Das Empfangskomitee ist pünktlich. Genau als das Beiboot durchs Hafenbecken tuckert, grast ein Flusspferd im seichten Wasser vor der untergehenden Sonne. "Das habe ich gut organisiert, oder?", ruft Evy Duville und raunt in ihr imaginäres Funkgerät: "Hippo, Hippo, jetzt den Kopf zu uns drehen."
So ungefähr hat man sich das vorgestellt, eine Kreuzfahrt in Afrika. Und Duville weiß das. Früher arbeitete die Flämin auf Sansibar und in Botswana, danach reiste sie acht Monate mit dem Rucksack durch den Kontinent. Seit einigen Monaten ist die 36-Jährige nun die Chefin an Bord der "African Dream", des ersten Kreuzfahrtschiffs auf dem Karibasee. "Ich kenne Afrika sehr gut", sagt sie. "Aber Simbabwe war eine Herausforderung."
Warum, sah man schon während des Anflugs. An den Fenstern der winzigen Cessna zogen die Gischtwolken der Victoria Falls vorbei und die Schlucht des Sambesi. Bald weitete sich der Strom, mäanderte zwischen endlosem Buschland und grünen Hügeln, wurde schließlich zum See. Und ganz am Ende dieses gewaltigen Sees landete man auf einem blumengeschmückten Flughafen.
Bevor die rhodesischen Kolonialherren hier einen 617 Meter langen und 128 Meter hohen Damm in eine Schlucht betonierten, war die Gegend eine der abgelegensten in Simbabwe gewesen, von Tsetsefliegen geplagt, nur über Elefantenpfade erreichbar. Seitdem hat sich Kariba zum Städtchen entwickelt. Zwar grasen weiter Zebras am Straßenrand, aber es gibt ein passables Hotel, und im Hafen liegt eine Flotte von Hausbooten. Gemietet werden sie bisher allerdings nur von weißen Simbabwern und Südafrikanern, die zum Angelurlaub hierher kommen.
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Im Gang riecht man noch frische Farbe
"Viele unserer Angestellten haben zuvor nie mit ausländischen Touristen gearbeitet", sagt Duville, während sie hinter der Bar die ersten Drinks mixt. "Die meisten stammen aus Kariba, einer war zuvor Buchhalter in der Hauptstadt Harare." In einem mehrwöchigen Kurs haben sie die Grundlagen internationaler Gastronomie gelernt. Nun, nach wenigen Monaten, sind sie bereits erstaunlich professionell. Und, noch wichtiger: extrem freundlich und bemüht.
So dauert es maximal ein Bier und eine Begrüßungsrunde, bis man sich zu Hause fühlt an Bord. Die Kabinen sind makellos, die Ecksofas im rundum verglasten Wohnzimmer ebenso bequem wie die Rattansessel auf dem Sonnendeck. Nur im Gang riecht man noch frische Farbe. "Jedes Mal, wenn wir im Hafen anlegen, bessern wir etwas aus", sagt Duville.
Geschenkt. Viel wichtiger ist jetzt sowieso, was die beiden Kellner servieren: Salat mit Blauschimmeldressing, Steak mit Süßkartoffeln und Milchtarte als Dessert. Die Köche, erklärt Duville, seien von einem Starkoch aus Südafrika ausgebildet worden. Glaubt man ihr sofort.
Die Speisen in den folgenden drei Tagen sind europäisch, die meisten Zutaten aber werden in Kühlkisten aus Harare herangekarrt, Käse und Wein kommen aus Südafrika. Nur, guten Schnaps zu bekommen, sei ein Problem, sagt Duville. "Hier waren lange keine internationalen Gäste mehr."
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Kein Wunder, wer wollte in den Jahren von Robert Mugabes Diktatur und chaotischer Misswirtschaft schon nach Simbabwe reisen? Auch für Croisi Europe war das Land nicht die erste Wahl. Die französische Reederei plante, die für maximal 16 Gäste ausgelegte "African Dream" auf dem Chobe fahren zu lassen, dem Grenzfluss zwischen Botswana und Namibia. Aber dann machten die Besitzer von Lodges und Touristenbooten dort politischen Druck, um sich die unerwünschte Konkurrenz vom Leib zu halten. Der Schwertransporter mit dem 32 Meter langen Schiffsrumpf war schon bis nach Kasane in Botswana gerollt, als er zurückbeordert wurde. Just in dieser Situation änderte sich in Simbabwe die politische Situation: Der greise Mugabe war endlich zurückgetreten. "Und Simbabwe", erzählt Duville, "öffnete seine Türen und sagte: 'Kommt zu uns'." Am 21. Dezember 2017, nach einer Irrfahrt von drei Monaten und 2100 Kilometern, glitt die "African Dream" endlich ins Wasser. Neun Tage später lief sie zu ihrer Jungfernfahrt aus. Die Route ist bis heute gleich geblieben.
