St. Moritz:"Das Engadin hat mich dem Leben wiedergegeben"

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Schon Friedrich Nietzsche wusste, was er an der gesunden Höhenluft von St. Moritz hatte. Die Luft ist seitdem nicht wesentlich schlechter geworden - nur die Preise sind ein bisschen gestiegen.

Thomas Becker

Wenn sich Klischees bestätigen, kann das zweierlei zur Folge haben: Man schüttelt ungläubig den Schädel, seufzt "Unfassbar, das ist ja tatsächlich so teuer/mondän/überkandidelt/snobistisch" und flüchtet schnell wieder zurück in die reale Welt. Oder aber: Man bleibt. Lässt sich auf dieses Paralleluniversum ein. Lebt mit, wenigstens ein bisschen. Lange klappt das ja meist nicht, auch nicht in St.Moritz, das tatsächlich so unfassbar teuer, mondän, überkandidelt und snobistisch ist, wie man bisher nicht zu glauben wagte. Und doch irgendwie toll ist. Friedrich Nietzsche urteilte einst: "Das Engadin hat mich dem Leben wiedergegeben."

Der Name St. Moritz steht für Superlative: 322 Sonnentage im Jahr, seit 1937 der erste geschützte Ortsname samt Symbol. Der gänzlich unbescheidene Slogan: "Top of the world". Auf 5000 Einwohner kommen fast ebenso viele Arbeitsplätze und mehr als 5600 Gästebetten. An Heiligabend vor 125 Jahren brannte im Hotel Kulm erstmals in der Schweiz elektrisches Licht. 16 Hotels gehören zur Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie. Die Liste der prominenten Gäste und Villenbesitzer ist endlos. Ein Inder zahlte unlängst für ein schnödes Einfamilienhaus mit Seeblick 50 Millionen Schweizer Franken.

In den Schaufenstern der Via Serlas sind die großen Marken der Welt zuhause - und sie verkaufen sehr gut, zum Beispiel Brioni-Pullis für 6000 Franken. Der ursprünglich wegen seiner gesunden Höhenluft (knapp 1900 Meter) und der seit dem Mittelalter bekannten Heilenquellen gern besuchte Ort im Engadin erlebte zwei olympische Winterspiele, vier Ski-, 34 Bob- und zahllose andere Weltmeisterschaften. Für die jüngste Alpin-WM investierte man 38 Millionen Franken. Die bevorzugten Sportarten heißen hier Bridge, Polo, Tontaubenschießen, Wintergolf, Windhunderennen, Pferderennen oder Cricket - das alles am liebsten auf dem zugefrorenen Moritzsee.

Man kann aber auch ganz einfach Skifahren - drei Gebiete, 350 Kilometer Piste, 68 Schweizer Franken am Tag. Nur logisch, dass der Kakao mit Rum 18 Franken und der Strandkorb zum Sonnenbaden 20 Franken kosten. Dafür kommt die Musik zum Champagner auf der Terrasse nicht aus der Dose, sondern vom hauseigenen Saxofonisten - auch bei minus zehn Grad. Es gibt eine Kooperation mit Sylt, eins der vielen Pisten-Restaurants wirbt mit dem Namen St.Tropitz, und hier oben tragen selbst die Wanderer noch Fliege am gestärkten Hemdkragen: Willkommen in der besseren Gesellschaft!

Man muss sich aber vor lauter Neid auf den Reichtum derjenigen Pelzträger, die sich sogar zwei Kakao mit Rum leisten können, nicht gleich wie die Skirennläufer die 45-Grad-Abfahrt "Free Fall" am Piz Nair hinunterstürzen (von 0 auf 130 km/h in sieben Sekunden) - es geht auch gemütlicher. Am westlichen Rand des Hausbergs Corviglia führt eine Piste namens Paradies in ebendieses. Carven vor prima Kulisse: mächtige Drei- und Viertausender, der unwirklich glitzernde Silvaplanasee, über allem die obligate Sonne und am Ende der Abfahrt dieses Restaurant mit den drei roten Hochsitzen. St.Moritz wäre nicht St.Moritz, wenn man nun einfach hinaufklettern und die Aussicht genießen könnte. Nein, man muss sich zuvor in eine Liste eintragen, samt Zeitpunkt des Aufstiegs Richting top of the world, damit gewährleistet ist, dass jeder gleichlang gucken kann, was hier allerdings "Sky'n Ski Watch" heißt. Die einzige Überraschung: Gucken kostet nichts.

Übernachtungstipp: Hotel Crystal, mitten im Ort am Beginn der Fußgängerzone gelegen, 50 Meter zur Corviglia-Bahn, zehn Meter zum obligatorischen Parkhaus (12 Euro pro Nacht), gewagte Außenfassade aus den 60er Jahren. 4-Sterne-Kategorie, 71 Zimmer und Suiten, warmes helles Arvenholz, Kingsize-Betten, ausgezeichnete Küche mit italienischem Einschlag samt exklusiven Weinen im Restaurant Grissini, 350 Quadratmeter Wellness (aromatisiertes Mosaik-Dampfbad mit Sternenhimmel, Damen- und Herrensauna, Aerobic, Fitnessstudio, Solarium, Massagen, Cellulitisbehandlung). Doppelzimmer mit Frühstücksbuffet ab 227 Euro, Specials in der Zeit von 8. März bis 13. April: 3 Tage Halbpension plus 2-Tages-Skipass für 700 Franken, 5 Tage mit 4-Tages-Pass für 1100 Franken.

Weitere Informationen: www.crystalhotel.ch

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