Süddeutsche Zeitung

Einmal im Leben:Shibuya Crossing

Verewigt in Filmen wie "Lost in Translation": Warum es ein Glücksgefühl auslösen kann, über eine der größten Straßenkreuzungen der Welt in Tokio zu gehen.

Von Laura Weißmüller

Diese pure Euphorie, wenn die Ampeln auf Grün schalten und die Choreographie beginnt: Von allen Seiten laufen Hunderte Menschen auf der Shibuya-Kreuzung aufeinander zu, durchaus zügig, aber auf keinen Fall hektisch oder aggressiv. Tatsächlich scheinen die Passanten auf der Tokioter Straßenkreuzung, die mit bis zu einer Viertelmillion Menschen pro Tag zu den größten der Welt gehört, wie von unsichtbaren Fäden geleitet zu werden. Kaum, dass sich zwei Körper berühren, geschweige denn, dass es zu einer Rempelei oder gar einem Zusammenstoß kommt. Wie in einem gigantischen Fischschwarm strömen die Menschen aneinander vorbei, dicht an dicht und doch jeder für sich.

Vermutlich ist es das, was Stadtliebhaber an der bekanntesten Kreuzung der Welt so begeistert und was einen Soziologen wie Richard Sennett zu der These verleitet, dass ein Leben in Städten Menschen demokratischer werden lässt. Weil die Menschen sich dort ohne Worte scheinbar mühelos verständigen und miteinander arrangieren. Wobei man dazu sagen muss, dass es tatsächlich kaum der Anstrengung bedarf, seinen Weg über einen der Zebrastreifen in dem Stadtteil Shibuya zu finden - anders als etwa in Rom, wo es einen gewissen Todesmut braucht, um eine Straße zu überqueren. Das liegt vor allem daran, dass es in Tokio, verglichen mit der Einwohnerzahl, kaum Privatautos gibt.

Wer hier ein Auto haben will, muss nachweisen, dass er einen Parkplatz hat, was sich kaum jemand leisten kann. Das hat den angenehmen Effekt, dass es nicht wirklich laut ist. Außerdem ist selbst an der Shibuya-Kreuzung der nächste Park oder kleine Schrein nicht weit entfernt. Nach dem Großstadt-Kick lässt sich der Puls dort schnell wieder runterbekommen.

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