Sie kommen einem irgendwie bekannt vor, die gemalten Borten rund um die Fenster. Oder der Jäger, der mit Fuchs, Specht und Eichhörnchen die Fassade ziert. Und tatsächlich: Die Malereien auf der Hauswand mitten in Klosters stammen von Alois Carigiet. Den Graubündner Maler kennt in der Schweiz jedes Kind, er hat die betörend schönen Bilderbücher vom Schellen-Ursli und seiner Schwester Flurina illustriert. Dass auch das Hotel Chesa Grischuna (rätoromanisch für "Graubündner Haus") in Klosters seine Handschrift trägt, liegt an dessen Gründer Hans Guler.
Guler, 1909 in Klosters geboren, war eigentlich Dachdecker von Beruf. Doch wie viele im Dorf arbeitete er auch als Skilehrer, kam in Kontakt mit den wohlhabenden Touristen, sah, dass in der Branche etwas zu holen war. Der findige junge Mann nahm sich vor, ein Hotel zu bauen, von denen es in den Dreißigerjahren noch nicht allzu viele in Klosters gab. Und er wollte diesem Hotel einen ganz besonderen Anstrich geben: Es sollte im neu interpretierten Heimatstil daherkommen, eine Art Rückbesinnung auf die ländliche Architektur des Schweizer Alpenraums sein. In dem Zürcher Architekten Hermann Schneider fand Guler den idealen Verbündeten. Zusammen schufen sie 1938 ein Haus, das zugleich an die Holzbauten im Prättigau und die steinernen Bauernhäuser des Engadin erinnert.
Schneider entwarf auch das gesamte Innere des Hotels: von den Möbeln über die Tischdecken bis zum Dekor des Geschirrs. Fast überall kam heimische Handwerkskunst zum Einsatz - ganz so, wie es die Verfechter des Heimatstils vorsahen. Am Ende trugen auch bekannte Künstler wie Alois Carigiet ihren Teil bei, angezogen vom jovialen Wesen des Hotelgründers: Der 1991 verstorbene Hans Guler, so erzählt man es sich bis heute, war ein legendärer Gastgeber, bei dem die Reichen, Schönen und Begabten gern verweilten. Im Gästebuch der Chesa Grischuna finden sich Namen wie Kirk Douglas, Greta Garbo oder John Irving.
Das wirklich Besondere aber ist: Das Haus hat es als fast vollständig erhaltenes Gesamtkunstwerk bis ins 21. Jahrhundert geschafft. Wer heute hier übernachtet, betritt noch immer ein gemütliches, verwinkeltes Hotel mit verzierten Holzdecken, Fresken an den Wänden und kunstvoll bedruckten Vorhängen. Die Treppe knarzt und hat eindeutig Schlagseite, in den heimeligen Zimmern duftet es nach den alten Möbeln aus Zirbenholz. Der Erhalt dieses historischen Hauses mit all seinen Details obliegt inzwischen der Tochter des Gründers, Barbara Rios Guler. Seit dem Tod ihrer Eltern führt sie die Chesa Grischuna zusammen mit Geschäftsführerin Marianne Randall-Hunziker.
Für ihre sorgfältige Arbeit sind die beiden Frauen jetzt ausgezeichnet worden: Ihr Haus - eines der jüngsten Schweizer Hotels unter Denkmalschutz - ist zum historischen Hotel des Jahres 2020 gekürt worden, eine Auszeichnung von Icomos Suisse, der Landesgruppe des Internationalen Rats für Denkmalpflege, und Schweizer Gastronomie- und Hotellerieverbänden. Man hofft, dass der alte Hollywood-Glanz trotz des Preises nicht zurückkehrt. Die Chesa Grischuna ist heute ein wohltuend unaufgeregtes Haus. Der stille, gute Service, das feine Essen, die stimmigen Details: Sie geben der Geschichte, die das Haus atmet, den angemessenen Raum.
DZ mit Frühstück im Winter ab 275 Euro, im Sommer ab 156 Euro, chesagrischuna.ch