Um sechs Uhr startet der Motor, an Schlafen ist nun nicht mehr zu denken. Aber der Sonnenaufgang vor dem Fenster ist das Aufstehen ohnehin wert. Das Boot pflügt durch glattes Wasser, passiert zuerst runde Tilapia-Fischfarmen, dann Antelope und Zebra Island. Die Inselchen sind benannt nach den Tieren, die dorthin flohen. Tausende andere ertranken, als das Wasser wegen des Staudamms stieg.
Rupert Fothergill wollte der Katastrophe damals nicht tatenlos zuschauen. Der junge Ranger begann mit ein paar Männern eine Rettungsaktion, die als "Operation Noah" um die Welt ging. Gemeinsam trieben sie Tiere, die schwimmen konnten, ans Ufer. Andere, darunter Elefanten und Nashörner, wurden betäubt und auf Flößen verschnürt. Allein 43 Rhinozerosse rettete Fothergill, insgesamt sollen es 6000 Tiere gewesen sein.
Ein kleines Museum auf einem Hügel oberhalb des Damms erinnert heute mit Schwarz-Weiß-Fotos an die Operation Noah. An der Aussichtsterrasse davor steht die Statue einer Wasserschlange. Es ist Nyami Nyami, der Schutzgott des Sambesi. Die Tonga, das Volk, das an seinen Ufern lebte, hatten die Kolonialherren gewarnt: Der Dammbau werde Nyami Nyami erzürnen. Und sie schienen recht zu behalten. Immer wieder bebte die Erde, zwei Flutwellen töteten 86 Arbeiter.
1959 war der Damm dennoch vollendet. Für die 50 000 Tonga begann, wogegen sie sich so vehement gewehrt hatten: der Exodus aus den Flussauen, wo sie fischten und jagten, wo ihre Ahnen in den Bäumen fortlebten. Als sie auf Lastwagen getrieben wurden, hackten manche verzweifelt Zweige von den Bäumen, um die Verbindung zu den Ahnen nicht ganz zu verlieren.
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Heute leben die Tonga entlang des Sees verstreut, manche in Dörfern wie Quary, in traditionellen Rundhütten aus Holz und Lehm mit Strohdach, andere in Kariba. Ihre Zwangsheimat ist karg, die Jagd ist ihnen nun verboten. Und vom Tourismus profitieren sie kaum: Wegen ihrer mangelnden Bildung bekommen sie keine Jobs in Lodges.
Die bleichen Skelette der Mopane-Bäume, die aus dem seichten Wasser ragen, erscheinen wie ein Mahnmal für die untergegangene Welt der Tonga. Sanft gleitet das Beiboot durch den Skulpturenpark in die Mündung des Gache Gache River. Auf einem Ast lauert ein Fischadler, im Nebenbaum sitzen ein Kormoran und ein Schlangenhalsvogel. Hyazinthen treiben auf dem Wasser, am Ufer blühen Terminalia altrosa, tragen Baobabs frisches Grün. Längst sind an dem künstlichen See neue Lebensräume entstanden.
Im Gras picken Silberreiher in ihrem Gefieder, stolzieren Nilgänse, schwirren Smaragdspinte. Leuchtend gelbe Webervögel flattern um ihre Nester, die wie Strohlampions in den Büschen hängen. Eine Gabelracke zeigt ihre neonblauen Flügel, ein junger Kampfadler mit weißem Kopf sitzt auf einem Baum, Pelikane segeln über das Boot hinweg.
Brian, ein 83-jähriger Safari-Veteran aus England, erkennt jeden der Vögel an seinem Gesang. Und antwortet in perfekter Tonlage. Das Grunzen der Hippos, die mit mürrischem Blick ab- und wieder auftauchen, hat er natürlich auch drauf. Und das Krokodil - nun ja, es sonnt sich schweigsam und mit aufgesperrtem Rachen, wie es seine Art ist.
