Süddeutsche Zeitung

Simpsons-Themenpark in Florida:Im Gelbfieber

Im Simpsons-Themenpark in den Universal-Studios von Orlando können Fans Krusty-Burger probieren und in Moe's Taverne einkehren. Und wenn Ned Flanders' Wohnmobil anrollt, springt eines der berühmtesten Comicpärchen der USA heraus. Näher wird man den Simpsons nicht kommen.

Von Michael Zirnstein

Eine der meistfotografierten Attraktionen des Freizeitparks ist ein Bauzaun. Kaum rückt eine Schulklasse in pinkfarbenen Pullis an, stellen sich die Mädchen der Reihe nach quiekend in Pose. Alle in die selbe: Auf einem Bein stehend recken sie die Arme zum Himmel - so wie daneben Homer Simpson, der sein an einen Gasballon gebundenes Baby Maggie einfangen will.

An der gut hundert Schritte langen Bretterwand reiht sich ein gelbhäutiger Pappkamerad an den anderen: Der wabbelige Comicbuchhändler Jeff Albertson kauft einen Squishee an Apus mobilem Getränkestand, der holzbeinige Kapitän Horatio McCallister zwinkert seiner Hai-Handpuppe zu, Bart Simpson sprüht seine Graffiti-Marke an den Zaun: "El Barto was here." Den Drang, sich zu verewigen, verspüren auch die Passanten - bei Homer steht schon eine mexikanische Kleinfamilie an.

Die Bosse der Universal-Studios in Orlando wissen, welche Anziehungskraft die Simpsons ausüben. Mit 24 Jahren sind sie die langlebigste Zeichentrickfamilie der Fernsehgeschichte, sie sind den Amerikanern vertrauter als die Obamas. Seit 2008 gibt es in den Studios die "Simpsons-Ride". "Ride" ist das Zauberwort der Branche, es kann mit Fahrgeschäft nur unzulänglich übersetzt werden. Moderne Rides sind mietshausgroße Geisterbahnen, Flugsimulatoren und 3D-Kinos in einem. Seit August gibt es um die "Simpsons-Ride" herum zudem eine Springfield-Themenwelt - die Heimat der Simpsons, in echt nachgebaut.

Kann eine Cartoon-Welt reall werden?

Schon vor der Eröffnung führt Mick West durch die Baustelle. Er ist einer, der lukrative Ideen hat und umsetzen lässt. Schlank und mit Schnauzer erinnert er an Homers nervig-netten Nachbarn Ned Flanders, zwischen aufragenden Stahlstreben präsentiert er seine Vision aber stolz wie Bürgermeister Quimbey die Pläne der Monorail-Schwebebahn in Folge 71: hier das Klang-Karussell "Twirls'n Hurls", dort die Duff-Brauerei mit Biergarten und Vip-Area am See, und da hinten ist Lard's Donuts mit Riesenschmalzkringel auf dem Dach. "Wenn die Leute einmal heimgehen und zu Hause erzählen: 'Wir waren in Springfield!', dann haben wir's geschafft", sagt West.

Aber natürlich liegt das Interesse der Park-Chefs nicht nur darin, die Menschen glücklich zu machen. Oberstes Vergnügungspark-Gebot: Wer jeweils 100 Dollar Eintritt für sich und jedes seiner Kinder zahlt, wird den gleichen Betrag noch einmal für T-Shirts, Plüsch-Homers und Kühlschrankmagneten los.

Kann eine Cartoon-Welt überhaupt real werden? Einmal passierte das in Staffel sieben, in "Homer3": Da wird der Dickwanst durch ein Schwarzes Loch hinter dem Bücherregal in unsere dreidimensionale Welt gezogen, die für platte Comicfiguren unvorstellbar sein muss. Die Cartoons gehorchen in der Realität anderen Gesetzen. Zu beobachten etwa im Fastfood-Boulevard: Wer in Moe's Taverne eintreten will, den schickt ein Türsteher zunächst in eine Kantine mit langer Warteschlange zu verschiedenen Essensausgaben. Erst nach der Kasse begibt man sich in den Lokal-Replikaten auf Platzsuche. Man betritt Moe's also durch den Hintereingang. Drinnen ist aber wirklich alles detailreich nachgebaut, von den grünen Rauten-Fenstern und den "Isotopes"-Vereinswimpeln an den Wänden bis zum ständig orgelnden Liebes-Test-Automaten.

