Süddeutsche Zeitung

Spurensuche auf Hawaii:Aloha Magnum!

Exotisch, witzig und ein bisschen verboten: Hawaiis Privatdetektiv Magnum war der Gegenentwurf zum Derrick-Deutschland. Auf Oahu seinen Spuren zu folgen, ist das beste Sightseeing.

Von Jochen Temsch

Die Tür des King Kamehameha Clubs steht offen, aber wer hineingeht, kommt nicht weit. "Sind Sie Mitglieder?", fragt eine Aufpasserin, "Sie müssen leider draußen bleiben." Randy Spangler versucht es auf die joviale Tour: "Ich habe hier mal gearbeitet." Keine Chance.

Aber schon vom Eingang aus hat man den Raum gut im Blick. Die Bar mit den runden Tischen und Rattanstühlen, die höhlenartig niedrige Decke, das ganze, etwas muffige Halbdunkel, das sich zum Strand hin auf eine Terrasse öffnet, nicht irgendeine, sondern die Terrasse. Von ihr knallt das Licht herein, der wolkenlose Himmel, der türkisfarbene Pazifik mit den Surfern obenauf - alles, was Waikiki schon am frühen Morgen an Strahlkraft zu bieten hat. Da draußen saß der Privatdetektiv Magnum, trank Bier aus Flaschen mit langem Hals und versuchte, seine Freunde Rick und T. C. in seine Ermittlungen einzuspannen. Im Hintergrund stolzierten Bikinischönheiten mit Pudelfrisuren durch den Sand. Damals waren die Achtzigerjahre. In diesem Raum sind sie noch heute. "Es hat sich nichts geändert", sagt Randy Spangler, "oh, boy!"

30 Jahre ist es her, dass Spangler hier an der Kalakaua Avenue 2933 in Honolulu gearbeitet hat. Nicht etwa als Kellner oder Türsteher, obwohl er gerade für letzteren Job trotz seiner 70 Jahre immer noch die ideale, eindrucksvolle Statur hätte. Spangler war Location Manager der Fernsehserie "Magnum, p. i." - das Kürzel für "private investigator" fiel in der deutschen Fassung weg. Es liefen 162 Folgen in acht Staffeln, von 1980 bis 1988 in den USA, von 1984 an in Deutschland. In dieser Zeit leiteten hierzulande noch Derrick und der Alte die Ermittlungen. Schwer zu sagen, welcher von beiden Kommissaren größere Tränensäcke hatte. Und dann rauschte plötzlich Magnum in einem feuerwehrroten Ferrari 308 GTS durchs Abendprogramm. Direkt aus Hawaii! Exotisch, witzig und ein bisschen verboten, wegen der für Kinder eigentlich zu späten Sendezeit - also: unwiderstehlich für einen 13-jährigen Jungen, den es in die Welt hinauszog.

"Tom hat ein Herz aus Gold", sagt derjenige, der damals die Drehorte der Serie organisierte

Magnum wohnt als Sicherheitsberater des schwerreichen Bestseller-Autors Robin Masters im Gästehaus von dessen Anwesen - sehr zum Verdruss des überkorrekten britischen Majordomus Jonathan Higgins. Den stört vor allem Magnums Lässigkeit, zu der auch dessen stilbildender Look gehört: Schnurrbart und Föhnfrisur, Hawaiihemd und Brustbehaarung sowie enge, kurze Hosen. Diese Beinkleider, das muss man festhalten, wirken bei der Rückschau auf die alten Folgen noch abartiger als die schuhschachtelgroßen Autotelefone oder das absurde Piff-Paff mancher Actionszenen. Viel wichtiger aber: Magnums selbstironische Off-Kommentare ("Ich weiß genau, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht, aber . . ."), die Running Gags, die Spannung der Fälle, der spektakuläre Schauwert der Drehorte - das ist heute immer noch gut. Magnum ist auf natürliche Art sympathisch, nicht so wie seine großen Konkurrenten in den Achtzigerjahren: nicht so glitschig wie Rettungsschwimmer Hasselhoff, nicht so großkotzig wie Popper-Polizist Don Johnson in "Miami Vice". Wie schön, dass Randy Spangler diese sentimentale Vorstellung nicht kaputt macht. Er kennt nicht nur Magnum, sondern auch dessen Darsteller Tom Selleck. Und er sagt: "Tom hat ein Herz aus Gold."

Randy Spanglers Aufgabe war es, die Drehorte ausfindig zu machen. Für den King Kamehameha Club zum Beispiel. Es ist tatsächlich ein Club, heißt aber in Wirklichkeit Elks Lodge 616. Was die Mitglieder machen, weiß nicht einmal Spangler, "irgendwas Patriotisches, Wohltätiges", vermutet er. Auf dem Parkplatz vor dem Club ist ein Stellplatz reserviert für den "Hirsch des Jahres". Daneben hat Spangler seinen fabrikneuen, weißen Jeep abgestellt. Auf den Türen des Wagens prangt das Palmen-Logo einer "Pupukea Ananas-Plantage". Darunter steht: "Nur zum offiziellen Gebrauch." Spangler erklärt: "Das ist einer meiner Tricks. Der Jeep sieht nach Behörde aus. So lässt man mich überall durch."

