St. Martin in den Stubaier Alpen:Berg mit Werk

Auf dem Schneeberg war einst das höchste Bergwerk der Alpen. Heute wohnen Touristen über den Stollen, die Schutzhütte zeugt noch immer von einem im Hochgebirge überraschenden Bedürfnis nach Prunk und Glanz.

Helmut Luther

Dieser Text ist erschienen am 18. August 2011. Wir haben die Übernachtungskosten aktualisiert. Alle weiteren Angaben sind unverändert.

Schneeberghütte

800 Jahre Bergbau haben die Hänge des Schneebergs geprägt. Auf den Terrassen liegt das Dorf mit der großen, prunkvollen Schutzhütte.

Der Bergsteigergruppe, die sich durch Nebelschwaden der Schutzhütte nähert, bläst ein böiger Wind ins Gesicht. Es ist nass und kalt an diesem Sommermorgen, Eiskristalle, vom Wind hergetrieben, stechen auf der nackten Haut. Das Thermometer vor der Hütte zeigt ein Grad plus an. "Der Schneeberg heißt nicht von ungefähr so!", sagt Heinz Widmann, der jetzt die warme Küche verlassen muss, um im Nebengebäude Bier und Wein zu holen. Im T-Shirt geht der 61-jährige Hüttenwirt mit dem ergrauten Fünftagebart aus dem Raum.

Allerdings muss Widmann nicht ins Freie. Er öffnet eine schwere Holztür in der Küche - die in einen langen, dunklen Tunnel führt. Es ist der vor einigen Jahren renovierte, mit mannsdicken Baumstämmen abgesicherte St.-Martins-Stollen. Dort sind noch Gleise verlegt. Mit einem originalen Förderwagen kann der Hüttenwirt alle Vorräte aus dem Nebengebäude holen - ohne der Witterung ausgesetzt zu sein, die hier auf 2355 Metern mitten in den Stubaier Alpen oft genug verrückt spielt.

Einst war der Schneeberg das höchste Bergwerk der Alpen. Die Gruben reichten bis auf 2500 Meter Höhe. Schon im Mittelalter wurde hier Bleierz abgebaut. Es diente dazu, beim Schmelzvorgang das Silber vom Kupfer zu trennen. Da man im Tiroler Inntal hauptsächlich Silber gewann, wurde der Schneeberg jahrhundertelang der Hauptlieferant für das zum "Frischen" benötigte Blei in den Schmelzöfen der Gemeinde Schwaz.

Mit eigener Kirche und Schule, einem Laden, Spital und Wohnungen für die Familien der gelernten Bergleute, der Knappen, war St. Martin am Schneeberg, wie die Siedlung heißt, ein richtiges Dorf. Etliche Gebäude sind bis heute erhalten geblieben. Wie eine verängstigte Schafherde scharen sie sich um die imposante Schutzhütte. Weil hier im Winter eine extreme Lawinengefahr herrscht, hat man den Boden zwischen dem Herrenhaus, der Kirche und dem Knappenhaus wie einen Schweizer Käse durchlöchert.

"So konnten sich die Bergleute dank der unterirdischen Verbindungswege zwischen den Gebäuden bewegen, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen", sagt Heinz Widmann.

Verschüttete Stollen, Ruinen von Erz-Silos, Arbeiterunterkünfte

Die Spuren der Bergleute trifft man bereits beim Aufstieg. An Weg Nummer 31, der sich von der Timmelsjochstraße im hinteren Passeiertal in steilen Serpentinen den Berg empor windet, machen Schautafeln auf die Überreste des jahrhundertelangen Wühlens aufmerksam: auf noch intakte oder verschüttete Stollen, auf die Ruinen von Erz-Silos, Arbeiterunterkünften und Ställen. Daneben die rostbraunen, fahl glitzernden Abraumhalden - wie riesige, schlecht vernarbte Wunden, die der Landschaft in 800 Jahren Bergbau zugefügt wurden.

Dieser ist inzwischen Geschichte. Nach einem verheerenden Brand am 16. Juni 1967 verließen die letzten Arbeiter den Schneeberg. Einige Jahre war die Hütte unbewohnt, sie drohte zu verfallen. Bis schließlich Anfang der neunziger Jahre der Plan gefasst wurde, das Schneeberghaus mitsamt dem Bergwerksgelände in ein Museum zu verwandeln.

Die Dimensionen des heutigen Schutzhauses verraten auf den ersten Blick, dass das Schneeberghaus keine normale Berghütte ist: Das Gebäude ist 45 Meter lang und zwei Geschosse hoch. Es zeugt von einem im Hochgebirge überraschenden Bedürfnis nach Prunk und Glanz. Die Fassade im ersten Stockwerk ist mit Lärchenholzschindeln verkleidet, die Fenster im Obergeschoss wurden mit dunkelgelben Verzierungen umrahmt. Die Wandvertäfelungen sowie florale Deckenmuster im heutigen Gastraum sind alpiner Jugendstil.

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