Wie gebügelt liegt der See da - aber er kann auch anders
Nach dem Mittagessen bleibt gerade genug Zeit für ein Schläfchen, bevor das Boot in die Sanyati-Schlucht einläuft. Die Grashänge, getupft mit Akazien, rücken immer näher zusammen. Aber Stephen Litaba bleibt entspannt. Der 34-Jährige ist sein halbes Leben über den Lake Kariba gefahren. Früher arbeitete er auf Hausbooten, diente sich vom Matrosen zum Kapitän hoch. Und jetzt, sagt Litaba artig, dürfe er das schönste Schiff auf diesem See steuern. Meist folgt er den alten Betten des Sambesi und seiner Zuflüsse, manchmal aber muss er seine Route ändern. Oder in einer geschützten Bucht bleiben. "Man glaubt es nicht", sagt er, "aber das Wetter kann jede Minute umschlagen, vor allem in der Regenzeit. Die Wellen sind dann bis zu vier Meter hoch."
An diesem Nachmittag liegt der See wie gebügelt da, Zeit für gepflegten Müßiggang. Man liest auf dem Sonnendeck, hält Mittagsschlaf in der Kabine oder kühlt sich im Minipool ab. Bis ein Ruf die dösige Ruhe zerreißt: "Elefanten!"
Flugs werden Kühlboxen ins Beiboot verladen und es geht hinüber zu Spurwing Island, wo sich schon ein halbes Dutzend Hausboote versammelt hat. Am Nachmittag kämen die Elefanten oft an den See, erklärt Duville, zum Trinken, für ein Schlammbad oder um sich abzuduschen. Im goldenen Abendlicht rupft ein Bulle frisches Gras am Ufer, hinter ihm äsen zwei Impalas, in den Bäumen sitzen Marabu-Störche. Und natürlich dümpeln auch ein paar Krokodile im seichten Wasser. Fehlt nur der Gin Tonic zum Sonnenuntergang - ah, da ist er.
"Im Süden des Sees jagen die Menschen noch immer Krokodile", erzählt Kapitän Litaba am nächsten Morgen. "Touristen müssen dafür nur eine Lizenz kaufen." Genauso wie für die Jagd auf Elefanten oder sogar Leoparden. Er selbst habe mit einem russischen Gast ein fünf Meter langes Krokodil erlegt. Aber hier, im Matusadona-Nationalpark, seien die Wildtiere geschützt.
Das Beiboot landet am Ufer, zum ersten Mal seit zwei Tagen geht man wieder auf festem Grund. Allerdings nur ein paar Schritte, die Geländewagen warten schon. Die Pirschfahrt beginnt im Mopane-Wald, der hier nur mannshoch wächst. Den Grund sieht man nach wenigen Minuten: Eine Elefanten-Kleinfamilie trottet auf den Geländewagen zu. Das Kalb drängt sich unter die Stoßzähne seiner Mutter, dahinter passt die Matriarchin auf.
2000 Elefanten lebten im Nationalpark, erklärt der Safariguide Cliffy Mandu, sie stutzen regelmäßig die Mopane. Die meisten streifen durch das wilde Hügelland, das für Touristen tabu ist. Zu sehen bekommt man dennoch genug. Denn viele Tiere bevorzugen den offenen Uferstreifen - ein Biotop aus Menschenhand.
Parallel zum Dammbau ließ die Regierung Rhodesiens ihn roden, um Fischgründe zu schaffen. Bulldozer schwangen Stahlkugeln, dahinter hackten Männer mit Äxten den Busch nieder. Heute wächst hier saftiges Torpedogras, das wunderbar mit den dunkelgrünen Indigosträuchern, dem Rot der Erde und dem Dunkelblau des Sees kontrastiert. Überall grasen Impalas, aufgeschreckt vom Wagen hetzen sie in weiten Strecksprüngen über die Straße. Zebras spähen misstrauisch herüber und traben sicherheitshalber davon. Die Tiere sind nicht so an Touristen gewöhnt wie in anderen afrikanischen Nationalparks, eine Jeep-Rudelbildung ist hier selten.
"Es gibt nur drei Lodges hier", sagt Cliffy Mandu, eine vierte werde gerade renoviert und soll bald wieder öffnen. In den Neunzigerjahren kamen viele Touristen, das sonnige Kariba galt als Riviera Simbabwes. "Aber nach 9/11 ging es nur noch bergab", sagt Mandu. Jetzt sei es immer noch sehr ruhig. "Aber langsam", glaubt er, "wird es besser." Auch, weil die Reeder im fernen Europa schon von einem zweiten Boot auf dem See träumen.