Segeln vor Ko Samui in Thailand:Bleiben oder nicht bleiben

Die Insel Ko Samui im Golf von Thailand ist ein Ziel der Massen. Ihnen kann man am besten beim Segeln entfliehen - und steuert Strände an, die aussehen wie auf der Fototapete. Ein Paradies, wenn die Wellen nicht wären.

Von Sebastian Beck

Eines stellt Miguel gleich zu Beginn klar: Das Wichtigste an Bord einer Yacht sind nicht etwa die Segel oder der Kompass. Diesel im Tank, Bier im Kühlschrank - auch ganz nett. Entscheidend aber ist die Bordtoilette. Ein filigranes System aus Schläuchen und einer Handpumpe. Wer da was reinwirft, was nicht reingehört, der darf sie auch zerlegen und reinigen, droht Miguel, der sonst mehr so der lockere Typ ist. Aber beim Klo, da hört der Spaß auf.

Segeln in Thailand - Weg mit Wellen

Insel-Tour von Strand zu Strand im Golf von Thailand.

Nachdem das also geklärt ist, kann das Abenteuer losgehen. Eine elegante 44-Fuß-Yacht namens Lychee, drei bleiche Nichtsegler aus Deutschland und Skipper Miguel Magalhaes, ein 30-jähriger Portugiese, von Beruf Architekt, den seine Leidenschaft fürs Meer nach Südostasien verschlagen hat. Er erinnert ein wenig an seinen Landsmann, den Seefahrer Vasco da Gama, der im 15. Jahrhundert als Erster das Kap der Guten Hoffnung umschiffte: hagere Gestalt, zerzaustes Haar, verwegener Bart. Seine Handgriffe sitzen. Das schafft Vertrauen, vor allem, wenn man selbst Steuer- und Backbord nicht wirklich unterscheiden kann.

Leider fehlt das Zweitwichtigste beim Segeln: der Wind. Deshalb tuckert die Lychee mit Motorantrieb hinaus in den Golf von Thailand. Der Himmel spannt sich graublau übers Meer, das so ruhig wie der Starnberger See vor sich hin döst. Im Dunst zeichnen sich die Umrisse einiger Inseln ab: der Ang Thong National Park, knapp 40 Kilometer westlich vom Yachthafen auf Ko Samui.

In den 1980er-Jahren war Ko Samui ein Reiseziel für Rucksacktouristen, Kiffer und sonstige Aussteiger. Eine zwölf Meter hohe Buddhastatue grüßt die Ankommenden immer noch unweit der Einflugschneise mit tiefenentspanntem Lächeln. Inzwischen aber hat der Massentourismus die Insel überzogen - und mit ihm die Gleichmacherei. Wer nach zwölf Stunden Flug auf der hässlichen Küstenstraße im Dauerstau steckt, der fragt sich: Wäre Kroatien nicht auch ganz nett? Oder der Bodensee?

Da ist es zwar nicht ganz billig, aber doch sehr praktisch, wenn man auf einer gecharterten Yacht unterwegs ist und mit ihr entlegene Regionen ansteuern kann. Ein Insel-Hopping in flachen Gewässern mit Schnorcheln, Kajakausflügen im Sonnenuntergang, Schwimmpausen und Abendessen in Restaurants am Strand, in denen man zwischen drei Curry-Varianten wählen kann: sehr scharf, extrem scharf und echt thailändisch scharf.

Fünf Tage dauert die kleine Rundreise unter dem Kommando von Miguel. Er gehört der Generation der iSkipper an: Während das Schiff Kurs auf den Nationalpark hält, ist er ganz mit seinem Smartphone beschäftigt: Die Navigationssoftware zeigt metergenau Position und Wassertiefe an, zugleich kann man Musik hören und mit der Angebeteten auf Whatsapp flirten.

Nach zwölf Stunden Flug stehen Neuankömmlinge erst einmal im Stau. Der Buddha lächelt

Beim Manövrieren durch felsige Passagen setzt aber auch Miguel lieber auf das menschliche Auge und schickt einen seiner drei Hilfsmatrosen nach vorne an den Bug. Die Charterfirma mag es nicht, wenn man ihre Schiffe versenkt, hier im Ang Thong National Park mit seinen 42 Mini-Inseln. Die Landschaft könnte auch als Kulisse für einen Dinosaurierfilm herhalten.

