Wintertourismus in den Alpen:Wie die Schweiz Skiurlauber umwirbt

Der Skitourismus geht fast überall im Alpenraum zurück, in der Schweiz aber besonders drastisch. Das liegt nicht nur am starken Franken - es gilt wieder, erfinderisch zu sein.

Von Hans Gasser

Die Schweiz ist günstig! Zumindest war sie es bis Ende November 2016 in Saas-Fee, jenem schönen, von 13 Viertausendern eingerahmten Wintersportort im Wallis. Die Saisonkarte für die Skilifte kostete dort 222 Franken (207 Euro) für jene, die sich auf der Website We-make-it-happen.ch registrieren ließen. Zum Vergleich: Ein regulärer Tagesskipass kostet 72 Franken. Das Ganze war eine Marketing- und Crowdfunding-Aktion, um auf den starken Rückgang von Übernachtungen und verkauften Skipässen im Saastal zu reagieren. Und es wurde ein großer Erfolg. Bei 75 000 Registrierungen lösten die Touristiker das Versprechen ein, am Ende wurden mehr als 90 000 Saison- und Mehrjahreskarten verkauft. Insgesamt brachte das rund 16 Millionen Franken in die Kassen. Das war, wie der Direktor der Bergbahn freudig feststellte, eine Million mehr als die Einnahmen der gesamten Wintersaison 2015 / 2016.

Die Schweizer waren schon immer erfinderisch, und in Bezug auf die Krise im Wintertourismus müssen sie es ganz besonders sein. Die Zahlen sind deutlich: So gingen laut dem Verband der Seilbahnen Schweiz die sogenannten Skifahrertage von 29,3 Millionen in der Saison 2008 / 2009 auf 21,6 Millionen in der Wintersaison 2015 / 2016 zurück, der tiefste Stand seit 25 Jahren. Als Skifahrertag wird der erste Eintritt durch die Schleuse an der Talstation gezählt, egal ob mit Halbtages-, Tages- oder Saisonskipass. Zwar gehen diese Skifahrertage überall im Alpenraum zurück, weil immer weniger junge Leute Ski- oder Snowboardfahren lernen.

Aber der Rückgang in der Schweiz ist am drastischsten. So gab es beim größten Konkurrenten Österreich, wo jedes Jahr Hunderte Millionen Euro in immer noch größere Skigebiete investiert werden, im selben Zeitraum lediglich einen Rückgang von 57 auf knapp 52 Millionen Skifahrertage. Ähnliches gilt für Frankreich. Die Übernachtungen seien allein in den Schweizer Wintersportorten in den vergangenen zehn Jahren um 1,5 Millionen zurückgegangen, schreibt der Unternehmensberater Laurent Vanat, der im Auftrag der Seilbahnen Schweiz die Entwicklung des Wintersporttourismus untersucht. "Freunde des Wintersports, wacht auf!", steht über seiner Saisonbilanz des vergangenen Winters.

Vanat sieht das Problem globaler: "Auf dem ganzen europäischen Skimarkt haben wir seit drei Jahren immer neue Tiefpunkte, was die Zahl der Skifahrer angeht. Der Hauptgrund: Es kommen viel zu wenig junge nach." Das beste Mittel dagegen sei es laut Vanat, Skiwochen und -kurse wieder in das Sportprogramm der Schulen zu integrieren, aus dem sie in fast allen europäischen Ländern verschwunden sind. Den Skischulen komme dabei große Bedeutung zu. Sie müssten den ersten Skikurstag so gestalten, dass die Anfänger sofort Spaß hätten und ein Erfolgserlebnis. Heute sei es so, dass 80 Prozent der Anfänger nie wieder kommen, so Vanat.

