La Rueda in Spanien:Die Kühle aus Kastilien

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Der Stolz der Gegend: Der Vino Dorado wird nach altem Verfahren gekeltert. Der Weißwein oxidiert mehrere Wochen lang an der frischen Luft in großen Ballonflaschen aus Glas. (Foto: Julia Weigl)

Von wegen nur Rioja: In Spaniens Weinregion La Rueda gibt es ideale Bedingungen für Weißwein. Der Verdejo ist der Stolz der Gegend.

Von Julia Weigl

Oberflächlich betrachtet, sieht diese Landschaft trist aus. Links und rechts lehmfarbene Hügelgebilde, weiß glitzernde Gipfel in der Sonne, felsiges Brachland. Nur selten taucht ein altes, oft verlassenes Dorf am Rande der Autobahn auf, hier, zwei Fahrstunden nördlich von Madrid. Dann sind plötzlich die ersten Weinfelder zu sehen. Zunächst wirken sie wie kleine Inseln im Steinmeer. Doch aus den Inseln wird bald Festland: wohin man schaut, nur noch Rebstöcke, kilometerlange Linien, die zu Quadern werden, wie ein Netz, das über die Landschaft geworfen wurde.

Die Weinregion La Rueda, gelegen zwischen Spaniens Hauptstadt Madrid und der Tapas-Hauptstadt Valladolid, ist seit einigen Jahren ein aufstrebendes Weißweinanbaugebiet. Untypisch für Spanien, mag man da vielleicht sagen.

Denkt man doch eher an die Rotweine Rioja und Tempranillo, vielleicht noch an den katalanischen Schampus Cava. Der Grund für den Weißweinanbau ist zunächst simpel: das Wetter. In La Rueda ist es kalt im Winter, heiß und trocken im Sommer. Das sind schon einmal gute Voraussetzungen. Außerdem profitiert die Region Rueda vom Klimawandel. In den Küstengegenden Spaniens wird es zunehmend schwieriger, Wein, vor allem Weißwein, anzubauen. Dort ist es schlichtweg zu heiß, während das Klima im Landesinneren ideal ist.

Schon im Mittelalter wurden hier Reben angebaut - heute ist der Wein enorm gefragt

Das haben in den vergangenen Jahren auch die großen Weingüter bemerkt. Sie überfallen die Rueda geradezu: sichern sich die besten Weinberge und Vertriebsorte, kaufen den kleinen Weinbauern das ertragreichste Land ab, bauen eindrucksvolle Architekturgebilde auf die umliegenden Hügel, um sich perfekt in Szene zu setzen. Genau da kommt die D. O. Rueda ins Spiel, die sogenannte Denominación de Origen, der Kontrollrat, der bestimmt, wer in der Gegend Wein anbauen und abfüllen und wie er diesen Wein nennen darf. Und da ist man hier sehr strikt.

Santiago Mora Poveda, 45, ist in Salamanca geboren. Ein smarter, sympathischer Typ, der sich viel vorgenommen hat. Seit zwei Jahren ist er der Direktor des Kontrollrates von Rueda. Und er hat bereits einiges bewirkt. "Vor zehn Jahren gab es keinen Weißwein in Spanien", sagt Mora. "Wir haben ein Produkt und einen Markt dazu geschaffen. Jetzt geht es darum, diesen Markt weiterzuentwickeln." Dazu muss aus seiner Sicht das Anbaugebiet begrenzt werden, nur so könne man die Qualität wahren. Und sicherstellen, dass der Wein auch Abnehmer findet. Die D. O. Rueda hat deshalb verfügt, dass momentan die Anbauflächen nicht erweitert werden.

SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

Rund 70 Weingüter, auf Spanisch Bodegas, haben momentan in der Region Rueda das Recht, Wein abzufüllen. Auf der anderen Seite gibt es an die 1000 Weinbauern, die Wein zwar produzieren, aber nicht abfüllen dürfen. Das klingt ein wenig absurd. Aber so funktioniert der Weinanbau in Spanien. Nur so können die Rebsorten, die Namen und Marken gesichert - und letztlich international vermarktet werden.