Es wirkt geradezu surreal, wie die Kalksteinfelsen aus dem Wasser aufragen, bedeckt von dichtem Trockenwald, in dem Languren, schlanke Affen, herumturnen. Seit 1980 stehen die Inseln und das sie umgebende Meer unter Naturschutz.

Tagsüber kommen die Ausflugsschiffe von Ko Samui herüber und setzen die Touristen am Treppenaufgang ab, der zum türkisfarbenen Thale-Nai-See im Inneren einer der Inseln hinaufführt. Vergleichsweise beschwerlich ist der Aufstieg zum Aussichtspunkt in 200 Metern Höhe auf der Nachbarinsel. Von hier aber bietet sich ein Panoramablick über den Archipel - atemberaubend in jeder Hinsicht. Die perfekte Thailand-Postkarte. Und dort der Punkt ganz unten in der Bucht: die Lychee.

Leider ist so ein Yachturlaub eine sehr schaukelige Angelegenheit. Als Landmensch lernt man von Skipper Miguel: Nicht nur auf die Höhe der Wellen kommt es an, sondern auf deren Frequenz. In dieser Nacht ist die Frequenz offensichtlich ganz auf maximales Schlingern programmiert worden.

Wie auf dem Oktoberfest, nur nicht so schön. Oder genauso schlimm

Die Wellen formen eine sanfte, lang gestreckte Hügellandschaft auf der Wasseroberfläche. Es ist windstill in der Bucht. Die Schatten der Berge zeichnen sich gegen den Sternenhimmel ab. Weit draußen glimmen die Scheinwerfer der Fischerboote. Im Wasser treibt fluoreszierendes Plankton: Jede Bewegung der Hand hinterlässt eine Leuchtspur, was ziemlich außerirdisch aussieht.

Es ist eine Nacht, theoretisch wie geschaffen für Liebeserklärungen, jedenfalls wenn man am nahen Palmenstrand zu zweit im Sand säße. An Bord aber geht es weniger romantisch zu: Die drei Passagiere torkeln herum wie nach vier Maß Bier auf dem Oktoberfest, auch Kopf und Magen fühlen sich danach an.

Segeln vor Ko Samui in Thailand: undefined

Streckt man sich auf der Matratze in der Kajüte aus - sie erinnert an die alten Schlafwagenabteile der Deutschen Bahn - dann spürt man das Heben und Senken erst so richtig und wird auf sehr ungute Weise eins mit der Natur. Zum Glück gibt es Tabletten gegen Seekrankheit, die zwar nicht die Übelkeit beseitigen, aber eine gewisse Willenlosigkeit und Wurstigkeit hervorrufen.

Man wäre jetzt gerne ein cooler Kerl wie Miguel und keine sonnenverbrannte Büroqualle. Er hat es sich mit Smartphone und Bettzeug auf dem Achterdeck bequem gemacht. Für den Jammerer hält er nur einen Satz parat: "Nun, das ist Segeln. Da gibt es Wellen." Im November und Dezember kann es hier sogar richtig stürmisch und regnerisch werden. Windstärke neun war das Höchste, was Miguel in seinem halben Jahr als Skipper im Segelrevier von Ko Samui erlebt hat.

Auf Wettervorhersagen ist in den Tropen kein Verlass: Ihre Genauigkeit liegt bei 50 Prozent - entweder kommt Wind auf oder nicht. An diesen Tagen herrscht Flaute, so dieselt die Yacht weiter durchs glatt gezogene Meer, die Segel in den Persennings verstaut, was ein wenig traurig aussieht.

Wer viel Zeit hat, der bleibt mit seinem Boot in den Buchten vor Anker liegen, wie das Ehepaar aus Portsmouth in Großbritannien vor Ko Tao. Die beiden sind seit 42 Jahren verheiratet. Sie wäscht, er sucht nach seinen Klamotten - Segleralltag. Zusammen haben sie auf gecharterten Schiffen schon die ganze Welt gesehen, aber diese Gegend ist etwas ganz Besonderes, da sind sie sich einig: Im Gegensatz zur Karibik wird man in Thailand nicht dauernd von fliegenden Händlern belästigt. Es herrscht buddhistische Gelassenheit: "Die Leute sind so freundlich hier."

Wenn man denn überhaupt Einheimische zu Gesicht bekommt. Die Inseln im Golf von Thailand sind mit Ausnahme von Ko Samui nur dünn besiedelt. Bangkok mit seinen acht Millionen Einwohnern, die politischen Unruhen im Land, der Rest der Welt - all das erscheint weit weg. Selbst die Tropenstrände wirken fototapetenhaft.