Das im internationalen Vergleich deutlich schlechtere Abschneiden der Schweiz beim Wintertourismus hat mehrere Gründe. Der wohl gewichtigste ist der starke Franken gegenüber dem schwachen Euro. Bekamen Gäste aus dem Euroraum im Winter 2008 / 2009 noch 1,62 Franken für einen Euro, sind es aktuell nur noch 1,07. Hinzu kommen das hohe Lohnniveau und andere Fixkosten in der Schweiz. Damit zusammen hängt der Investitionsstau in der Hotellerie. "Wer hohe Preise verlangt, muss auch hohe Qualität bieten", sagt Laurent Vanat. "Das wird oft nicht eingelöst."

Es kommen zu wenige junge Wintersportler nach. Skilager für Schulen sollen helfen

Jörg Peter Krebs sieht das naturgemäß nicht so. Er ist oberster Werber bei Schweiz Tourismus für Deutschland, Zentral- und Osteuropa. In den vergangenen Jahren sei viel in die Qualität der Hotels investiert worden, sagt er. "Die deutschen Gäste sind aber sehr preissensibel." Deutschland ist immer noch der wichtigste Auslandsmarkt für die Schweizer. Die Übernachtungen deutscher Gäste fielen von 5,8 Millionen im Jahr 2010 auf 3,4 Millionen 2016. Allein von der Wintersaison 2014 / 15 auf jene 2015 / 16 nahm die Zahl der deutschen Übernachtungen um knapp zehn Prozent ab. Eine zweijährige Kampagne namens "Grüezi Deutschland" hat bisher auch nicht die deutliche Trendwende gebracht. Immerhin habe man im zweiten Halbjahr 2016 keinen weiteren Rückgang mehr bei den deutschen Gästen verzeichnet.

Man lanciere nun in Kooperation mit deutschen Reiseveranstaltern Winter-All-inclusive-Angebote, sagt Krebs. So bietet etwa die Tui in 60 Prozent ihrer Schweizer Vertragshotels "Halbpension plus" an, das heißt, nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen und abends sind die Getränke inklusive. In Saas-Almagell gibt es bei Tui eine Woche Halbpension plus im Dreisternehotel bereits ab 370 Euro, bei Thomas Cook kostet eine Woche im Dreisternehotel in Davos 390 Euro.

Zudem haben die Schweizer Seilbahnen, der Schweizer Tourismusverband und andere Organisationen mit Gosnow.ch eine neue Initiative gestartet, um Schulklassen eine günstige Möglichkeit für Skilager zu bieten. Das Angebot richtet sich seit Neuestem nicht nur an Schweizer, sondern auch an deutsche Schüler. So können diese etwa in Grindelwald vier Nächte in einer Gruppenunterkunft mit Halbpension, Skipass und Skimiete für 270 Euro buchen. "Wir wollen Begeisterung für Wintersport wecken und so Gäste für die Zukunft gewinnen", sagt die Schweiz-Tourismus-Sprecherin Carina Marugg.

So etwas ist in Laurent Vanats Sinn, mehr als die Skitouristen aus China, um welche die Schweiz schon seit Jahren intensiv wirbt. "Von diesem Markt werden für Europa nur ein paar Krümel abfallen", sagt Vanat, der sich gerade auf einer Reise durch die nagelneuen chinesischen Skigebiete befindet. Neben der Rekrutierung der jungen Europäer als Skifahrer von morgen sei es marktentscheidend, dass man seinen Skiurlaub inklusive aller Leistungen wie Hotel, Skipass, Skiverleih und Skikurs zentral auf einer Website kaufen könne. Im Gegensatz zu Skandinavien und den USA böten das in Europa immer noch nur sehr wenige Alpen-Skigebiete.

In Saas-Fee war man so angetan vom Erfolg des Crowdfundings, dass man die Aktion für 2017 / 2018 neu aufgelegt hat. Bis 22. April kann man sich registrieren lassen. Kommen mindestens 77 777 Interessenten zusammen, erhalten sie einen Saisonpass für je 222 Franken. Bis jetzt haben aber erst rund 200 gezeichnet.

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