erzählt die Sängerin und Songwriterin. Seit sechs Jahren bietet sie Beatles-Führungen an, "eine Zeitreise in die 60er Jahre, als viele Bands aus Liverpool nach St. Pauli kamen und hier das Livespielen lernten". Seit 2008 moderiert sie die "Magical History Tour", bei der es im Bus durch die Hansestadt geht. Dann spielt Stefanie Hempel Beatles-Songs auf der Ukulele oder Gitarre und erzählt von Ringo, George, Paul und John, denen sie ihre Begeisterung für Musik verdankt.

Für die Beatles war St. Pauli die wichtigste Station zu Beginn ihrer Karriere: Rund 1500 Stunden haben sie auf Hamburger Bühnen gerockt, im "Kaiserkeller", "Star Club", "Indra" oder im "Top Ten".

"Sie haben 281 Konzerte gegeben und damals fast jede Nacht gespielt", sagt Stefanie Hempel. "Mehr als in Liverpool." Aber vor allem: In Hamburg haben die Beatles musikalisch zu sich selbst gefunden.

Nicht nur stilistisch, auch bei der Besetzung: Ringo Starr zum Beispiel kam erst in Hamburg zu der Band. "Ohne Hamburg hätte es die Beatles nicht gegeben." John Lennon hat es so formuliert: Er sei zwar in Liverpool aufgewachsen, aber in Hamburg erwachsen geworden.

Als die Jungs aus England Mitte August 1960 in Hamburg ankamen, waren sie eigentlich noch Jugendliche und zum ersten Mal von zu Hause weg. "In Liverpool konnte man mit Live-Musik damals nicht viel Geld verdienen", sagt Stefanie Hempel. Deswegen kamen so viele Bands nach Hamburg. "Die Beatles waren vierte Wahl - ihr Engagement bekamen sie erst, als drei andere abgesagt hatten."

Direkt an der Reeperbahn steht Deutschlands vielleicht bekanntestes Polizeirevier, die Davidwache. Paul McCartney hat dort im Dezember 1960 eine Nacht in einer Zelle verbringen müssen - nach einer Anzeige wegen Brandstiftung.

Ein Schwein an der Leine

An der war nicht viel dran, aber Paul wurde ausgewiesen, weil er keine gültige Aufenthaltsgenehmigung hatte. Auch George Harrison hatte mal Stress mit der Polizei: Bei seinem ersten Aufenthalt wurde er zurück nach England geschickt, weil er noch keine 18 Jahre alt war.

In der Straße Große Freiheit, die am Beatles-Platz beginnt, sind heute noch wichtige Musikclubs zu finden: Die "Große Freiheit 36" und darunter der "Kaiserkeller", in dem schon die Beatles dem Publikum einheizten. Seitdem haben an dieser Stelle etliche Stars gespielt, Rio Reiser genau wie Robbie Williams oder Hamburgs Lokalmatador Udo Lindenberg.

Nur ein Stück weiter sind gleich zwei Clubs mit großem Namen zu finden: das "Grünspan" und direkt daneben in einem vierstöckigen Backsteingebäude das "Indra".

Hier traten die Beatles am 17. August 1960 erstmals in Hamburg auf - gut anderthalb Monate später spielten sie dann im "Kaiserkeller". Wer Musik mag, ist auf der Reeperbahn auch heute noch richtig: Rund 30 Clubs stehen zur Auswahl.

Falls die Nacht lang geworden ist, bietet sich ein morgendlicher Abstecher zum Fischmarkt von St. Pauli an - auch die Beatles tauchten nach ihren Konzerten oft hier auf, manchmal nach etlichen Bieren zu viel. Und es gibt die Geschichte, nach der John Lennon auf dem Markt einmal sogar ein kleines Schwein gekauft hat. "Angeblich hat er es an der Leine auf der Reeperbahn spazierengeführt und Ärger mit der Polizei bekommen", erzählt Stefanie Hempel.

Das war für die Beatles in ihrer wilden Hamburger Zeit ja nichts Ungewöhnliches.

Erzählt wird die Frühgeschichte der Beatles auch im "Beatlemania": Das Beatles-Museum an der Reeperbahn ist direkt neben dem Beatles-Platz zu finden. Viele Schwarz-Weiß-Fotos aus den 60ern gibt es zu sehen und auch den ersten Plattenvertrag - unterschrieben von John Lennon.

Ein typisches Fan-Zimmer mit originalgetreuer Einrichtung findet sich ebenso wie eine Musik-Box mit etlichen Beatles-Titeln. Filmaufnahmen von Beatles-Konzerten samt hunderter kreischender Fans gibt es auch und sogar zwei Postkarten, die Ringo Starr seiner Oma in Liverpool geschrieben hat, mit vielen Grüßen aus Hamburg: "Das Wetter ist hier so schlecht wie zuhause, aber die Clubs sind besser."

Nahe der Reeperbahn ist das Heiligengeistfeld, der riesige Platz, auf dem dreimal im Jahr der "Dom" gefeiert wird, Hamburgs großer Jahrmarkt. Astrid Kirchherr, eine gute Freundin der Beatles, hat sie dort 1961 fotografiert - auf den Fotos sehen sie noch jung, sehr jung aus.

John posiert bereits in der Mitte. "Er war damals schon der Bandleader", sagt Stefanie Hempel. Und blieb es, als den Beatles nicht nur das Hamburger Publikum, sondern Fans in der ganzen Welt zu Füßen lagen.

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