Glacier Express in der Schweiz:Menü mit Matterhorn

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Egal, ob viel Schnee liegt, wie hier bei Andermatt, oder der Zug im Sommer über blühende Alpenpässe fährt: Das Faszinierende am Glacier Express ist die Aussicht. (Foto: Stefan Schlumpf / Glacier Express)

Die neue Excellence Class im Glacier Express bietet beste Aussicht bei fünf Gängen - denn Berge allein ziehen nicht mehr genug Gäste an.

Von Stefan Fischer

Auf der Strecke zwischen Chur und St. Moritz kommt Bewegung in die kleine Bar an der Spitze des Zuges. Und zwar unabhängig davon, ob der Tresen hinter dem Führerstand des Glacier Express' von den Fahrgästen tatsächlich stark frequentiert wird. Denn in die Decke dieser Bar ist ein übergroßer, vergoldeter Kompass eingelassen, der sich in den vielen Kehren und Kreiseln dieses Streckenabschnitts, der Albulalinie, mitunter beinahe so heftig dreht wie ein Rouletterad. Nur eben mit steten Richtungswechseln.

Blickt man zu dieser Decke hoch, wird einem rasch ein wenig schwindlig, ganz ohne einen der Whiskys oder der Weine probiert zu haben, die der Concierge des Waggons ausschenkt. Die Fahrtrichtung wechselt rund um Bergün mehrfach von Süden über Osten, Norden und Westen wieder zum Süden - schon hat sich der Zug eine Umdrehung nach oben geschraubt, quert in einem Tunnel das eigene Gleis, geht dann von der Links- in eine Rechtskurve über, der Kompass wechselt die Laufrichtung.

Für jeden Luxus-Passagier ein Fensterplatz

Allzu lange kann man seine Augen dem nicht aussetzen. Doch um die Aufmerksamkeit der Reisenden konkurriert ohnehin die Bergwelt Graubündens: Der Blick durch die Panoramascheiben nach draußen ist stellenweise spektakulär.

Die Bar mit dem Kompass ist dennoch eine der Attraktionen in den Waggons der neu geschaffenen Excellence Class. Nur 20 Passagiere finden hier Platz, sie sitzen einander paarweise gegenüber, ein jeder von ihnen am Fenster, die Bar ist ihnen exklusiv vorbehalten.

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Die Sessel sind breit und bequem, und Christian Harbeke hat mit seinem Team des Büros Nose Design Experience überdies clevere Lösungen gefunden, damit den Gästen die Teller nicht auf den Schoß rutschen und die Gläser nicht umkippen, während sich der Glacier Express durch die schweizerischen Alpen schlängelt. Ohne dass man sich deshalb in einem rein funktionalen Getränkehalter- und Schnabeltassen-Interieur wiederfände. Vielmehr hält man sich auch optisch in einem Restaurant der gehobenen Klasse auf, mit eingedeckten Tischen, mit Kristall und Porzellan.

Fünf-Gänge-Menü für die Fahrt aus der Krise

Schon immer war dieser Zug auch von kulinarischem Interesse, die Speisekarte für die erste und zweite Klasse ist jüngst überarbeitet worden. Sie ist nun kleiner, dafür hochwertiger. Eine Mahlzeit dort bleibt jedoch eine Option. In der neuen Excellence Class hingegen sind ein fünfgängiges Menü inklusive Weinbegleitung sowie ein Nachmittagstee fester Bestandteil der Fahrt.

Das Angebot soll in eine bessere Zukunft führen, denn der Glacier Express war in eine Krise gefahren. Nach dem Rekordjahr 2008 mit 260 000 Fahrgästen führten mehrere Faktoren zu einem Rückgang der Passagierzahlen: die Bankenkrise und der ungünstige Wechselkurs des Schweizer Franken, dazu der Imageschaden, als 2010 drei Waggons entgleisten und ein japanischer Fahrgast starb.

