Skigebiet Aletsch Arena:Nur die Ruhe

Riederalp in der Aletsch Arena

Riederalp in der Aletsch Arena

(Foto: dpa)

In der Hochebene der Aletsch Arena über dem Gletscher sind Autos verboten. Kaum etwas in dem Schweizer Skigebiet stört die Entspannung - nicht einmal ein rutschender Gipfel.

Von Johanna Pfund, Oberwallis

Sonne, Schnee, Ski, eine schöne Aussicht dazu - was will man mehr beim Skifahren? Vielleicht Ruhe? Am besten weit oben, wo kein Auto stört, etwa in der Aletsch Arena im Schweizer Oberwallis: Das Skigebiet mit seinen drei Dörfern liegt auf einer Hochebene, die sich wie ein überdimensionales Tortenstück zwischen Rhonetal und dem größten Eisstrom der Alpen, dem Aletschgletscher, erhebt. Hier müssen Autos draußen bleiben, beziehungsweise unten. Die Orte Riederalp, Bettmeralp und Fiescheralp sind nur via Seilbahn zu erreichen, Lifte verbinden sie miteinander. Motorschlitten sorgen für den Gütertransport von und zur Bahn. Ins Gasthaus, ins Cafe oder zum Einkaufen aber geht es zu Fuß, mit Ski oder Schlitten.

Das Auto ist am Parkplatz der Talstation in Grengiols geparkt, die Rotten - besser bekannt unter dem französischen Namen Rhone - rauscht voller Schmelzwasser vorbei, nur noch wenig Schnee liegt im Schatten. Mit Koffer und Ski bepackt geht es in die Gondel, die in wenigen Minuten auf die knapp 2000 Meter hoch gelegene Bettmeralp schwebt. Kein geräumter Weg, kein Asphalt, kein Auto ist vor der Bergstation aus zu sehen. Denn in den 1950er Jahren entschlossen sich die Oberwalliser, die vorher nur im Sommer genutzten Alpen auf dem Plateau touristisch zu entwickeln - und verzichteten auf Straßen. Bis heute sind sie dabei geblieben.

Als Gast bleibt man da in Bewegung. Die Leute stapfen durch den am Nachmittag reichlich nassen Frühjahrsschnee auf den steilen Wegen durch die Bettmeralp. Alte Walliser Holzhäuser und moderne Gebäude sind locker am Südhang verteilt. Die Bettmeralp ist kein großer Ort. Auf die 300 ständigen Einwohner kommen 5000 Gästebetten, doch ein Gefühl von Enge bleibt aus. Gewieftere Gäste haben einen Schlitten dabei und ziehen ihr Hab und Gut zur Unterkunft oder heuern einen Motorschlitten an, der leider immer wieder mal die Ruhe im Dorf übertönt. Aber da können sich die Besucher ganz einfach aus dem Staub machen.

104 Kilometer Pisten, größtenteils leichte und mittelschwere, stehen in dem Skigebiet der Aletsch Arena zur Auswahl. Trotz der Höhe wird hier beschneit, der Winter muss spätestens im Dezember losgehen. Ende März ist das kein Problem mehr, es liegt genug Schnee, und das größte Hindernis ist, sich im Skigebietsnetz zurechtzufinden. Vom Hauptort Bettmeralp gelangt man mit der Blauseebahn ein Stück hinauf und kann sich einen Überblick verschaffen. Lieber nach Osten zu den steileren Pisten auf dem Bettmerhorn und dann zur Fiescheralp? Oder erst einmal die Neuheit des Skigebiets testen, die Moosfluhbahn auf der Riederalp?

"Wir mussten diese Bahn neu bauen, weil sonst die Riederalp abgeschnitten worden wäre", erklärt Valentin König, Direktor der Bergbahnen Riederalp und Bettmeralp. Da es ja keine Verbindungsstraßen auf dem Plateau gibt, brauchen Besucher und Bewohner die Bahnen, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Die neue Moosfluhbahn ist ein aus der Not geborenes technisches Meisterwerk: Die komplette Bergstation ist flexibel in einer Betonwanne auf hydraulischen Stützen gelagert, zudem sind im oberen Bereich die Stützen verschiebbar, und das aus gutem Grund. Der Berggipfel ist in Bewegung.

Hinter dem Gipfel liegt der Aletschgletscher, der alljährlich an Mächtigkeit verliert, so dass das Gelände nachrutscht - ein einzigartiges Phänomen in den Alpen. Deshalb muss sich auch die Moosfluhbahn mitbewegen lassen.