Außer für Magnum hat er Locations für zig andere Fernsehserien und Filme organisiert, unter anderem "Hawaii Five-0", "Lost", "Die Tribute von Panem", "Godzilla", "Fluch der Karibik", "Jurassic Park" und "Jurassic World". Auf Hawaiis Hauptinsel Oahu kennt er jeden Palmwedel. Hier ist er aufgewachsen. Sein Vater war bei der Army und hatte nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Wahl, sich entweder in Deutschland oder in Hawaii stationieren zu lassen. "Tja", sagt Randy Spangler lachend, "ich nehme an, er hat sich für den richtigen Ort entschieden." Nach der Pensionierung vermietete sein Vater Ferienapartments. In den Sechzigerjahren kamen Fernsehleute, die Schauplätze für die Krimireihe "Hawaii Five-0" suchten. Die Spanglers waren im Geschäft, Randy blieb es bis heute, 50 Jahre lang.

Er steuert seinen Jeep die Kalakaua Avenue hinunter, die Einkaufsstraße Honolulus. Links und rechts Hotels, teure Boutiquen, Krimskramsläden, die Statue des Surfgottes Duke Kahanamoku, Surfer mit ihrem Brett unterm Arm. "Wenn Tom hier mit dem Ferrari aufkreuzte, blieben alle stehen und machten Fotos", sagt Spangler. Vor dem holzvertäfelten Eingang des Hyatt-Hotels hält er an. "Hier schauten Tausende zu, wie er vorfuhr. Der Regisseur rief ,Cut!', und in dem Moment rannten alle auf Tom zu und drückten ihn gegen die Wand. Polizisten mussten ihn schützen. Verrückt!"

Von diesem Magnum-Wahnsinn ist heute nichts mehr zu sehen. Hier und da hängt vielleicht noch ein ironisch gemeintes Poster von Tom Selleck mit Dackelblick in einer Hipster-Bar. Es gibt auch eine Firma in Honolulu, die Inselrundflüge in einem schwarz-gelb-rot gestreifen T.C.-Hubschrauber anbietet. Der hat mit dem originalen, später abgestürzten Modell Hughes 500 aber nichts zu tun. Es gibt keine offiziellen "Magnum"-Touren, dafür welche zu den Sets von "Lost", "Godzilla" oder "Jurassic Park" in der archaischen Berglandschaft der Kualoa Ranch im Osten Oahus. Andererseits muss man nicht lange nach "Magnum"-Locations suchen. Spangler und sein Team haben die Insel zehn Jahre lang abgegrast. Es gibt kaum einen Winkel Oahus, der nicht als Drehort diente.

Spangler kurvt die Monsarrat Avenue zum Vulkankegel Diamond Head hoch. Rechts geht es zum Besucherzentrum, links liegt das Hawaii Film Studio - nicht viel mehr als eine Handvoll roter Holzbaracken und Wellblechhallen, in denen "Magnum" produziert wurde und heute das Remake von "Hawaii Five-0" entsteht. Ein paar Hundert Meter weiter zweigt die Kahala Avenue ab, in der sich parallel zum Pazifik eine Villa an die andere reiht. Es sind flache Holzgebäude mit Pools auf weitläufigen Strandgrundstücken, von schlanken Königspalmen flankiert. An vielen Zäunen hängen Zu-verkaufen-Schilder, sandige Brachen tun sich auf. Hier tobten sich chinesische und japanische Spekulanten aus, bis die Immobilienblase platzte.

In der Seitenstraße Black Point Road wohnte Tom Selleck während der Dreharbeiten. Ein Tor versperrt die Zufahrt zu den Häusern - inmitten des exklusiven Viertels ist dies eine besonders luxuriöse Exklave. Dabei soll Tom Selleck immer nahbar und freundlich gewesen sein. "Tom hat nicht gespielt", sagt Spangler, "als Magnum war er einfach er selbst." Jedem seiner Co-Stars habe er einen Porsche geschenkt, jeden Freitag habe er eine Party für alle geschmissen. Auch sonst fand Spangler den Job grandios: "Neun Monate im Jahr arbeiten, dann drei Monate frei zum Surfen - was willst du mehr?"

Am Ende der Kahala Avenue liegt der Waialae Beach Park, einer der typischen öffentlichen Strandzugänge. Eine Wiese, ein Klohäuschen, überdachte Picknick-Bänke. Schaut man das Ufer entlang, sieht es wild aus - die Villen sind hinter den Palmen verborgen. Viele Szenen wurden hier gedreht. Auch als Terrasse des King Kamehameha Clubs hielten die Picknick-Bänke schon her. "Wir haben einfach das Klohäuschen verdeckt und weiße Tücher über die Tische gelegt", sagt Spangler. Die "Magnum"-Produzenten sparten, wo es nur ging. Die meisten Aufnahmen entstanden in einem Radius von wenigen Kilometern um das Filmstudio herum. Auch Robin's Nest, das Anwesen von Robin Masters, ist nicht weit entfernt.