Außerdem gehen seit einiger Zeit Gruppenbuchungen zurück. Die Zahl der Passagiere war zwischenzeitlich auf 188 000 gesunken. Überdies hat der Staat 2013 seine Subventionen gestrichen, der Glacier Express muss seither von sich aus rentabel fahren. Darauf haben die Verantwortlichen der Rhätischen Bahn und der Matterhorn Gotthard Bahn reagiert, die den Glacier Express gemeinsam betreiben, und 2017 die Tochtergesellschaft Glacier Express AG mit einer eigenen Geschäftsführung gegründet.

Bald wieder offene Fenster für spiegelfreie Fotos

Ein einheitlicher digitaler Auftritt hat seitdem zu einem deutlichen Zuwachs bei den Individualreisenden geführt, sie machen inzwischen beinahe die Hälfte der inzwischen wieder 230 000 Passagiere im Jahr aus. Mit einer Veränderung der Fahrpläne wurde auf Kundenwünsche reagiert. Bis 2021 sollen alle Panoramawagen überholt und mit zeitgemäßem Infotainment ausgestattet werden. Es wird dann auch wieder möglich sein, einen Teil der Fenster zu öffnen, um ohne Spiegelungen in den Scheiben zu fotografieren.

Kernstück der Modernisierung ist die exklusive Excellence Class, zu deren Konzept gehört, dass unverkennbar ist, wo man reist. Michaela Geiger, für das Marketing des Zuges verantwortlich, sagt, man wolle sich wieder stärker an regionalen Erzeugnisse und Rezepten orientieren: "Ein wichtiges Kriterium bei der Zusammenstellung des Menüs war, dass die Lieferanten möglichst nah entlang der Strecke angesiedelt sind."

Die Landschaften, die der Glacier Express auf seiner rund achtstündigen Fahrt von Zermatt über Brig, den Furkatunnel, Andermatt, den Oberalppass, Disentis, die Rheinschlucht bis nach St. Moritz oder umgekehrt durchquert, sollen mehr sein als bloß ein außergewöhnliches Panorama.

Die Passagiere sollen sie auch als Kulturlandschaften mit spezifischen landwirtschaftlichen Produkten erleben. Das zeigt sich am deutlichsten beim Käsegang, aber auch an den Kräutern, mit denen das heimische Rindsfilet gewürzt ist, oder an den getrockneten Alpenblüten in der Suppe. Es gibt Arventee, der Whisky wird in Graubünden destilliert, der Kaffee kommt aus einer Rösterei in Zuoz.

Somit gibt es auch im Waggon selbst viel zu schauen, auf den Tellern natürlich, und beim alpinen Dekor. Das Edelweiß symbolisiert auch in der Excellence Class die Alpen, es findet sich unter anderem an Tischbeinen und in der Wandverkleidung aus Nussbaumholz. In der Täfelung versinnbildlichen Schraffuren in den Friesen die Bergzüge, die man passiert.

Die Suppe? Erst nach dem Ausblick

Die Muster weisen darüber hinaus auch auf die Sgraffito-Fassaden in einigen Gegenden Graubündens hin, die der Glacier Express passiert: Auf die erste wird eine zweite, andersfarbige Putzschicht aufgetragen, in die, so lange diese noch nass ist, Muster gekratzt werden. Die Gletscher schließlich, die dieser Eisenbahnlinie ihren Namen gegeben haben, finden sich zitiert in den eisklaren Tischlampen. Mit all diesen Erneuerungen möchte der Glacier Express seine touristische Ausnahmestellung behaupten. An Adriana Candeloro soll es nicht scheitern, sie ist an diesem Tag als Concierge an Bord.

In Zermatt begrüßt sie die Passagiere an einem roten Teppich, kümmert sich ums Gepäck. Sie ist eine aufmerksame, dabei nie aufdringliche Gastgeberin.

Wie ihre Kollegen und Kolleginnen muss sie ein Gespür für den richtigen Zeitpunkt haben, die Suppe also nicht dann servieren, wenn sich ein wenige Sekunden kurzer Ausblick bietet. Und eine kompetente Fremdenführerin sein. Die aber auch erkennt, wenn ein Gast einmal einfach nur schauen möchte.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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