Sehenswürdigkeiten und Timing:Da war doch was

Sehenswürdigkeiten und Timing: Das "Azure Window" von Malta ist Vergangenheit - auf Acaill dagegen kam ein Strand zurück.

Das "Azure Window" von Malta ist Vergangenheit - auf Acaill dagegen kam ein Strand zurück.

(Foto: zlikovec/Fotolia; Bearbeitung SZ(l); Reuters)

Ein Wahrzeichen stürzt ins Meer, anderswo taucht ein Strand unverhofft wieder auf: Sehenswürdigkeiten sind auch eine Frage des Timings. Wo Reisende gerade tapfer sein müssen - und wo das Warten ein Ende hat.

Von Irene Helmes

Wer rechnet auch mit so etwas. Ein Sandstrand, der vor Jahrzehnten vom Meer fortgeschwemmt wurde, ist eines Tages plötzlich wieder da. Umgekehrt steht seit Menschengedenken ein Wahrzeichen in der Landschaft, verziert Postkarten und Kühlschrankmagneten - und dann ist es einfach weg.

Beides so geschehen in diesem Frühling in Irland beziehungsweise Malta.

Auf der westirischen Insel Acaill hatten viele längst vergessen, dass bis zu einem verheerenden Sturm 1984 ein langer Sandstrand den Ort Dooagh schmückte. 2017 nun warf an Ostern eine Flutwelle so viel Sand zurück auf die nackten Felsen, dass sich Einwohner und Gäste seither über einen neuen und doch altbekannten Anblick freuen können. Auf der maltesischen Insel Gozo wiederum riss im März ein Unwetter das "Azure Window" unwiederbringlich in die Fluten. Dieses war spätestens als Kulisse von Game of Thrones weltberühmt. Übrig bleibt eine wunderschöne, aber ohne sein Vorzeige-Naturwunder plötzlich recht normale Felsküste.

Solche Streiche der Natur sind selten - regelmäßig überrascht werden Reisende trotzdem. Wenn an Ort und Stelle einiges anders aussieht als auf Fotos, dann meist aus ganz banalen Gründen. Dann verdeckt eine Bauplane die berühmte Kirche, ein Gerüst ruiniert das erhoffte Panorama oder schon die Zufahrt zum Gelände ist weiträumig abgesperrt.

Umgekehrt wird nach Restaurierungen und Neubauten eröffnet, was das Zeug hält. Vollständig den Überblick zu behalten ist unmöglich - hier wenigstens eine kleine Auswahl:

Geduld bitte: Ausgeknipst, zugedeckt, verschlossen

London etwa knipst am Piccadilly Circus bis Ende 2017 die berühmte Leuchtreklame aus. Nach mehr als 100 Jahren der überdimensionalen Werbung wurde es Zeit für Erneuerungsarbeiten. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, so betonte die BBC, gehen damit an dem Platz für längere Zeit die bunten Lichter aus.

An Indiens legendärem Taj Mahal wird seit geraumer Zeit gearbeitet. Unter anderem stehen gigantische "Schlammpackungen" auf dem Beauty-Programm, damit das riesige Mausoleum wieder besser zur Geltung kommt. Gerüste an den Minaretten waren zuletzt deutlich zu sehen. Nach mehreren Verzögerungen soll auch die große Kuppel ab Ende 2017 ein Gerüst bekommen. Schon im Vorfeld klagten indische Medien und Reiseveranstalter über die Unannehmlichkeiten für Touristen, die dann voraussichtlich ein Jahr lang keine attraktive Kulisse für ihre Selfies vorfinden werden.

The Taj Mahal is reflected in a puddle in Agra

Schon im August 2016 war das Taj Mahal nicht mehr ohne Gerüste zu sehen.

(Foto: REUTERS)

Bereits seit April verdeckt ein Gerüst zumindest teilweise eine der meistfotografierten Sehenswürdigkeiten von Prag: das Altstädter Rathaus. Die Arbeiten sollen bis September 2018, pünktlich zur 100-jährigen Unabhängigkeit der Tschechen, beendet werden. Als Trost für Besucher wird die berühmte Astronomische Uhr noch bis kommenden Januar sichtbar gehalten - dann muss auch sie für einige Monate zur Generalüberholung.

Auch in Deutschland werkeln Denkmalschützer bekanntlich unermüdlich, um Kulturschätze zu erhalten. Die Sanierungsarbeiten an der Münchner Theatinerkirche etwa dauern wohl noch bis zum Frühjahr 2019, schon jetzt schält sich aber die berühmte gelbe Fassade wieder aus ihren Verkleidungen. Ebenfalls mehrere Jahre dauert die Restaurierung der Venusgrotte bei Schloss Linderhof - diese bleibt voraussichtlich bis 2021 geschlossen. Sogar noch ein knappes Jahrzehnt lang werden Berlin-Besucher wohl oder übel an riesigen Baustellen beobachten können, wie die Museumsinsel nach einem "Masterplan" gestaltet wird. Nur eines von diversen Großprojekten, mit denen Reisende in jeder Metropole rechnen müssen.

