Spielehotel:Die Siedler von Nikolsdorf

In Osttirol gibt es ein Hotel, wo Erwachsene sich erholen können, indem sie einfach nur spielen und lesen. Das geschieht hier ganz analog.

Von Jacqueline Lang

Der große, orangefarbene Schaumstoffwürfel fliegt durch die Luft. Hoffentlich klappt es dieses Mal mit der Sechs. Erst wenn die gewürfelt worden ist, darf die Figur auf das Startfeld des Spielfelds gestellt werden. Sie hochzuheben, kommt einem kleinen Kraftakt gleich, denn die Spielfigur ist nicht wie üblich fingerkuppengroß und aus Plastik. Sie ist aus Holz und gut 50 Zentimeter hoch.

Was man sieht, ist nicht etwa eine optische Täuschung, und es wurde auch niemand geschrumpft: Im Spiele- und Buchhotel Tschitscher steht tatsächlich ein riesiges Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel im Garten. Natürlich sind die bunten Figuren vor allem ein Hingucker, aber die Hotelgäste, dürfen, ja sollen sogar damit spielen.

Das Hotel führt Dieter Mayr-Hassler, 50, gemeinsam mit seiner Frau Heidi, 47, in seiner jetzigen Form seit gut sieben Jahren. Die beiden setzen damit eine lange Familientradition fort. Bereits seit 1672 steht das Haus in Nikolsdorf in Osttirol und seitdem ist es ein Ort des geselligen Beisammenseins. Was anfänglich ein Branntweinausschank war, wurde später ein Gasthof und noch ein paar Hundert Jahre später ist es nun ein Spiele- und Buchhotel - und stemmt sich damit gegen einen Trend in der Hotellerie, bei dem das Wlan bis ins Schlafzimmer reicht und jeder Lichtschalter vom Tablet aus bedient wird.

Spiele- und Buchhotel Tschitscher

Das Spielehotel richtet sich vor allem an Erwachsene, aber natürlich gibt es auch Spiele für Kinder.

(Foto: Spielehotel Tschitscher)

Besitzer Mayr-Hassler legt Wert darauf, dass sein Hotel nicht nur etwas für Familien mit kleinen Kindern ist, sondern eben auch für Erwachsene. Natürlich vor allem für solche, die gerne spielen. "Die meisten meiner Gäste sind zwischen 30 und 40 Jahre alt", sagt der zuvorkommende Österreicher. Er findet es aber auch nicht schlimm, wenn die Menschen, die in einem der insgesamt sieben Zimmer übernachten (die Namen tragen wie "Würfel", "Backgammon" oder "Domino"), keine Lust haben, ein Spiel zu spielen oder ein Buch zu lesen. Auch wer lieber in den umliegenden Bergen wandern, Kajak oder Rad fahren oder einfach nur in der Sonne liegen wolle, sei willkommen. Die meisten von ihnen - das hat Mayr-Hassler über die Jahre beobachtet - würden früher oder später allerdings sowieso von ganz alleine ein Spiel aus dem Regal ziehen. So wie Rainer Wolf. Der 72-Jährige ist seit 48 Jahren Stammgast. Für ihn war das Hotel schon immer ein "Ort der Ruhe", ein Ort, an dem er "Kraft tanken" kann. Er kommt nach wie vor mindestens einmal im Jahr zur eigenen Entspannung, manchmal bringt der Coach aus Mitterfels bei Straubing sogar seine Kunden mit hierher.

Die meisten Spiele stehen nicht draußen, sondern im "G'wölb", so nennt sich das Spielzimmer im Erdgeschoss. Oder im Keller. Die Sammlung ist mittlerweile beachtlich: 450 Brett- und Kartenspiele stehen zur Auswahl, immer wieder kommen neue dazu. Spiele, die keiner spielt, werden ausgetauscht. Es gibt Klassiker wie Monopoly, Risiko und Scrabble ebenso wie Activity, Wizard, Phase 10, das Verrückte Labyrinth, aber auch Spiele, die weniger bekannt sind, darunter viele aus Österreich. Obwohl Mayr-Hassler und seine Frau den Betrieb alleine führen, nimmt er sich Zeit, seinen Gästen das ein oder andere Spiel zu erklären.

Spiele- und Buchhotel Tschitscher

Im Garten des Hotels steht ein großes Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel aus Holz.

(Foto: Jacqueline Lang)

Im Tschitscher gibt es bewusst keine Fernseher auf den Zimmern, lediglich CD-Spieler. Und bequeme Sessel im Aufenthaltsraum. Im ersten Stock stehen Regale mit Romanen und Hörbüchern. In den Sommermonaten kann man es sich im Garten auch in einer der beiden Hängematten gemütlich machen - und wer wirklich mal das Bedürfnis nach radikaler Ruhe hat, der kann sein Handy in den eigens dafür vorgesehenen Handytresor schließen.

Als Mayr-Hassler den Betrieb 1999 von seinen Eltern übernahm, blieb zunächst alles beim Alten. Nach seiner Heirat 2002 änderte sich das. "Zu Beginn hatten wir nur ein paar Brettspiele", sagt der Hotelier. Die seien von den Gästen aber so oft gespielt worden, dass daraus die Idee entstand, das Spielen zum Konzept zu erklären. Später kamen die Bücher hinzu. "Nur Spiele, das war uns zu wenig", sagt Mayr-Hassler. Zwar gibt es mittlerweile einige Bücherhotels, und auch Kinderhotels mit großem Spielangebot findet man immer häufiger. Das Besondere am Tschitscher aber ist, dass sich das Angebot nicht in erster Linie an Kinder, sondern eben an Erwachsene richtet. Wobei es natürlich auch zahlreiche Spiele gebe, "die für Kinder geeignet sind", sagt der Wirt.

Im 7500 Quadratmeter großen Garten stehen eine Tischtennisplatte, zwei Schaukeln, eine Rutsche und eine Springwasserdusche. Außerdem kann man abends an einer Feuerstelle Stockbrot am Lagerfeuer machen. Speziell für Familien mit Kindern bietet der Hotelier auch die Kombination aus Zelt und Zimmer an: Die Kinder schlafen im Garten im hoteleigenen Wurfzelt, die Eltern in einem der Hotelzimmer. Frühstücken können dann morgens alle gemeinsam. Das Motto des Hotels "Abschalten und entspannen" soll für alle gleichermaßen gelten. Und tatsächlich sitzen die Erwachsenen am Abend mit einem Glas Weißwein auf der Terrasse, die Sonne steht schon tief zwischen den umliegenden Bergen. Es wird gespielt.

Spiele- und Buchhotel Tschitscher

Auch im Keller stapelt sich das Unterhaltungsangebot.

(Foto: Spielehotel Tschitscher)

Spiele- und Buchhotel Tschitscher: In der Hauptsaison von Juli bis Anfang September gibt es ein Zimmer pro Person ab 51 Euro inkl. F., Kinder bis zwölf Jahre zahlen 21 Euro, spielehotel.at

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