Corona und Skifahren:Nichts gelernt aus Ischgl

AUT, Coronaviruskrise, tägliches Leben in Ischgl

Entspann, wenn Du kannst: Die Werbung für Skigebiete in Ischgl verkehrt sich in diesem Jahr ins Gegenteil.

(Foto: Johann Groder/dpa)

Koste es, was es wolle: Österreich will, dass die Skishow weitergeht. Das ist unverantwortlich und unsolidarisch.

Kommentar von Dominik Prantl

Die über den Sommer hinweg gerne gestellte Frage, ob die Tourismuswirtschaft der Alpen und deren Fürsprecher etwas aus dem Fall Ischgl gelernt haben, scheint nun beantwortet zu sein: Nein. Wenige Wochen vor dem für die Skiindustrie so wichtigen Weihnachtsfest zeigt sich, welche Haltung in manchen Alpenländern herrscht: Die Skishow muss weitergehen. Koste es, was es wolle. Das Fiasko aus dem März, als Ischgl zu einem europäischen Corona-Hotspot wurde, scheint vergessen zu sein.

Klar, wirtschaftlich ist nachzuvollziehen, warum es in Österreich und Südtirol Widerstand gegen den mittlerweile von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder flankierten Vorstoß der italienischen Regierung gibt, die Skigebiete vorerst über den Jahreswechsel hinaus geschlossen zu halten, und zwar EU-weit. Zu viel Geld steht auf dem Spiel.

Bis zu 25 Prozent ihres Jahresumsatzes erwirtschaften Bergbahnen in den Weihnachtsferien; alleine in den österreichischen Skigebieten wird der Umsatzausfall bei einer dreiwöchigen Schließung um Weihnachten auf 2,4 Milliarden Euro taxiert. Alpenweit werden im Winter laut verschiedener Studien mehr als 160 Millionen Übernachtungen gezählt, hinzu kommt etwa die gleiche Anzahl an Skitagen. Niemand setzt ein solches Erfolgsmodell leichtfertig aufs Spiel.

Und ja, natürlich hat die Skiindustrie in Sicherheitskonzepte investiert. Das seit Ischgl als Covid-Treiber in Verruf geratene Après-Ski sei, so die Argumentation der Bergurlaub-Befürworter, längst kein Thema mehr. Und tatsächlich bleibt abzuwarten, wie sich die Infektionszahlen in den kommenden Wochen entwickeln werden. Einen europäischen Lift-Lockdown bis in den Januar hinein aber nahezu kategorisch auszuschließen, wie das jetzt Österreichs Finanzminister Gernot Blümel und die Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, beide von der ÖVP, tun, ist jedoch so unverantwortlich wie unsolidarisch.

Die Regierung in Wien scheint sich dem Skitourismus zu unterwerfen

Unverantwortlich ist es deshalb, weil bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorliegen, welche Ansteckungsgefahr ein Skibetrieb zur absoluten Hochsaison birgt. Bereits im Oktober waren in einigen Gletscherskigebieten Lücken in den Sicherheitskonzepten der Gondelbetreiber zu erkennen gewesen. Die Bilder der vor den Zubringergondeln wartenden Menschenmassen wirkten geradezu gruselig. Dabei waren wegen der Reisebeschränkungen oft nur halb so viele Menschen unterwegs als in Zeiten vor der Pandemie. Was also, wenn die Massen wirklich kommen?

Ein Akt mangelnder Solidarität ist die Weigerung, eine EU-weite Lösung beim Thema Skigebiete zu finden, weil von jedem Betrieb und jeder Destination zwischen Venedig und Nordsee in der Krise Opfer verlangt werden - aber die in vielen Alpengebieten geradezu heilige Tourismuswirtschaft soll ungeschoren davonkommen?

Als die Skigebiete im März schlossen, war der Großteil des Geschäfts bereits gemacht. Über den tristen November half die österreichische Regierung der Branche mit erstaunlichen Maßnahmen hinweg. So soll jeder Hotelier bis zu 80 Prozent des Umsatzes aus dem November des Vorjahres erhalten. Dass nun die Regierung von der EU fordert, im Falle geschlossener Skigebiete die Kosten von zwei Milliarden Euro und damit einen Großteil der üblichen Weihnachtseinnahmen zu erstatten, lässt sich mit gutem Willen als Taktieren begreifen. Derzeit wirkt es eher so, als würde man sich in Wien dem Geschäft namens Skitourismus unterwerfen.

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