Alles kein Grund, Reisepläne zu ändern - für manche sogar die Chance, sich von vermeintlichen Must-sees zu lösen und weniger bekannte Ecken zu erkunden. In jedem Fall sollten sich Touristen mit dem Lamentieren zurückhalten, denn was heute nicht restauriert wird, wird bald kein Hingucker mehr sein.

Und während es sich oft um normale Instandhaltung handelt, muss man manche Maßnahmen als schlichte Notwehr verstehen. Thailand etwa, das wurde Ende April bekannt, erwägt eine Schließung der berühmten Maya Bay auf Ko Phi Phi in einigen Monaten der Nebensaison, womöglich zwischen Juli und September. Zu sehr, so erkennen dort Verantwortliche, leidet die Natur spätestens seit dem Film "The Beach" unter dem Ansturm der Touristen, zu sehr trägt der Bootsverkehr zur Korallenbleiche bei.

Aber für jede Türe, die sich schließt, öffnet sich eine andere, heißt es doch. So stehen den Sperrungen auch viele (Wieder-) Eröffnungen gegenüber:

Geschafft: (Wieder-)Eröffnungen

Pünktlich zu Ostern fertiggestellt wurden zum Beispiel die Arbeiten an der Grabkapelle in Jerusalem. Sie kann nun wieder ohne Eisenkorsett in der Grabeskirche stehen. Bis Juli sollen auch die restaurierten Mosaike und Goldwände der Geburtskirche von allen Absperrungen befreit werden - alleine mehr als 1,1 Millionen Mosaiksteinchen wurden dort in jahrelanger Kleinstarbeit gereinigt.

Kunstbegeisterte können sich in dieser Saison zum Beispiel nach Florenz aufmachen. Dort ist das Gemälde "Anbetung der Könige aus dem Morgenland" von Leonardo Da Vinci wieder in den Uffizien ausgestellt - nach stolzen fünfeinhalb Jahren der Restaurierung.

Wie nahe Alt und Neu, Restaurierung und Modernisierung zusammenhängen, führt auf besondere Art eine neue U-Bahnstation in Rom vor Augen. Zehn statt der erhofften vier Jahre dauerte es, bis die Haltestelle San Giovanni fertig war. Vor allem, weil unterwegs im Untergrund so viel Historisches ausgegraben wurde - und diese Funde werden nun in der ersten musealen Metro-Station der italienischen Hauptstadt zur Sehenswürdigkeit.

In Deutschland ist 2017 manches zum ersten Mal seit Generationen wieder in voller Pracht zu sehen. Das Wasser im "Schönen Brunnen" auf dem Nürnberger Hauptmarkt etwa sprudelte Ende April erstmals seit mehreren Jahrzehnten wieder. Zwei volle Jahrhunderte vergingen sogar, bis die Welterbestätte Schloss Wörlitz in Sachsen-Anhalt wieder komplett zugänglich wurde. Nun können Menschen erstmals seit Königs Zeiten durch alle Stockwerke des "Gründungsbaus des deutschen Klassizismus" spazieren.

Wer erst einmal anfängt, darauf zu achten, sieht es bald überall frisch blitzen und blinken: Verkündet wurde zuletzt in Deutschland unter anderem die Rückkehr einer besonders prunkvollen, restaurierten Barock-Uhr in Schloss Sanssouci oder auch die erfolgreiche Restaurierung der Schwind-Fresken auf der Wartburg. Für sich genommen alles nur für Liebhaber aufregend - ingesamt aber ein Zeichen dafür, dass es sich lohnt, auch bei vermeintlich altbekannten Zielen auf Neuigkeiten zu achten.

Wie sehr sich Restaurierungen auszahlen, zeigte kürzlich auch eine Meldung aus Rom mit dem Titel "Goldgrube Trevi-Brunnen - Touristen werfen 1,4 Millionen hinein". Denn, wie weiter zu erfahren war: Im Jahr 2013, bevor der Barock-Brunnen für Renovierungen geschlossen wurde, waren es vergleichsweise schlappe 1,2 Millionen Euro, die wohltätigen Zwecken zugute kamen. Neben dem verstärkten Münz-Segen fischten die Brunnenpfleger 2016 zudem "zwei Gebisse und zahlreiche Sonnenbrillen" aus dem Becken. Da hat sich die Denkmalpflege doch wirklich gelohnt.

Mit Material von dpa und AFP

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