Schweizer Klettersteig:Nagelprobe am Pinut

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Für Bergsteiger ist der älteste noch bestehende Klettersteig der Schweiz keine große Herausforderung. Doch umso mehr werden die Nerven strapaziert.

Stefan Herbke

Der mächtige Flimserstein mit seinen senkrechten Wandabbrüchen und den eingelagerten Waldterrassen ist eines der unübersehbaren Wahrzeichen von Flims. Kaum zu glauben, dass hier bereits vor hundert Jahren ein erster Klettersteig gebaut wurde, der im Jahr 2007 zum Jubiläum frisch renoviert neu eröffnet wurde.

Almwirtschaft ist sicherlich auch heute noch harte Arbeit, doch gegenüber früheren Zeiten ein Traum. Auf der Suche nach geeigneten Wiesen für Heu machte man in Flims selbst vor den mitten in den riesigen Abbrüchen des Flimsersteins eingelagerten Terrassen nicht halt.

Belegt ist dies zumindest für den Pinut, einer mächtigen, heute komplett bewaldeten Terrasse auf halber Höhe des Flimsersteins, direkt oberhalb von Fidaz. Der erstmals 1739 schriftlich erwähnte Zustieg muss abenteuerlich gewesen sein, doch irgendwie fand man einen gangbaren Durchschlupf, um auf Pinut Heu zu machen, das schließlich in Bündeln über die Felswand geworfen wurde.

Durchstieg nur gegen Gebühr

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaufte Christian Meiler den Pinut. Allerdings nicht wegen der Wiesenflächen, sondern um eine touristische Attraktion zu schaffen. Gleich nach dem Kauf begann er mit dem Bau von Leitern für einen gesicherten Steig durch die Wand und mit einem Schreiben vom 20. Februar 1906 ersuchte er bei der Gemeinde um Erlaubnis, einen Aufstieg bis auf den Flimserstein erstellen zu dürfen.

Meiler plante, organisierte und finanzierte alles selbst. Nach dem Bau versperrte Christian Meiler einen engen Gang, der den einzigen Ausstieg aus der Höhle Richtung Pinut ermöglicht, mit einer Tür und einem Schloss. Gegen eine kleine Gebühr konnte man sich den Schlüssel im Tal holen und den Steig gehen. Viele waren es allerdings nicht, da kurz darauf der Erste Weltkrieg ausbrach.

Verfall und Rettung

Nach Christian Meilers Tod 1933 kümmerte sich der Kurverein Flims bis 1950 um die Instandhaltung des Pinut, doch danach geriet der Steig langsam in Vergessenheit. Das Tor stand offen, der Steig verfiel. Bis auf wenige Einheimische, die von der Durchstiegsmöglichkeit wussten, ging keiner mehr durch den Pinut und im Jahr 2005 wurde der Steig letztlich aus Sicherheitsgründen gesperrt.

Erste Überlegungen für eine Sanierung gab es bereits in den 90er Jahren, doch erst im Jahr 2006 war es soweit. Um die gefährliche Schlucht unter der Höhle zu umgehen, baute man einen neuen, spektakulären Zustieg, der die Wand hinter dem freistehenden Felsturm des Meilersteins quert.

Wie früher erleichtern Treppen und Stege das Steigen, so dass die technischen Schwierigkeiten des Steigs nicht allzu hoch sind. Umso mehr werden dafür die Nerven strapaziert, schließlich bewegt man sich äußerst exponiert durch die Wand.

Luftige und atemberaubende Tiefblicke sind die Regel, spannend geht es hinein in die Höhle und unter das Höhlendach, wo ein schmaler Gang hinaus führt in eine Rinne, durch die man schließlich den Pinut erreicht.

Hier führt ein Steig in Serpentinen hinauf zum nächsten Felsaufschwung, der ebenso luftig überwunden wird. Zeit zum Durchschnaufen bleibt allerdings keine. Nach dem zweiten Felsriegel führt der Steig steil über die nächste Waldterrasse zu einem letzten, kurzen Felsriegel, der hinauf führt auf die weiten Weideflächen des Flimsersteins. Dort gibt es reichlich Wiesenpolster zum Rasten, Schauen und Genießen, ehe man sich an den traumhaften Abstieg nach Bargis macht.

Info & Wissenswertes

Anfahrt: Mit dem Auto auf der A3/A13 nach Chur und weiter nach Flims. Da es in Fidaz kaum Parkmöglichkeiten gibt, sucht man sich besser in Flims einen Parkplatz und fährt mit dem Bus zur Haltestelle "Milchseilbahn".

Schwierigkeit: Eher leichter Klettersteig, dessen Schwierigkeiten in der ungewöhnlichen Ausgesetztheit liegen. Die Felsstufen werden durchwegs auf Leitern und Stegen überwunden, so dass der Pinut kein Klettersteig im herkömmlichen Sinn ist. Nur selten berührt man den Fels, stattdessen bewegt man sich fast ausschließlich auf Eisenleitern vorwärts. In den Felsstufen durchgehend mit Drahtseil gesichert. Klettersteigausrüstung und Steinschlaghelm sind erforderlich.

Ausführliche Infos zum Klettersteig gibt es hier.

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