Skigebiete in Bayern: Sudelfeld:Mit Kanonen überleben

Skifahren in Zeiten der Klimaerwärmung: Im Skigebiet Sudelfeld setzt man auf Kunstschnee, Umweltschützer sprechen von "schierem Wahnsinn".

Christian Sebald

Was hat sich Egid Stadler gefreut, als sie vergangenes Wochenende die Skisaison am Sudelfeld eröffnen konnten. Sogar auf den unbeschneiten Pisten lagen um die 25 Zentimeter Schnee - genug, dass zumindest eine Handvoll Lifte in Betrieb gehen konnte. Und nun das. Zwei Tage mit Temperaturen um die zehn Grad und die weiße Pracht ist dahin. "Da kannst' jetzt sagen, was du willst", sagt Egid Stadler, der nicht nur Almbauer, sondern auch Geschäftsführer der 16 Bergbahnen und Lifte am Sudelfeld ist. "Wenn wir schon dieses Jahr unsere neue Beschneiung hätten, dann könnt' uns so ein Wärmeeinbruch nichts anhaben." So aber muss Stadler hoffen, dass die Meteorologen recht behalten und es ab dem heutigen Donnerstag kräftig schneit.

Mit seinen 31 Kilometer langen Abfahrten gehört das Sudelfeld nicht nur zu den größten Skigebieten Bayerns. Es war auch lange Jahre eines der beliebtesten - vor allem bei den Münchnern. Schließlich liegt es nur eine gute Autostunde entfernt mitten im Wendelsteingebiet. Und seine Pisten sind recht abwechslungsreich.

Am Kitzlahner und an der Schöngratbahn sind hauptsächlich Familien unterwegs und Snowboarder. Die Skikurse üben am unteren Sudelfeld. Die Rosengasse mit ihren rasanten Steilstücken ist eine Piste nur für Könner. Und auf der langen Talabfahrt nach Bayrischzell ist man die meiste Zeit alleine - was auch damit zu tun hat, dass ihre Zufahrten etwas abseits vom Trubel liegen.

Paradebeispiel für die Krise

Das Sudelfeld ist zugleich ein Paradebeispiel für die Krise, an der nach wie vor viele bayerische Skigebiete laborieren. Zum einen sind seine 16 Bergbahnen und Schlepplifte völlig veraltet. Mit dem Schwebelift von Bayrischzell herauf ist sogar noch ein Fossil aus den 1940er Jahren in Betrieb. Der Einersessellift braucht eine knappe halbe Stunde bis zur Bergstation. Das tut sich kaum ein Wintersportler an. Zum anderen schlägt der Klimawandel durch. Das Sudelfeld erstreckt sich von 800 bis gut 1500 Meter Höhe - und ist bei weitem nicht mehr so schneesicher wie es noch in den 1980er und 1990er Jahren war.

Die alten Lifte und der Schneemangel haben zu einem Rückgang der Besucher geführt. "Es ist keine zehn Jahre her, da haben wir samstags oder sonntags regelmäßig 10000 Gäste gezählt", sagt Egid Stadler, "jetzt muss es ein optimaler Skitag sein, damit es 7000 werden." So häufen sich die Tage, an denen nur noch eingefleischte Sudelfeld-Fans und Skiclubs aus der Region auf den Pisten unterwegs sind.

Beschneiungsanlagen und neue Lifte

Damit soll nun Schluss sein. In den nächsten vier bis fünf Jahren will Egid Stadler das Sudelfeld aufrüsten. Herzstück ist eine hochmoderne Beschneiungsanlage mit einem Speichersee, der 175.000 Kubikmeter Wasser fasst. Die Schneekanonen sollen so leistungsfähig sein, dass Stadler und seine Mitarbeiter nur drei kalte Tage brauchen, um die 31 Pistenkilometer für die gesamte Wintersaison herzurichten.

Schritt für Schritt sollen auch die alten Schlepplifte durch Sechsersessellifte und einen Achterlift ersetzt werden, "wie sie in Österreich längst Standard sind". Und wenn alles gut geht, führt sogar einmal eine Kabinenbahn von Bayrischzell direkt ins Skigebiet. "Dann brauchen die Gäste nicht mehr die Passstraße hochfahren", sagt Stadler. "Das tut nicht nur ihnen gut, sondern der ganzen Natur." Bis zu 45 Millionen Euro will sich die Liftgesellschaft die Investitionen kosten lassen, ein Drittel davon soll der Freistaat finanzieren.

