Skikurs der besonderen Art:Der Chef schickt uns runter

Ein Eigenbrötler zeigt, wo es lang geht: Auf Skikurs mit Marc Girardelli in Mühlbach am Hochkönig

Thomas Becker

(SZ vom 18. 3. 2003) - "Was? Da runter? Na, ich weiß nicht ...". Skepsis beim Skischüler. Aber bevor überhaupt eine Diskussion beginnt, ob man diesen Hang denn nun befahren kann, ob da nicht doch ein paar Baumstümpfe zu viel rausschauen, ob es nicht vielleicht besser und vor allem vernünftiger wäre ... da ist er auch schon weg, der Skilehrer.

Skikurs der besonderen Art: Blick auf das fast 3.000 Meter hohe Hochkönig-Massiv

Blick auf das fast 3.000 Meter hohe Hochkönig-Massiv

(Foto: Foto: Aldiana)

Mittendrin im frisch verschneiten Hang, ein paar Meter neben der offiziellen Piste. Nach zwei Sekunden nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu hören. Still steht der Wald, die Gruppe auch. Tja, Augen zu und hinterher. Wird schon wissen, wo er uns runterschickt, der Chef.

Kurs mit Girardelli

Ein Skikurs mit Marc Girardelli ist anders. Vor sechs Jahren hat der bald 40-Jährige mit dem Rennsport aufgehört, davor fast alles gewonnen, was man als Skiläufer gewinnen kann: 46 Weltcup-Rennen, fünf Mal den Gesamt-Weltcup, elf Medaillen bei Weltmeisterschaften.

Dass so einer über Nacht nicht zum fröhlichen Rutscher mutiert, ist klar. Aber wer beim "Club Aldiana" in Mühlbach am Hochkönig Unterricht mit Girardelli bucht, der will danach gar nicht mehr so genau wissen, wo der ansonsten noch überall runterfährt und wie schnell er das alleine und ohne Brems-Schüler tut.

Einzelgänger, Eigenbrötler

Skikurs vom Crack persönlich, dann der Star zum Anfassen beim Buffet, an der Bar - eine Idee, die gut ankommt beim Kunden. Dabei eilt Girardelli nicht gerade der Ruf des Partylöwen und Entertainers voraus.

Schon mit zwölf meldete Vater Helmut den jungen Rennläufer beim luxemburgischen Verband an, obwohl die Girardellis in Österreich zu Hause sind: in Lustenau, Vorarlberg, ein paar Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Mit den Funktionären des österreichischen Skiverbands kamen Girardelli senior und später auch der Junior einfach nicht zurecht: Die beiden bildeten das kleinste Nationalteam, aber auch eins der erfolgreichsten.

Einzelgänger, Eigenbrötler sind Begriffe, die oft in Verbindung mit dem Namen Girardelli fielen. Schön für ihn und die Freunde seiner Ski-Kunst, dass diese Zeiten vorbei sind. Jetzt sitzt Girardelli mit "Aldiana"-Gästen in der Skihütte, erzählt reichlich derbe Witze und scheint Spaß dabei zu haben.

Der Typ, der überall sofort erkannt wird, ist er allerdings nicht. Fast durch die gesamte Skischaukel von Mühlbach über Dienten bis Maria Alm (39 Lifte, 150 Kilometer Piste, Teil der Salzburger "Sportwelt Amadé", chancenreicher Bewerber für Olympia 2010) war der Girardelli-Skikurs unterwegs, um in Hinterthal in der kuscheligen "Strudel-Stube" einzukehren - umsonst: "Leider geschlossen", sagt der Wirt, keine Chance.

Die Stub'n bleibt zu

"Aber wir haben doch den Girardelli dabei", insistiert einer. "Was? Das soll der Girardelli sein?" Zweifel beim Wirt. "Tu mal die Mütze runter!" Großes Staunen: "Das iss er ja wirklich! Mei, der Girardelli! Bei mir! Alle Rennen hab' ich früher angeschaut." Aufgesperrt hat er seine "Strudel-Stube" trotzdem nicht.