Hinterm Tresen grantelt nicht Moe, sondern es plaudern drei nette Barkeeper wie Sue aus Michigan (sie dürfte Marges Jahrgang sein). Natürlich ist sie Fan der Serie, hat sich sofort beworben hier, und sie ist sehr stolz darauf, aus dem Zapfhahn echtes Duff ausschenken zu können. "Pro Personalausweis nur ein Bier", steht auf einem Schild. Homer würde "neeiiin!" schreiend davonlaufen. Eine Brauerei aus Florida hat das Duff eigens für den Park gebraut, erzählt Sue. Es ist erstaunlich gut, würziger und stärker als andere US-Biere.

Vom "Flaming Moe's", dem berüchtigten Cocktail aus der Folge "Das Erfolgsrezept" hingegen sollte man die Finger lassen: schmeckt wie Fanta, nur noch süßer, und statt der geheimen Zutat (Hustensaft) dampft darin ein Stück Trockeneis.

Das wahre Springfield ist anderswo

"Das ist der Spaß, den wir in unsere Essen bringen", erklärt Steven Jayson. Für den Springfield-Imbiss hat sich der erstaunlich dünne Chefkoch 25 Speisen ausgedacht. Der Krusty-Burger ("Über ein Dutzend verkauft", steht stolz auf der Serviette) gilt in der Serie als ungenießbar und eklig, was sich freilich nicht mit der Berufsehre eines Kochs vereinbaren lässt: Jayson interpretierte den Burger, indem er ihn mit extra viel Spezial-Soße impfen lässt, die beim Essen unweigerlich über die Hände rinnt. Bei der Vorstellung des Speisensortiments in Kalifornien fand Simpsons-Erfinder Matt Groening das Gebatzel eklig genug und segnete alles ab.

Der Bauzaun ist inzwischen beseitigt, Springfield ist eröffnet. Doch die 3D-Comic-Welt wirkt seltsam erstarrt: der Duffman, Milhouse mit Squishee, Chief Wiggum, der mit Donut in der Hand vor seinem in einen Hydranten gecrashten Polizeiwagen steht, sie alle sind nichts als Statuen, bunte Fotokulisse.

Aber da rollt auf einmal Ned Flanders' Wohnmobil heran, samt Atommüllfass am Gepäckträger. Heraus watscheln Homer und Marge. Hinter dem blauen Haarturm bildet sich sofort eine Schlange. Alle sind im Gelbfieber und wollen ein Foto mit dem schrecklich netten Paar. Marge kritzelt mit gespielter Abscheu ihr Autogramm in ein Disney-Buch, Homer herzt eine Teenagerin in Hotpants. Es ist der wohl härteste, schweißtreibendste Job auf dem Gelände: Allerhöchstens 30 Minuten dürfen die stummen Diener in den etwas abgegriffenen Kostümen ins Freie, um in der Schwüle Floridas keinen Hitzschlag zu erleiden, ab exakt 36 Grad nur 20 Minuten. Ein persönlicher Assistent überwacht alles. "Homer, lass die Finger von dem Mädchen", ruft er im Spaß, "du bist ein verheirateter Mann."

In solchen Momenten ist es ein lustiges Verwirrspiel mit Comic und Realität in dem potemkinschen Cartoon-Dorf. Denn alle wollen ja die Show, wer sehnt sich schon nach den Ratten, der brennenden Müllhalde, Moes dreckigen Gläsern, den Gemeinheiten der Einwohner im TV- Springfield?

Matt Groening hat seine Satire-Stadt so genannt, weil es einer der häufigsten Ortsnamen in den USA ist. Wer das wahre Springfield sucht, muss die Universal-Studios verlassen und die Einkaufszentren, No-Name-Imbisse und Vorortsiedlungen Orlandos durchstreifen. Näher als da wird man den Simpsons nicht kommen.

Informationen

Anreise: mit United Airlines von München nach http://www.visitflorida.comOrlando, Hin- und Rückflug ab etwa 575 Euro, www.united.com

Themenparks: "Springfield" ist Teil der Universal-Studios Florida, Tagesticket für Erwachsene 75 Dollar (etwa 56 Euro), 6000 Universal Boulevard, Orlando, Florida 32819; in Fußweite liegt "Islands of Adventure" mit "Harry Potter World" und "Spiderman Ride"; ermäßigte Kombitickets für beide Parks; Tel.: 001/407/363 80 00, www.universalorlando.com

Unterkunft: Direkt auf dem Universal-Gelände neben den Parks: Royal Pacific Resort, Übernachtung ab 100 Euro pro Person; Hard Rock Hotel, ab 112 Euro pro Person; Portofino Bay Hotel, ab 131 Euro pro Person

Weitere Auskünfte: www.visitflorida.com

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Quelle:
SZ vom 12.09.2013/cag
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