Vielleicht braucht der Mensch das ab und zu, ein Leben auf Kante. Am Rande der Komfortzone, der eigenen Zurechnungsfähigkeit - oder eben des Polarkreises. Jukkasjärvi ist so ein Ort, an dem man seine Grenzen einmal austesten kann.
Im Winter kann es hier bis zu 40 Grad minus kalt werden. Es gibt 900 Einwohner und 1000 Schlittenhunde. Der Ortsname lässt sich in der Sprache der indigenen Sámi mit "Treffpunkt am Wasser" übersetzen. Für die Samen ist dieses Städtchen in Schwedisch Lappland seit Jahrhunderten ein wichtiger Marktplatz. Es liegt am Flussufer des Torne älv, der aus einem kleinen Gletscher in Norwegen entspringt und östlich zur Küste in den Bottnischen Meerbusen fließt.
Über die Wintermonate - also von November bis März - müsste die Ortschaft genau genommen "Treffpunkt am Eis" heißen, denn dann ist der Wasserlauf zu einer dicken Schicht gefroren, über die Hundegespanne preschen oder röhrende Motorschlitten, bepackt mit geschwindigkeits- und polarlichtberauschten Touristen. "Kaamos" nennen die Samen diese eisblau gefärbten Tage - Polarnacht.
"Das ist nur eine der Besonderheiten des Winters, die wir hier haben", sagt Yngve Bergqvist. Und einer der Gründe, warum sich der schwedische Hotelunternehmer nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ, diesen kleinen Ort 200 Kilometer nördlich des Polarkreises als Urlaubsdestination ins Spiel zu bringen. "Grabe da, wo du stehst", sei sein Geschäftsmotto, sagt der 68-Jährige. Und wer mit den örtlichen Ressourcen arbeiten will, der hat in Schwedisch Lappland nicht viel Auswahl: Eis und Schnee, das gibt es hier reichlich. So lud Bergqvist im Winter 1989 zwei japanische Eisschnitzer hierher ein. Im Jahr darauf errichtete er ein Iglu, um Eiskunstwerke auszustellen. Irgendwann schlief der Erste darin. Daraus wurde ein Erfolgsmodell.
SZ-Karte
Heute existiert das Icehotel von Jukkasjärvi in seiner 27. Auflage - und gilt somit als das erste aller Eishotels, die seither aus den Permafrostböden von Finnland bis Kanada schießen. Nicht die ganze Anlage besteht aus Eis: Rezeption, Restaurant, Saunatrakt und der Shop mit Mohairunterwäsche, Plüschrentieren und Preiselbeerspezialitäten sind aus Holz- und Glaspaneelen erbaut, wie auch das Restaurant und die warmen Unterkünfte in der kleinen, zum Hotel gehörenden Hüttenansammlung.
Die Hütten bleiben das ganze Jahr über stehen, während der Bauplan des Icehotels jährlich neu entworfen und von Künstlern gestaltet wird. Gästezimmer, Empfangshalle, Bar, geweihte Kapelle - alles aus Eis, das im Fluss geerntet wird, um im Frühling wieder dorthin zurückzuschmelzen. Bisher zumindest. Im vergangenen Dezember entstand, zusätzlich zu den Winterhotel-Suiten, das Icehotel 365 - ein Ganzjahresprojekt.