Die Zusammenarbeit mit "Aldiana" ist neu, Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Seit einigen Jahren betreibt Girardelli die Skihalle in Bottrop, kommt nur noch selten an die frische Luft. Die zahllosen Abfahrten zwischen Bischofshofen und Saalfelden unter dem wuchtigen Massiv des Hochkönig (2941 Meter) kannte er zunächst genauso gut wie die meisten Gäste: noch gar nicht.

Dafür ist er natürlich zwischen den Slalomstangen noch sehr heimisch. Beim Abschluss-Rennen nach vorangegangenem Training samt Videoschulung braucht er für den Parcours 20 Sekunden - der beste Skischüler ist gleich acht Sekunden länger unterwegs.

Slalom der Riesen

Die Rennsau lässt Girardelli dann auch in Kitzbühel raus. Am Tag vor dem 50.000-Menschen-Auflauf an der berüchtigten "Streif" findet dort das "Legenden-Rennen" statt: ein Riesenslalom mit ehemaligen Kitzbühel-Siegern von Toni Sailer über Karl Schranz bis Gustav Thöni. Girardelli wird Dritter hinter Hubert Strolz und Mario Reiter - der ewig Ehrgeizige nimmt's mit einem fast lockeren Lächeln.

Die Großen des Skisports sind da, im Ziel nur eine Armlänge entfernt von den Girardelli-Skischülern, die natürlich VIP-Karten bekommen haben. Sie sehen Sepp Folger, Jahrgang 1922. Egon Schöpf, Akademischer Ski-Weltmeister und Sieger des Jahres 1949, im alten Wettkampf-Outfit: Knickerbocker und dicke Socken aus türkischer Schafwolle. Frank Wörndl, Ex-Weltmeister und Spaßvogel vom Dienst, im coolen Karo-Look. Girardelli, Ken Read und Franz Klammer gemeinsam auf der Pistenraupe.

Prima Gelegenheit zum Autogramme sammeln und Erinnerungsfotos schießen. Die abendliche Party in der Kiefersfeldener Villa von Gunther Sachs findet dann allerdings ohne die "Aldiana"-Truppe statt. Schade eigentlich. Das Alternativprogramm im Kitzbüheler Kult-Pub "Londoner" ist aber auch nicht übel. Und zu Hause im Club warten ja noch das gewaltige Buffet und die Abend-Show.

Verknittert, aber fit

Am Morgen danach sieht Girardelli am Frühstücksbuffet etwas verknittert aus. Es war spät und wohl auch feuchtfröhlich geworden bei Gunther Sachs, und geschneit hat es dann auch noch. Ärgerlicherweise so viel, dass seine Nachtfahrt am spiegelglatten Anstieg zum Clubhotel endete und er die letzten Kilometer marschieren musste. Hoffnung bei den Skikurslern: Vielleicht können wir ja diesmal seine Speed-Spur länger als fünf Sekunden halten. .. Pure Illusion. Er ist natürlich fit genug, wenn auch ein wenig wortkarg.

Unten am Lift: "Ja, fahrma nauf." Oben am Lift: "Guad, fahrma nunter." Er meint diesen wunderbaren Hang über dem Dörfchen Dienten, wo die Weltmeister im Formationsfahren zu Hause sind. Ans fröhliche Zöpferl-Fahren denkt Girardelli allerdings nicht: "Ein prima Super-G-Hang", sagt er, und seine Skischüler wissen: Au weh, jetzt wird's gleich wieder flott. "Also, Super-G-Schwünge bis ins Tal", fordert der Chef, "wer 20 Sekunden nach mir kommt, ist noch gut dabei." Spricht's, schiebt an und ist weg. Wird schon wissen, wo er uns runterschickt, der Chef.

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