Seltsame Klagen von Reisenden:"Vernachlässigt wegen einer Behinderten"

Ein Ehepaar bucht eine Reise für 9990 Euro - und klagt auf Entschädigung, weil eine behinderte Frau ebenfalls dabei war und sich die Reiseleiterin so aufopferungsvoll um die beinahe Blinde im Rollstuhl kümmerte.

Ekkehard Müller-Jentsch

Eine Behinderte in der Reisegruppe - aus Sicht eines Münchner Ehepaares ist das ein erheblicher "Mangel". Deshalb verlangten die Pauschalurlauber einen Teil des Reisepreises zurück. Doch vor dem Münchner Amtsgericht hatten sie mit dieser rigorosen Forderung keine Chance: Ein Reiseunternehmen habe keinesfalls die Pflicht, nur Nichtbehinderte bei einer Rundreise mitfahren zu lassen, stellte die Richterin fest. "Der Umstand, dass manche Menschen eine intensivere Betreuung durch die Reiseleitung notwendig machen, ist kein Reisemangel."

Die Eheleute hatten bei dem Münchner Veranstalter für den November 2010 eine drei Wochen dauernde Studienreise nach Südafrika gebucht. Und mit 9990 Euro war diese nicht gerade billig. Zumal der Trip offenbar auch nicht gut startete: Schon der Hinflug verzögerte sich um fast fünf Stunden, sodass ein erster geplanter Ausflug auf den nächsten Tag verschoben werden musste. Sicherlich zu Recht verärgert waren die Münchner Eheleute auch über das Hotel, in dem die Reisegruppe in Kapstadt die ersten drei Nächte verbrachte - das Badezimmer dort wies ekligen Schimmelbefall auf. Und obendrein hatte der Reisebus auf der Weiterfahrt nach Pretoria noch eine Panne, wodurch die Stadtbesichtigung im Eiltempo von nur 30 Minuten absolviert werden musste.

Darüber hatten sich die Münchner nach ihrer Rückkehr beschwert und als Entschädigung von dem Reiseunternehmen 285 Euro erstattet und zudem einen Reisegutschein über 200 Euro zugeschickt bekommen.

Damit waren sie aber nicht zufrieden, deshalb reichte die Ehefrau Klage vor dem Amtsgericht ein. Dort verlangte sie weitere 714 Euro vom Reisepreis zurück. Diese Forderung untermauerten sie mit der Behauptung, dass die ansonsten gute Reiseleiterin übermäßig mit einer angeblich schwerstbehinderten, beinahe blinden Mitreisenden beschäftigt und dadurch "weniger präsent" gewesen sei.

Aus Sicht der Kläger ist das Reiseunternehmen allein dafür verantwortlich, nur Gäste mitzunehmen, die eine solche Fernreise entweder selbständig oder aber mit einer Betreuungsperson bewältigen können. Jedenfalls dürfe der zeitliche Ablauf einer strapaziösen und teuren Studienreise nicht durch aufwendige Betreuungsleistungen durch die Reiseleitung behindert und verzögert werden.

Die Amtsrichterin wies diese Klage ab: Soweit berechtigte Mängelansprüche bestanden hätten, wie etwa durch das schimmelige Bad oder die gravierende Flugverspätung, habe der Reiseveranstalter durch seine Zahlung bereits ausreichend Ausgleich gewährt, meinte sie.

Wenn die Kundin jedoch glaube, dass ihr auch Geldansprüche zustehen würden, weil sich die Reiseleiterin mehr um eine behinderte Mitreisende kümmern musste, "dann ist diese Meinung bereits im Ansatz verfehlt". Es liege nur ein Mangel vor, wenn die erbrachte Leistung von den Angaben im Reisevertrag abweiche. "Die Klägerin soll sich daran erfreuen, dass sie nicht behindert ist", sagte die Richterin, "und sich nicht darüber beschweren, dass es auch behinderte Menschen gibt, die ebenfalls an Reisen teilnehmen wollen und eine intensivere Betreuung benötigen". Im Übrigen sei auch die Buspanne kein Mangel, sondern eine im Rahmen einer Rundreise hinzunehmende Unannehmlichkeit. Das Urteil (Az.: 223 C 17592/11) ist rechtskräftig.

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