Der Helikopter-Landeplatz ist ein Sperrmüll-Lager, Magnums Wohnung heruntergekommen

Der Weg dorthin gleicht einer Kamerafahrt durch den "Magnum"-Vorspann: auf dem kurvigen Kalanianaole Highway die Südküste entlang, links der Coco-Vulkankrater, rechts die lavaschwarze Steilküste, an deren Felsen der Pazifik detoniert - davor raste der Ferrari zum Auftakt einer jeden Episode. Für einen Adrenalinkick reicht es in dieser wilden Umgebung selbst in Spanglers Jeep. Er aber sagt nur: "Hier wurde auch ,Fluch der Karibik' gedreht."

Kaum sind wir um den östlichen Inselzipfel herumgefahren, kommt die Makai-Pier in Sicht, T. C.s Helikopter-Basis, die an eine Holzscheune auf dem Wasser erinnert und in Realität eine Meeresforschungseinrichtung ist. Angler sitzen in der prallen Sonne, Spangler ignoriert das Zufahrt-verboten-Schild. Keiner sagt etwas zu dem Mann mit dem offiziell wirkenden Logo am Wagen. Der Landeplatz für T. C.s Chopper ist heute ein Sperrmülllager der Wissenschaftler - und wirkt viel kleiner als damals im Fernsehen.

Keine zwei Meilen auf dem Highway weiter bremst Spangler plötzlich abrupt und hält auf dem Seitenstreifen: Robin's Nest, so unauffällig, dass selbst Spangler fast vorbeigefahren wäre. Eine von Pflanzen überwucherte Mauer aus Lavagestein schirmt die Blicke ab, das schmiedeeiserne Tor ist verschlossen. Hinein kommen wir nicht. Das Grundstück ist in Privatbesitz. Als "Magnum" gedreht wurde, gehörte es einer reichen Erbin. Anfang 2015 ging es für 8,7 Millionen Dollar an einen mit US-Präsident Barack Obama befreundeten Unternehmer. Die amerikanischen Medien rätselten, ob Obama selbst hinter dem Kauf steckte. Er stammt aus Hawaii und verbringt Weihnachten in Kailua, 20 Autominuten vom Anwesen entfernt. Und warum hat Spangler Magnum hier wohnen lassen? "Weil es die Vorgabe des Drehbuchs war: ein altes Anwesen im spanischen Kolonialstil zwischen dem Meer und den Bergen. So etwas gibt es nur einmal auf Oahu."

Das Meer bietet dann doch noch einen Zugang. Alle Ufer Hawaiis dürfen von jedermann betreten werden - auch die Seeseite des Anwesens ist öffentlich. Bis zu den Knien im badewannenwarmen Wasser, waten wir mitten hinein in eine Kindheitserinnerung: das aus Lavasteinen geformte Becken, das dem Anwesen seinen echten Namen gab - Pahonu. Darin wurden vor Hunderten Jahren Meeresschildkröten zum Verzehr für die Häuptlinge gehalten. Am Horizont steht Rabbit Island, die kleine Insel, die in jeder "Magnum"-Folge zu sehen ist. Und hinter einem Zaun steht das Bootshaus, in dem Magnum wohnte. Es wirkt heruntergekommen, die weiße Fassade feucht und schimmlig, die glaslosen Fenster mit Hasendraht vernagelt. Ergreifend, wenn man sich klarmacht, wie oft man als kleiner Junge schon hier war.

Schweigend waten wir zurück zum Parkplatz am Waimanalo Beach Park. Hier beginnt der längste Strand Oahus, fünf Kilometer Sand, flankiert von mächtigen Ironwood-Bäumen. An diesem Nachmittag sind nur ein paar einheimische Familien da. Ein Junge, der aussieht wie 13, passt auf, dass seine kleine Schwester beim Buddeln nicht auf Quallen tritt. "Hey, weißt du, dass hier Magnum gewohnt hat?", fragt Randy Spangler den Jungen. "Wer?", fragt der zurück, "ich mag Rick Grimes."

"Wen?", frage ich mich. Und so muss es wahrscheinlich sein. Jede Kindheit hat ihre eigenen Helden.

Informationen

Anreise: Tägliche Flüge mit Korean Air ab Frankfurt nach Honolulu und zurück ab 1365 Euro, Zwischenstopp in Seoul/Incheon mit der Option, an kostenlosen Sightseeing-Touren in der Stadt teilzunehmen, Übernachtungs-Arrangements, www.koreanair.com.

Unterkunft: Im historischen Hotel The Royal Hawaiian direkt am Waikiki Beach wurden innen wie außen viele "Magnum"-Szenen gedreht, DZ ab ca. 300 Euro, www.royal-hawaiian.com.

Weitere Auskünfte: Hawaii Tourism Europe, c/o Aviareps Tourism GmbH in München, www.gohawaii.com; private, sehr kenntnisreiche Fanseite zu Magnum: magnum-mania.com; Kualoa Ranch, auf der unter anderem "Godzilla", "Jurassic Park" und "Lost" gedreht wurden: www.kualoa.com.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2015/ihe
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