Das probiert die Region Rueda gerade mit ihrem Weißwein Verdejo, dem Stolz der Gegend. Der Legende nach soll diese Rebe einst von den Mozarabern nach Rueda gebracht worden sein. Diese Christen, die im Mittelalter nach außen hin angepasst an die herrschende arabische Gesellschaft lebten, siedelten sich im elften Jahrhundert unter der Regentschaft von Alfons VI. in der Senke des Douro-Flusses an. Eine lange Tradition also, die in den 1970er-Jahren von dem bekannten spanischen Weinerzeuger Marqués de Riscal wiederbelebt wurde.

Heute sind Anbau und Herstellung von Verdejo extrem vielfältig. Es gibt die Traditionsbetriebe, die jahrhundertealte Rebstöcke besitzen und den Wein in alten Eichenfässern lagern. Und es gibt experimentierfreudige Weingüter, die sich sogar an den Vino Dorado wagen: Bei diesem alten Verfahren oxidiert der Weißwein über mehrere Wochen an der frischen Luft in großen grünen Glasballonflaschen. Ein langwieriger Prozess, der kompliziert und teuer ist und einen bitter schmeckenden Wein hervorbringt, den man entweder hasst oder liebt.

Das Weingut Hijos de Alberto Gutiérrez produziert pro Jahr rund 6000 Flaschen Verdejo Dorado. "Wir glauben an diesen Wein. Er ist unsere Geschichte", sagt Vanesa García López, die junge Exportleiterin des Weinguts. Aber: "Es ist ein Produkt, das man den Kunden erklären muss. Das verkauft sich nicht von selbst." Es ist ein Wein mit Geschichte - so wie das Weingut selbst. Unter den jahrhundertealten Gemäuern liegt ein Labyrinth aus Gängen, in denen auch heute noch Wein lagert. Natürlich stellt Hijos de Alberto Gutiérrez auch kommerziellen Wein her, sonst würde sich das alles nicht rechnen. Der Verdejo Dorado ist eben ein Alleinstellungsmerkmal.

Flaschen vom Fließband, ein Winzer im Kittel - romantisch ist das nicht

So viel Tradition findet man in den neuen Weingütern der Weinmogule selten. Sie sind gigantische Hochleistungsfabriken. So beispielsweise Pagos del Rey, das zu Félix Solís Avantis gehört, einem der wichtigsten Weinkonzerne, und heute das drittgrößte Weingut in der Rueda ist. Von außen betrachtet passt die riesige Halle recht gut ins Landschaftsbild.

Ein überschaubarer Olivenhain, eine Ziegelsteinfassade, zwei filigrane Steinfiguren - ein Leier spielender Musiker und seine Muse - umrahmen das Eingangstor. Innen aber verschwindet jede romantische Vorstellung vom modrigen Weinkeller: In der Halle stehen unzählige silberfarbene Metalltanks nebeneinander. Und der Winzer sieht hier aus wie ein Wissenschaftler: Im weißen Kittel steht Gérman Nieto Tejo da und schwärmt von den technischen Möglichkeiten, die das Weingut biete.

Alles hier sei programmierbar, nichts werde dem Zufall überlassen. Im Hof hinter der Halle stehen 18 Tanks, die jeweils zwei Millionen Liter Wein fassen. Abgefüllt wird der Wein natürlich auch am Fließband, etwa 6000 Flaschen werden pro Stunde befüllt. Gerade mal 15 Mitarbeiter arbeiten auf dem Weingut. "Eigentlich könnten wir noch viel mehr produzieren, aber wir haben nicht genug Trauben", sagt Nieto. "Die Nachfrage ist so groß, dass wir im Sommer bereits ausverkauft sind."

Die Weißweinserie, die Pagos del Rey exportiert, trägt den knuffigen Namen Blume. Zwanzig Prozent der Rueda-Weine, die insgesamt verkauft werden, gehören zur Blumen-Serie. Das Kuriose dabei: Der Wein schmeckt.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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