Mit Schneeschuhen über dem Aletschgletscher

Von diesem Drama im Super-Zeitlupentempo bemerken Skifahrer nichts und wählen vergnügt zwischen Gondel und Sessel der neuen Bahn. Oben angekommen auf dem Gipfel der 2333 Meter hohen Moosfluh bietet sich ein immer noch überwältigender Ausblick. Der Aletschgletscher schiebt sich von den Schweizer Gipfelklassikern Jungfrau und Mönch ins Tal. Wer sich umdreht, sieht bei gutem Wetter das Matterhorn, hoch über dem ebenfalls autofreien Ort Zermatt.

Die Aussicht kann man an diesem Spätwintertag lange genießen, stressen muss man sich nicht. Auf den angenehm weichen Pisten sind nur ein paar Skikurse unterwegs, Eltern mit Kindern, einige Einzelfahrer. Es ist ein klassisches Familienskigebiet, mit weiten Pisten und gemäßigter Schwierigkeit - was in der hochalpinen Umgebung so nicht unbedingt zu erwarten ist. Das heißt, drüben auf der Fiescheralp und unterhalb vom Bettmerhorn gibt es doch einige rasante schwarze Abfahrten. Fast fällt es schwer, sich bei dem gigantischen Panorama auf das Skifahren zu konzentrieren.

Besser, man macht einen Einkehrschwung zur Bättmer Hitta, in der Hütten- und Landwirt Stefan Eyholzer eigene Produkte anbietet. Im Sommer, wenn die Skitouristen weg sind, weiden hier seine Kühe - die Milch wird dann mit der Bahn nach unten transportiert. Wie sonst.

Fachwerk-Schloss am Berg

Das Hochplateau war schon vor gut 100 Jahren ein beliebter Ort für Urlauber, wie König erzählt. Ein architektonisch interessantes Zeugnis dafür findet sich auf der Riederfurka, am westlichen Ende des Gebiets. Mitten auf diesem Bergsattel zwischen Riederhorn und Moosfluh thront die Villa Cassel, ein deplatziert wirkendes Schlösschen mit Fachwerkarchitektur. Die Villa wurde vom deutsch-britischen Bankier Ernest Cassel zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut. Er ließ damals schon bequeme Wege anlegen für seine gehbehinderte Schwester, wie König berichtet. Baumaterialien und Einrichtung schleppten die Walliser größtenteils die 1200 Höhenmeter vom Talort Mörel hinauf, zwei Franken soll es pro Zementsack gegeben haben. Damals war Autofreiheit ja keine Seltenheit, sondern Standard. Im Winter kann man die Villa nur von außen bestaunen. Im Sommer aber ist das Gebäude geöffnet, das nun das Pro Natura Zentrum Aletsch beherbergt.

Apropos Natur: Es lohnt sich, einen Tag lang das Skifahren Skifahren sein zu lassen und auf eine Schneeschuhtour abseits der Piste zu gehen. Eine Steigerung der Ruhe sozusagen. Denn auf der Nordseite der Moosfluh, die zum Unesco-Weltnaturerbe Aletsch gehört, wächst ein Arvenwald. Arven sind im ostalpinen Raum als Zirben bekannte, widerstandsfähige und langsam wachsende Kiefern, die oft gemeinsam mit Lärchen Flächen besiedeln: in Grüppchen, nicht als dichten Wald. Bergführer Martin Nellen erklärt das und stapft währenddessen zügig von der Bergstation der Moosfluhbahn hinunter Richtung Gletscher - nach wenigen Schritten ist man in einer noch entrückteren Welt. Kein Skifahrer mehr, nur Schnee, bizarr wachsende Kiefern, vereinzelte Tierspuren und als Kulisse im Hintergrund die gigantische Gletscherzunge.

"Da am Rand sieht man, wo der Aletschgletscher im 19. Jahrhundert verlaufen ist", erläutert Nellen: deutlich weiter oben. Doch auch der geschrumpfte Gletscher mit seinen Rippen und Rissen ist beeindruckend, ebenso wie die umgebenden Berggipfel. Tief Luft holen kann man in der Aletsch Arena übrigens nicht nur beim Schneeschuhgehen und Skifahren: Atemtherapeutin Monique Martig zeigt oben, einige Schritte vom Bettmerhorn entfernt, wie man durchatmet und den Alltag hinter sich lässt. Das geht leicht in der Ruhe hoch über dem Tal, weit weg von allem.

Informationen

Unterkunft zum Beispiel im Hotel Waldhaus auf der Bettmeralp, www.ferienhotel-waldhaus.ch; Einkehr in der Bättmer Hitta, www.aletscharena.ch/baettmer-hitta, www.wallis.ch, www.myswitzerland.com

In der Villa Cassel können Besucher nur im Sommer übernachten, Zweier-, Dreier oder Mehrbettzimmern mit Etagendusche, http://www.pronatura-aletsch.ch/ferienzimmer

Die Recherchereise wurde unterstützt von der Aletsch Arena, www.aletscharena.ch.

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