Souvenirs, Souvenirs:Und sie bürstet doch

In Addis Abeba findet unsere Autorin ein Souvenir ohne den üblichen Afrika-Kitsch: eine selbst zu zerkauende Bürste vom Zahnbürstenbaum. Zur Freude des jungen Anbieters verkauft sie seine Wunderstäbchen gleich an das spendierfreudige Touristen-Volk.

Christine Dohler

Eine Straße in Addis Abeba. Ich jage in den Souvenirläden nach Schals, Armreifen und geschnitzten Elefanten, dem üblichen Afrika-Kitsch für die Lieben daheim. Gleichzeitig werde ich gejagt: Männer mit gefälschten Designersonnenbrillen und Gürteln behängt, Frauen mit Babys im Arm und kleine Jungen im Schulalter, die Kaugummis verkaufen.

"Miss, Miss!", rufen sie. Ich ignoriere sie. Wenn man einem etwas abkauft, wird man die anderen nicht mehr los. Ein Junge mit heller, aber lauter Stimme wartet geduldig, bis ich aus dem letzten Laden komme: "Miss, toothbrush, toothbrush!"

Sein Bauchladen quillt über vor kleiner, in Folie eingepackter Hölzchen. Zahnbürsten? Na, da haben sie dem Kleinen das falsche englische Wort beigebracht für Holzstäbchen! Oder stimmt etwas mit meinen Zähnen nicht?

Da nimmt der Junge, barfuß mit verstaubter Jeans und T-Shirt, eines der Hölzchen in den Mund, kaut darauf herum, bis es zerfasert und wie eine kleine Bürste aussieht, und schrubbt sich die erstaunlich weißen, kerzengeraden Zähne. Da kann man natürlich nicht mehr wegschauen, er nutzt den Moment und reicht mir prompt eines der Stäbchen. Langsam dämmert's: Das ist eine äthiopische Zahnbürste!

Den oberen Teil des Hölzchens hat er von der Rinde befreit, den unteren kunstvoll eingeschnitzt. Das Holz ist härter als gedacht, es schmeckt bitter. Wie ein Biber nage ich darauf herum, es entsteht einfach keine Bürste. Der Junge lacht.

Das angelutschte Hölzchen muss ich ihm jetzt wohl abkaufen, doch ich habe nicht mehr genug Kleingeld übrig. So versuche ich, andere Touristen anzulocken. Ich rufe Ihnen zu, sie sollen sich mal die weißen Zähne des kleinen Jungen anschauen. Er versteht jetzt, grinst wie in der Werbung und hält dabei seine Stäbchen in die Höhe.

Bald sind alle bei uns: viele interessierte Kunden. Nur 10 Birr, 50 Cent, kostet eine Zahnbürste. Der Kleine kommt kaum noch hinterher mit dem Verkauf. Am Ende drückt er mir als Provision fünf Zahnbürsten in die Hand - genug, um meine Freunde damit einzudecken. Er zeigt mir noch mal seine schönen Zähne, ruft laut: "Thank you, Miss!"; er hat gut verdient heute.

Ich habe zu danken, schließlich habe ich ja von unserem kleinen Geschäft ebenso profitiert: ohne lange Suche fünf originelle Mitbringsel erstanden. Die noch dazu nützlich sind. Und die, unglaublich, aber wahr: vom Zahnbürstenbaum (Salvadora persica) stammen, so nennen ihn jedenfalls die Äthiopier. Sein Holz soll besonders viel Fluorid enthalten.

Da Plastikzahnbürsten in Äthiopien verhältnismäßig teuer sind, benutzen viele Einheimische diese Zahnbürste. Denn bei der ist die Zahnpasta schon inklusive.

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