Süddeutsche Zeitung

Sextourismus:Suche nach den Chicas

Eines der größten Probleme in der Dominikanischen Republik ist der Kindersextourismus. Bekämpft wird er viel zu zaghaft.

Hans Gasser und Sebastian Erb

Als Ende der Neunziger Jahre eine Mitarbeiterin der dominikanischen Kinderschutzorganisation Mais erstmals öffentlich von Kinderprostitution und Tourismus in der Dominikanischen Republik sprach, da wurde das gar nicht gern gehört von offizieller Seite. Auf der Rückkehr aus Italien wurde ihr erst die Einreise verweigert und dann massiv Druck ausgeübt auf sie und ihren Verein. Der Tourismusminister leugnete, dass es so etwas in seinem Land überhaupt gebe.

Derselbe Minister ist seit 2004 wieder im Amt und präsentiert sein Land nun auf der ITB als einen einzigen Urlaubstraum. Man will weg vom Ruf des Billigurlaubsziels, lässt Luxushotels statt All-Inclusive-Anlagen bauen und wirbt mit Ökotourismus-Projekten.

Ob sich aber durch solche Imagekampagnen das Problem des Kindesmissbrauchs durch Touristen eindämmen lässt, ist fraglich. Täter gebe es in jeder Hotelpreisklasse, sagt Mechthild Maurer, Vorsitzende des Vereins Ecpat, der sich gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern durch Touristen einsetzt. Zur Situation in der Dominikanisdchen Republik spricht sie von einem ,,Desaster'', allerdings habe sich in den vergangenen Jahren einiges zum Besseren verändert. Das Thema werde nun nicht mehr völlig tabuisiert, das Tourismusministerium habe sogar eine Kampagne initiiert und biete nun in allen Regionen eintägige Informationsveranstaltungen für touristische Dienstleister wie Taxi- oder Busfahrer an. Dort sollen diese dafür sensibilisiert werden, nicht wegzuschauen, wenn sie ausländische Männer mit einheimischen Kindern sehen.

Der Staat sei aber nach wie vor sehr zurückhaltend bei der Bekämpfung des Problems, sagt Luis Mendes, der für die Ecpat-Partnerorganisation Mais in Puerto Plata arbeitet. ,,Dabei ist doch gerade der Staat in der Verantwortung''. Es werde zwar viel geredet, es gebe alle möglichen neuen Gesetze. ,,Aber diese werden schlichtweg oft nicht eingehalten''.

Es sei in jedem Fall ein großer Schritt gewesen, dass man das Tourismussekretariat der Insel, Staatsanwälte, Tourismuspolizei und Agenturen 2006 zur Teilnahme an einem Workshop bewegen habe können, sagt Brigitte Binder. Für den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) hat sie im vergangenen Dezember überprüft, ob dem Workshop auch Taten gefolgt sind.

Es zeigte sich, dass das Interesse an der Aufklärungsarbeit zunimmt. Ein nationaler Verband der Incoming-Agenturen organisierte mehrere Veranstaltungen für Reiseleiter, Taxi- und Busfahrer, um sie ,,gegen das verbreitete Wegsehen'' und für den Kinderschutz zu gewinnen. Hotels und Reiseagenturen fragten in letzter Zeit verstärkt Schulungen für ihre Mitarbeiter nach, sagt auch Mais-Mitarbeiter Mendes. ,,Das Problembewusstsein ist gestiegen.'' Prostitution ist nicht legal in der Dominikanischen Republik, wird aber toleriert. Und Sextourismus ist dort nach wie vor ein großes Thema. Europäische und amerikanische Männer aber auch Frauen fahren gezielt an dafür bekannte Orte wie Boca Chica, Sosua oder Puerto Plata, um in ihrem Urlaub Sex gegen Bezahlung mit einheimischen Prostituierten zu haben.

In einschlägigen Internetforen kann man lesen, dass etwa in manchen Straßen Sosuas der Tourist kaum durchkomme, weil Huren sich sehr nachdrücklich anböten. Solche Orte, sagt Binder, würden mittlerweile von Familien gemieden. Die Hoteliers begännen langsam, etwas dagegen zu unternehmen. Die Veranlassung dafür ist allerdings nicht sehr groß, da viele und wohl auch viele Mächtige auf der Insel gutes Geld damit verdienen. 20 Prozent trägt der Tourismus zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei, knapp vier Millionen Touristen kommen pro Jahr, etwa 230.000 sind es aus Deutschland.

Die Nachfrage nach Sex mit Kindern, der natürlich auch in der Dominikanischen Republik strafbar ist, hat laut Mais-Mitarbeiter Mendes in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht abgenommen. Ein Problem seien dabei manche der sogenannten Residentials, sagt Brigitte Binder, also Deutsche oder Amerikaner, die für längere Zeit dort wohnen und beide Sprachen beherrschen. Sie knüpften die Kontakte, beschafften Ferienwohnungen, die sich, anders als Hotels, der Kontrolle entziehen, das reiche bis zu regelrechten Hinterhofbordellen, die von deutschen Rentnern betrieben werden.

Die Strafverfolgung und die Beweisführung sind schwierig, weil die Kinder als Zeugen oft Angst haben und nicht wenige Polizisten gegen Schmiergeld beide Augen zudrücken. Seit Dezember 2007 gibt es nun einen Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes in der deutschen Botschaft. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden soll er Hilfe bei der Strafverfolgung deutscher Verdächtiger leisten. In den vergangenen Jahren gab es zwar einige Anzeigen, aber bisher noch keine Verurteilung.

Im Mai wird es Wahlen geben in der Dominikanischen Republik. Zwar hoffe man es nicht, es könne jedoch sein, sagt Binder, dass danach die erreichten Fortschritte wieder hinfällig seien. Luis Mendes ist grundsätzlich skeptisch: Wenn die Bildungschancen sich nicht verbessern und die ärmste Bevölkerung nicht mehr am wirtschaftlichen Ertrag beteiligt wird, ,,dann bleibt das Problem bestehen oder verschlimmert sich sogar''.

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SZ vom 6.3.2008
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