Jochen Bölsche hört manchmal Stimmen. Sie kommen aus der Tourismusbranche, von professionellen Stadt- und Land-Vermarktern, die scheinbar ein Problem damit haben, dass er und andere Ehrenamtliche die Deutsche Fährstraße mit gewissem Erfolg auf den Markt des Reiseverkehrs gebracht haben.
"Medienblase", spotten die Stimmen und führen diese auf Bölsches Vergangenheit als Redakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zurück, weil Bölsche deshalb ja sicher Gott und die Welt in der Medienbranche kenne. Bölsche widerspricht höflich und kann nicht ausschließen, dass die Stimmen auch etwas mit Missgunst zu tun haben.
Die Fährstraße ist in manchen Ranglisten schon unter den drei schönsten Straßen Deutschlands platziert gewesen. Dabei windet sie sich teilweise durch Landstriche, die lange kaum einer kannte, und besteht erst seit 2004. Sie ist der Emporkömmling unter den Ferienstraßen. Kein Wunder eigentlich, dass das Establishment die Brauen hebt.
Die Menschen hier wollten sich nicht damit abfinden, in einem verkannten Gebiet zu leben
Überflüssig ist es trotzdem. Denn derzeit weist wenig darauf hin, dass die Deutsche Fährstraße, die entlang dem Fluss Oste und dem Nord-Ostsee-Kanal von Bremervörde nach Kiel führt, mit ihrer Beliebtheit alle anderen Tourismus-Regionen in den Schatten stellt.
Ferienstraßen sind Themenrouten für radelnde oder sonst wie fahrende Touristen im Hinterland, rund 150 gibt es davon in Deutschland. Die Fährstraße ist die jüngste, und daraus kann man schon ableiten, dass sie als Marke noch nicht so tief drin ist im Bewusstsein der Deutschland-Reisenden wie zum Beispiel die Deutsche Weinstraße in der Pfalz oder die Romantische Straße in Bayern.
Mit wohlwollendem Interesse müsste die Tourismusbranche im Grunde auf die Fährstraße und ihre Macher schauen. Denn sie ist weder ein Erbe von früher noch ein PR-Konzept von gewinnorientierten Freizeit-Verkäufern. Die Fährstraße ist in den Köpfen von Anrainern der Oste entstanden. Als eine Art Rebellion gegen den Abbau lokaler Kulturgebäude und die fortschreitende Unbekanntheit ihrer schönen Region.
Dass es so etwas noch gibt im umkämpften Geschäft um die Urlauber: Nicht glatte Marketender haben hier eine Ferienlandschaft vom Reißbrett entworfen. Sondern Normalmenschen aus der Nachbarschaft wollten sich einfach nicht damit abfinden, in einem strukturschwachen, verkannten Gebiet zu leben, fassten einen Plan und setzten ihn um. Jochen Bölsche sagt: "Das ist eine Bürgerbewegung."