Flexible Skipass-Preise:Heute leider teuer

File photo of skiers pictured on a chair lift with Matterhorn mountain at Sunnegga in the ski resort of Zermatt

Zermatt gehört zu den Skigebieten in der Schweiz, die flexible Preise eingeführt haben.

(Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Schweizer Skigebiete machen den Preis für den Skipass von der Nachfrage abhängig. Frühbucher profitieren, Familien haben das Nachsehen.

Von Lea Weinmann

So mancher Skifahrer könnte sich wundern, wenn er in dieser Saison morgens ganz spontan an den Skilift kommt. Denn während er für seinen Tagespass an der Kasse ordentlich hinblättern muss, haben andere ihr Ticket schon lange online gebucht - und wesentlich weniger gezahlt.

Grund dafür sind dynamische Preissysteme. Das Prinzip ist Urlaubern von Flug- und Hotelbuchungen bekannt: Kostete der Flug an einem Buchungstag noch 150 Euro, legt man ein paar Tage später 20 Euro drauf, weil die Nachfrage gestiegen ist - oder umgekehrt: Sinkt die Nachfrage, sinkt der Preis.

Mittlerweile sind auch in einigen Skigebieten die bisher üblichen fixen Kosten für ein Tagesticket passé. Stattdessen ist der Preis variabel und von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Insbesondere teure Wintersportgebiete in der Schweiz arbeiten von dieser Saison an mit flexiblen Preisen. Bereits in der vergangenen Saison hatten die Skiarena Andermatt-Sedrun und das Skigebiet Arosa-Lenzerheide umgestellt. Neuerdings verwenden auch die Skigebiete in Bellwald, Zermatt und im Raum St. Moritz-Oberengadin flexible Preismodelle.

"Wir wollen, dass die Bergbahnen über die ganze Saison ausgelastet sind", begründet Roberto Rivola, Sprecher der Engadin St. Moritz Tourismus AG, die Umstellung. Um das zu erreichen, will das Skigebiet die Gäste mit niedrigen Preisen auch in den weniger frequentierten Zeiten unter der Woche oder außerhalb der Ferien zu sich locken. Die Preise berechnet im Oberengadin nun eine Software, die sich auf Daten der aktuellen Nachfrage und Erhebungen aus den vergangenen Jahren stützt.

Der Mindestpreis liegt in dieser Saison bei 45 Schweizer Franken (etwa 40 Euro). Einen Maximalpreis wollte Rivola nicht nennen. Wer auf der Webseite des Skigebiets kurzfristig einen Tagespass für das kommende Wochenende kaufen möchte, zahlt schon einmal 82 Schweizer Franken. Die Bahnen versichern aber, dass Frühbucher selbst an den gefragtesten Tagen von günstigeren Tarifen profitieren können - nur, wer erst am Einlösetag an der Kasse kaufe, zahle mehr. Bis zum Vorabend ist eine Preisänderung möglich. Damit will man auch dem "Trend zu Onlinebuchungen" entsprechen. Die Gäste werden quasi auf den frühen Onlinekauf umerzogen.

Das zahlt sich für die Skigebietsbetreiber in jedem Fall aus, denn ein Tagesticket bringt, früh gekauft, in jedem Fall Geld ein. Die Skigebiete verdienen, ganz egal, ob am gebuchten Tag das Wetter nicht mitspielt oder der Skifahrer verhindert ist.

Schweizer Verbraucherschützer sehen den Trend kritisch. Zwar liegen noch keine Erhebungen über die Auswirkung dynamischer Modelle auf das allgemeine Preisniveau vor. "Wir rechnen aber damit, dass das dynamische Pricing die Durchschnittspreise signifikant ansteigen lässt", sagt Alex von Hettlingen von der Stiftung für Konsumentenschutz in der Schweiz. Außerdem diskriminierten die Modelle Familien, sagt der Verbraucherschützer: "Für Familien verteuert sich der Skipass nun massiv, da Eltern von schulpflichtigen Kindern unflexibel sind und meist nur zu Spitzenzeiten fahren können."

In den nordamerikanischen Skigebieten sind dynamische Preise Standard. Während der Trend nun in die Schweiz überschwappt, reagieren die Skigebiete in Deutschland zögerlich. "Dynamische Preise sind für uns nicht zielführend und werden auch von keinem deutschen Seilbahnunternehmen in der Form propagiert", sagt Jutta Zenger vom Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte. Die Oberstdorfer Bergbahnen haben das System vor längerer Zeit getestet - die Resonanz der Gäste sei "sehr schwach" gewesen.

Die Verbraucherzentrale in Bayern wünscht sich von den Seilbahnbetreibern "dringend mehr Transparenz bei der Preisgestaltung", sagt Julia Berger, Rechtsexpertin bei den Verbraucherschützern. Sie empfindet es als "problematisch", dass die Anbieter wegen der automatischen Berechnung durch Algorithmen oft selbst gar nicht mehr genau wüssten, wie sich der Tarif zusammensetze. Auch in Österreich bleibt man auf Distanz: Man sehe das als Branche eher skeptisch und beobachte die Experimente in der Schweiz aus der Ferne, sagt Erik Wolf, Geschäftsführer vom Fachverband der Seilbahnen Österreichs.

Dass die Rechnung zumindest für die Skigebiete finanziell aufgehen kann, zeigt das Beispiel von Andermatt-Sedrun: Die Zahl der Onlinebuchungen war dort in der vergangenen Saison siebenmal höher als in der Saison davor. Schon in der vergangenen Saison, als Andermatt das Preissystem einführte, haben die Gäste ihr Ticket durchschnittlich zwölf Tage im Voraus gebucht, sagt Stefan Kern, Sprecher der Andermatt Swiss Alps AG. Bei den alten Fixpreisen war die Buchung im Schnitt erst 2,5 Tage zuvor erfolgt.

Natürlich habe die Umstellung bei den Gästen zu Beginn "für Irritationen gesorgt", gibt Kern zu. Die Rückmeldungen seien aber unterm Strich positiv gewesen, da man den Preis ja gewissermaßen selbst steuern könne. 39 Franken kostet ein Tagesticket in Andermatt-Sedrun mindestens - einen Höchstpreis wollte auch Kern nicht kommunizieren. Er werde aber "nicht über dem Bereich von 100 Franken liegen". Außerdem gibt es über die ganze Saison einige festgelegte Tage, an denen das Ticket für nur zehn Franken zu haben ist, unabhängig vom Buchungszeitpunkt.

Neben den vollständig dynamischen Preisen tauchen in der Schweiz immer mehr teilflexible Produkte auf: In Laax orientiert sich der Tarif nur am Buchungszeitpunkt, andere Gebiete legen ihre Preisstufen je nach Saison fest; die Bahnen in Belalp (Oberwallis) und Pizol (Sarganserland) experimentierten 2017 in einem Pilotprojekt mit wetterabhängigen Tarifen.

Viele verschiedene Modelle, ein Ziel: Umsatzsteigerung. Der Schweizer Franken ist in den vergangenen Jahren gegenüber dem Euro immer stärker geworden. Dadurch seien die Schweizer Seilbahnen unter Druck geraten, sagt Andreas Keller vom Verband Seilbahnen Schweiz (SBS). Es bleibe ihnen nichts anderes übrig, als "nach neuen Möglichkeiten zu suchen und kreativ zu werden".

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