Mit der Klimaerwärmung steigt die Schneegrenze

Für Umweltschützer wie Christine Margraf vom Bund Naturschutz sind solche Pläne "schierer Wahnsinn". Aber auch der oberste Klimaschutz-Berater der Staatsregierung, der renommierte Klimaforscher Hartmut Graßl, warnt immer wieder vor Millionen-Investitionen in niedrig gelegene Skigebiete. "Es ist längst erwiesen, dass die Klimaerwärmung in den Alpen sehr viel dramatischer ausfällt als in den flachen Regionen", sagt Margraf. "Schon mit nur einem Grad Erwärmung steigt die Schneegrenze 150 Meter nach oben." Deshalb werde man binnen weniger Jahrzehnte am Sudelfeld und anderswo keinen Tag mehr Ski fahren können, egal wie viele Millionen man jetzt investiert.

Aber auch ohne weitere Klimaerwärmung sind für die Umweltschützer Beschneiungsanlagen eine "gigantische Geldvernichtung". Die Herstellung von nur einem Kubikmeter Kunstschnee kostet dem BN zufolge zwischen drei und fünf Euro. Und ein Doktorand an der Uni Innsbruck hat ausgerechnet, dass für die Beschneiung der 31 Pistenkilometer am Sudelfeld so viel Strom nötig ist wie der 1600-Einwohner-Ort Bayrischzell das ganze Jahr über verbraucht.

"Sonst stirbt unser Ort"

Kunstschnee beeinträchtige auch Flora und Fauna massiv, sagt Margraf, "weil er im Frühjahr sehr viel langsamer schmilzt wie Naturschnee". Umweltschützer fordern deshalb seit Jahren ein bayernweites Konzept für einen sanften Wintertourismus, der auf Wandern und Wellness setzt statt auf immer mehr Technik.

Amortisierung in 20 Jahren

In Bayrischzell lassen sie sich nicht beirren. Dabei bestreitet Lifte-Geschäftsführer Egid Stadler nicht einmal die Unausweichlichkeit der Klimaerwärmung. "Aber", so sagt er und wird richtig energisch, "wir haben das genau untersucht - für die nächsten 20, 30 Jahre garantieren uns alle Gutachter, dass wir das Sudelfeld schneesicher machen können." Nach 20 Jahren aber hätten sich die Investitionen amortisiert.

Auch der Bayrischzeller Tourismus-Chef Harry Gmeiner steht fest zu den Plänen, ebenso Bürgermeister Helmut Limbrunner. "Wir dürfen das Sudelfeld nicht sterben lassen, sonst stirbt unser Ort, nicht erst in 40 oder 50 Jahren, wenn der Klimawandel da ist, sondern jetzt", sagt Limbrunner. Bayrischzell ist ein Touristendorf, außer ein paar Bauernhöfen und Handwerkern gibt es nichts anderes hier. Die Wintergäste sind den Bayrischzellern besonders wichtig, ganz einfach weil sie sehr viel mehr Geld da lassen als die Gäste im Sommer. Und die Winterurlauber, da sind sich Limbrunner und Gmeiner sicher, wollen eins: Ski fahren. "Wenn sie das nicht können, bleiben sie weg." Viele tun das ja bereits. "In den 90er Jahren hatten wir um die 300.000 Übernachtungen im Jahr", sagt Gmeiner. "Jetzt sind es noch 160.000."

Mit ihrer Überzeugung sind die Bayrischzeller nicht alleine. Bis in die Staatsregierung hinauf teilen Politiker ihre Einschätzung und fördern den Wintersport nach Kräften. "Wir können uns nicht für Sportgroßereignisse wie Olympia 2018 einsetzen, aber den eigenen Wintertourismus links liegen lassen", sagte unlängst Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), als er der Alpspitzbahn im schwäbischen Nesselwang 1,7 Millionen Euro Zuschuss für eine neue Kabinenbahn überreichte. Am Sudelfeld wollen sie mit dem Bauen anfangen, sobald im Frühjahr der letzte Schnee geschmolzen ist.

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