Southwest Airlines:"Rollin, du bist verrückt! Let's do it!"

Seit 30 Jahren unfallfrei und mit einem schlichten, aber genialen Konzept: Die ungewöhnliche Airline aus Texas ist Vorbild aller Billigflieger weltweit

ANDREAS SPAETH

Das vergangene Jahr war eines der schlimmsten der Geschichte für die amerikanischen Fluggesellschaften - mehr als neun Milliarden Dollar Gesamtverlust verzeichneten die elf großen US-Airlines in 2004. Profitabel waren gerade mal drei von ihnen, allesamt Billigflieger. Spitzenreiter des vergangenen Jahres wie so oft zuvor: Southwest Airlines aus Texas, die Mutter aller Billigflieger, mit einem Profit von 313 Millionen Dollar.

Southwest Airlines: Vorbild aller Billigflieger: Southwest Airline aus Texas

Vorbild aller Billigflieger: Southwest Airline aus Texas

(Foto: Foto: DPA)

Seit 1973 hat die vielleicht ungewöhnlichste Airline der Welt in jedem Jahr Gewinn eingeflogen - kein Krieg, kein Terroranschlag konnte daran etwas ändern. Nach Passagierzahlen liegt sie in Amerika mit gut 65 Millionen Fluggästen im Jahr an sechster Stelle, weltweit auf Rang zehn direkt hinter der Lufthansa. Dies erreicht sie ausschließlich mit billigen Linienflügen im Inland und einem schlichten und genialen Konzept: Fliegen muss einfach sein, billig und dabei noch Spaß machen.

Die Geschichte von Southwest beginnt 1966 in San Antonio, Texas. Anwalt Herb Kelleher hat seinem Klienten Rollin King gerade geholfen, dessen unprofitable Mini-Fluggesellschaft zu schließen. Jetzt hat King eine neue Unternehmensidee: die Gründung einer Airline für ganz Texas. Rollin King nimmt eine Cocktail-Serviette und zeichnet ein Dreieck darauf, schreibt "Dallas", "Houston" und "San Antonio" in die Ecken. Mit diesem Streckennetz, erklärt King dem Anwalt, würde die Gesellschaft nicht unter die damals bestehende staatliche Regulierung fallen, und Texas biete mit seiner boomenden Wirtschaft ein großes Potential. Kelleher schließt kurz die Augen, dann ruft er: "Rollin, du bist verrückt! Let's do it!". Die Geburtsstunde von Southwest Airlines hatte geschlagen.

Die Tarife waren einfach strukturiert und sehr niedrig

Doch bis die Neugründung nach heftigen Rechtsstreitigkeiten gegen Behörden und Mitbewerber tatsächlich in die Luft gehen konnte, sollten noch mehr als drei Jahre vergehen. Am 18. Juni 1971 war es dann soweit: Mit drei Boeing 737-200, deren Finanzierung zu 90 Prozent die Flugzeugbauer in Seattle übernahmen, ging der Newcomer an den Start. "Wir mussten uns ins Gespräch bringen, denn wir hatten nicht genügend Geld für Werbung", erinnert sich Herb Kelleher. "Wir mussten anders sein als die anderen, Southwest Airlines wollte von Anfang an als spaßige, absolut unglaubliche Firma bekannt werden." Man schaltete zunächst eine ungewöhnliche Stellenanzeige, um Flugbegleiterinnen zu finden: Ein Brief an die Schauspielerin Raquel Welch, dem erklärten Idealbild der Southwest-Stewardess. 1200 Frauen aus ganz Amerika schickten ihre Bewerbungen, um eine der 40 Stellen zu ergattern. Die, die es geschafft hatten, wurden in heutzutage politisch höchst unkorrekte Uniformen gesteckt: Ultrakurze Hot Pants in Leuchtorange, dazu kniehohe Go-Go-Schnürstiefel und breite, figurbetonende Gürtel. Hauptzielgruppe der jungen Gesellschaft waren nämlich männliche Geschäftsreisende.

Schon zu Beginn flog Southwest Airlines nach zwei für ihren späteren Erfolg wichtigen Grundprinzipien: Die Tarife waren einfach strukturiert und sehr niedrig: Tagsüber kostete ein Oneway-Flug anfangs 20, später 26 Dollar, abends und nachts verlangte man auf den rund einstündigen Flügen innerhalb des texanischen Städtedreiecks zehn, später 13 Dollar. Außerdem erzielte Southwest immer schon Rekorde, wenn es um die Kürze ihrer Bodenzeiten ging: 1972 genehmigte sich die Gesellschaft gerade mal zehn Minuten, um ein Flugzeug "umzudrehen", heute liegen die Texaner mit 20 Minuten immer noch um mehr als die Hälfte unter dem branchenüblichen.

