Souvenirs, Souvenirs:Eine Tasche fürs Leben

In einer Kleinstadt nordwestlich von Bangkok lernen Grundschüler, wie man aus alten Telefonkarten neue Taschen macht - im Recycling-Unterricht. Obst schnitzen sie dann in der nächsten Stunde.

Monika Maier-Albang

Kurz schießt es einem durch den Kopf: Das ist ja Kinderarbeit! Darf man die Tasche überhaupt mitnehmen? Sie ist ja so stylish. Diese glupschäugigen asiatischen Tierkreationen, der heimwerkende Schimpanse, ein Junge und ein Mädchen händchenhaltend. Geniale Mischung. Wie die Kinder das hingekriegt haben?

Souvenirs, Souvenirs: Die Recycling-Handtasche aus Thailand.

Die Recycling-Handtasche aus Thailand.

(Foto: Catherina Hess)

Nun ja, antwortet Wichitra Pongsai, die Lehrerin. Die Telefonkarten hatten sie halt noch übrig an der Schule. Aber wenn die Kinder heute Einkaufstaschen, Abfallkörbe oder Hängematten flechten, die sie später auf dem Markt verkaufen, verwenden sie Milchtüten. Das Material ist reißfest, schmutz- und wasserabweisend. Und noch einen Vorteil haben die Tetrapacks: Sie kommen täglich an die Schule.

Die Grundschüler trinken ihre Milch, waschen die Tüten, trocknen sie auf der kniehohen Hecke vor dem Schulgebäude, schneiden die Tüten dann in schmale Streifen und weben diese geschickt ineinander. Wie man das macht, bringt Wichitra Pongsai, die Handarbeitslehrerin, ihren 278 Schülern bei. Im Recycling-Unterricht.

Frau Pongsai lehrt in Sai Yok, einer Kleinstadt 150 Kilometer nordwestlich von Bangkok. Vor dem Tor der Banwongsing-Schule grüßt das thailändische Königspaar, überlebensgroß und jugendlich noch. Obwohl König Bhumibol, der dienstälteste Regent der Welt, mittlerweile 83 Jahre alt und schwer krank ist. Kein öffentliches Gebäude ist ohne Bildnisse vom König und Königin Sirikit.

Zu den Bildern gehören Fahnen in gelb und blau. Gelb ist die Farbe des Königs. Blau die der Königin. In Thailand korrespondiert jeder Wochentag mit einer Farbe; weil Bhumibol an einem Montag geboren wurde, die Königin an einem Freitag, sind gelb und blau die Farben der Krone. "Wir lieben unser Königspaar", sagt der Reiseleiter, der sich als Herr Müller vorstellt, um es den Touristen leichter zu machen. Dass man gut daran tut, den König zu lieben, sagt er nicht.

Fruchtschnitzen im Unterricht

Bei Kritik droht Gefängnis. Die Regierung, so Herr Müller, tue viel Gutes für das Volk. Demnächst sollen alle Schulen iPads aus China bekommen.

Die Kinder aus Sai Yok dürften es dennoch nicht leicht haben. Die Jungen werden später aufs Feld gehen und Zuckerrohr ernten. Die Mädchen werden aufs Feld gehen und einkaufen und kochen und waschen und die Eltern und Schwiegereltern versorgen.

Sie werden auf eine Waschmaschine sparen und sich vielleicht ihren Mann teilen müssen, wenn der sich eine Nebenfrau nimmt, eine "Mia Noi", die "kleine Frau". Aber sie werden als gute Ehefrau gelten, wenn sie haushalten; Recycling ist da von Nutzen.

"Die Kinder lieben das Basteln viel mehr als Mathe oder Englisch", sagt Frau Pongsai, die auch Englisch unterrichtet, die man aber selbst nur mit Mühe versteht. Über ein "hello, what's your name?" kommen nur wenige Kinder hinaus. Dafür sind sie Meister darin, Melonen und Papayas zu Blüten zu formen.

Zum dritten Mal hat die Banwongsing-Schule gerade den regionalen Fruchtschnitz-Wettbewerb gewonnen. In den Hotels werden Obstkünstler immer gesucht. Man lernt hier eben fürs Leben.

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