Aber genau deshalb ziehen sie immer wieder Europäer an. Manche enden eher tragisch, wie jener Engländer, der abends am Strand von Ko Phangan in einer Art Indianerkostüm herumsitzt und die Saiten seiner verstimmten Gitarre zupft. Was er macht? Woher er kommt? Das kann der Alt-Hippie auch nicht mehr so genau sagen.

Informationen

Anreise: Flug mit Thai Airways von Frankfurt oder München über Bangkok oder direkt nach Ko Samui, hin und zurück ab 1048 Euro, www.thaiairways.com

Yachtcharter: Bei Sunsail Yachtcharter kostet eine Yacht für zehn Personen in dieser Saison ab 3745 Euro pro Woche. Wer selbst keinen Segelschein besitzt, kann einen Skipper für 195 Euro pro Tag anheuern, Sunsail, c/o Mariner Travel GmbH, Theodor-Heuss-Str. 53-63, Eingang B, 61118 Bad Vilbel Tel.: 06101/55 79 15 66, www.sunsail.de

Weitere Auskünfte: Zu Thailand allgemein: www.thailandtourismus.de; zum Nationalpark: www.ang-thong.com

Andi aus Wien hat es viel besser erwischt: Im Zorro-Shirt steht er hinter dem Tresen seiner Strandkneipe. Seit zehn Jahren lebt er in Thailand. In den Ästen hängen Lampions, seine Gäste lümmeln mit ihren Drinks auf Kissen im Sand. Er schwärmt: "Der Lebensstil ist unglaublich. Es gibt hier einfach keinen Druck. Und zum guten Leben reicht auch wenig Geld." Zurück nach Österreich? Nein. Aber das Nachbarland Myanmar, das könnte ihn vielleicht noch locken. Irgendwann.

Man lernt schnell, wie man mit schräg gehaltenem Kopf duscht und sich nur leicht dabei verbrüht

Am dritten Tag der Seereise kräuselt sich die See. Schaumkronen zieren die Wellen. Ein leichte Brise kommt auf - endlich. Auch Miguel wirkt frisch belebt.

Er bittet einen seiner Hilfsmatrosen ans Steuerrad, damit er die Segel setzen kann. Und dann kommt der Moment: Der Wind fährt ins Großsegel und die Lychee neigt sich leicht zur Seite. Miguel stellt den Motor ab. Es wird mit einem Mal so still auf dem Meer. Nur das Wasser gurgelt an der Bordwand vorbei. Kaum fünf Knoten pro Stunde, das ist wenig, aber es vermittelt eine kleine Ahnung davon, was Segeln eigentlich bedeutet - und warum Skipper Miguel seit seinem zehnten Lebensjahr fast nichts anderes macht.

Im Sommer arbeitet er als Skipper an der Algarve im Atlantik. Dort ist die See rauer, es gibt keine einsamen Buchten, sondern überfüllte Yachthäfen. Aber egal, Hauptsache segeln. Und außerdem sieht er so aus, als ob er zwischendurch auch mal eine Pause an Land brauchen könnte. Das Leben als Schiffshausmeister mit dauernd wechselnden Gästen aus aller Welt kann ziemlich anstrengend sein: "Vieles ist nicht so glamourös, wie man denkt."

Nun gut, die Bordtoilette hat einwandfrei funktioniert. Nach ein paar Tagen macht es den Urlaubern durchaus Spaß, die 50 Meter lange Ankerkette herunterrasseln zu lassen. Man lernt schnell, wie man sich mit leicht schräg gehaltenem Kopf duscht und sich dabei nur leicht im Nacken verbrüht. Und ja, es kommt auch eine Tendenz zur Schmuddelei auf zwischen dauerfeuchten T-Shirts und nassen Handtüchern. Wie sieht man da wohl erst nach einer Pazifiküberquerung aus?

Von fern grüßt aber schon wieder der Buddha von Ko Samui. Flugzeuge rauschen über die Bucht. Fünf Tage sind zu kurz, um die Inseln auch nur halbwegs kennenzulernen. Sie sind das Paradies der Müßiggänger. Das Paar aus England dümpelt wahrscheinlich immer noch in der Bucht von Ko Tao, irgendwann muss der Wind doch kommen. Und was bleibt?

Die Erinnerung an eine phantastische Natur. Und ein Schwindelgefühl an Land, das einen noch Tage später, auf sanfte Weise, in den Schlaf schaukelt.

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