Nach Anfangsverlusten schrieb Southwest Airlines bereits in ihrem zweiten Betriebsjahr 1973 schwarze Zahlen, mit nur drei Flugzeugen wurden damals mehr als eine halbe Million Passagiere befördert. Heute ist aus der Nischengesellschaft in Texas eine der erfolgreichsten Airlines der USA geworden, deren Rezept Nachahmer in aller Welt zu kopieren versuchen. Grundsatz dabei ist eine einheitliche Flugzeugflotte - Southwest ist mit mehr als 400 Flugzeugen der größte Boeing-737-Betreiber weltweit. Dabei fliegen die Texaner nur zu 59 Flughäfen in 27 Bundesstaaten, während etwa American Airlines mehr als 200 Inlandsziele bedient. Southwest befördert gerade sieben Prozent des gesamten Fluggastaufkommens in den USA, doch auf allen Strecken geht sie massiv in den Markt: "Wir starten zu einem neuen Ziel mit einem Minimum von zwölf Flügen pro Tag in der Erwartung, das Angebot innerhalb von ein paar Jahren auf 20 Flüge zu steigern", sagt Peter McGlade, Flugplan- Manager bei Southwest.

„Rollin, du bist verrückt! Let’s do it!“

Einer der Spitzenreiter ist die Strecke Los Angeles-Oakland in Kalifornien mit 27 Flügen je Richtung am Tag. Solche dichten Flugpläne sind nur mit kürzesten Bodenzeiten möglich, vor allem aber nur auf Flughäfen, die nicht überlastet sind. Mit Ausnahme von Los Angeles und San Francisco bedient Southwest daher meist Sekundärflughäfen oder alternative Flughäfen in der Nähe großer Städte, etwa Chicago-Midway, Baltimore/ Washington oder Fort Lauderdale (statt Miami). Mit dem Niedergang ihres Konkurrenten US Airways macht sich Southwest jetzt auch auf dessen bisherigen Drehkreuz-Flughäfen wie Pittsburgh und Philadelphia breit.

Southwest Airlines: Herb Kelleher, Mitbegründer von Southwest Airlines.

Herb Kelleher, Mitbegründer von Southwest Airlines.

(Foto: Foto: AP)

Der typische Southwest-Flug legt eine Strecke unter 1200 Kilometer zurück und dauert maximal eine Stunde und 20 Minuten. "Wir schauen ausschließlich auf den lokalen Verkehr und fliegen nonstop dorthin, wo die Leute hinwollen, Umsteigeverkehr interessiert uns nicht", so McGlade. Im Gegensatz zu allen anderen großen US-Gesellschaften bedient sich Southwest nicht eines Drehkreuz- Systems, sondern nur mehrerer regionaler Zentren. Ein echtes Drehkreuz widerspräche der Southwest-Philospohie: Hier müsste man auf verspätete Anschlussflüge warten, und zeitraubendes Umsteigen wäre unvermeidlich.

Es gibt keine Sitzplatzreservierung, das Einsteigen findet in 30er-Gruppen statt, wer früh eincheckt, kommt eher an Bord und kann sich seinen Platz aussuchen. Der Bordservice ist gratis. Getränke werden mehrfach angeboten, bei Flügen über zweieinhalb Stunden Länge wird ein kleines Snackpaket gereicht mit Käseecke, Wurstscheiben und Müsliriegel. Der Sitzabstand ist im Gegensatz zu europäischen Nachahmern wie Ryanair mit bis zu 83 Zentimetern üppig bemessen und sogar größer als bei Lufthansa.

Unbezahlbar sind die meist gut gelaunten, immer zu Scherzen aufgelegten Flugbegleiter: "Diejenigen, die gerne rauchen wollen, bitten wir in unsere Lounge auf der Tragfläche, wo es auch den Film Vom Winde verweht zu sehen gibt", hieß es etwa kürzlich bei einem Flug von Dallas nach Houston. Southwest, allen voran ihr legendärer Gründer und langjähriger Chef Herb Kelleher, lässt weiterhin keinen Scherz aus. Für eine Anzeige stieg der Boss in ein Elvis-Kostüm, auch als Al Capone, Rhett Butler oder arabischer Scheich wurde er schon gesichtet. "Wir sind eine sehr spaßorientierte Organisation", sagt Peter McGlade, der seine Besucher in Shorts, Tennisschuhen und Polohemd empfängt, "aber zusammengehalten wird alles durch unsere Art, Geschäfte zu machen."

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