Schnorcheln auf Vancouver Island:Schwerelos im Schwarm der Lachse

Lachs

Auch wenn dieses Exemplar im Grünen See in der Steiermark unterwegs ist: Ins kalte Wasser des Campbell auf Vancouver Island schwimmen in diesem Herbst fast eine Million Lachse aus dem Meer

(Foto: Jovana Milanko; JovanaMilanko/iStockphoto)

Mit Haien tauchen kennt jeder. Viel lässiger ist es, als Schnorchler zwischen Lachsen zu schweben. Auf Vancouver Island wird das zum tranceartigen Erlebnis und bald stellt sich die Frage: Ist man noch Mensch oder schon Lachs?

Von Viola Schenz

Der Mensch hat sich alle möglichen Wege ausgedacht, um dem Wassergetier nahe zu kommen: auf Delfinen reiten, Aquarien ins Wohnzimmer stellen, sich im Käfig zu Haien hinablassen, der biblische Jonas hat es seinerzeit sogar bis in den Bauch eines Wals geschafft.

Jamie Turkos Idee mit Lachsen ist dagegen so simpel wie empfehlenswert. Turko veranstaltet eigentlich Wildwasserfahrten, aber zwischen Mitte Juli und Ende Oktober bietet er auch an, als Einziger auf Vancouver Island, mit Lachs-Schwärmen zu schnorcheln.

Turko, 40 Jahre alt, muskulös und braun gebrannt, wurde mit den Fischen groß, er ist eine Art Lachsflüsterer hier in der Kleinstadt Campbell River am gleichnamigen Fluss an der Ostküste von Vancouver Island. In Bayern würde man so jemanden Naturbursch nennen, diverse Narben und Schrammen zwischen Bärentatzen- und Fischtattoos zeugen von Zusammenstößen mit Felsen und Treibgut. Schon als kleiner Junge stieg er bis Herbst jeden Tag in den Fluss, erzählt Jamie Turko, gegen das zwölf Grad kalte Wasser ist er längst resistent.

Wir aber nicht. Deswegen werden wir in Neoprenanzüge gesteckt, außerdem in Stiefel, Handschuhe und Masken. Das schützt vor scharfkantigen Felsen, aber wenig vor eisigem Wasser. Kaum ist man über den Schlauchbootrand gerutscht, rinnt es auch schon unter den Anzug. "Lasst euch einfach treiben!" - Turkos Stimme reißt uns aus dem Kälteschock. Er hat recht, man muss nichts tun, die Strömung erledigt alles - und die neonorange Rettungsweste, die einen an der Wasseroberfläche gleiten lässt. Arm- und Bein- und Schwimmbewegungen würden sowieso die Fische vertreiben, und genau das will man ja vermeiden.

Turko überprüft vom Boot aus noch einmal den korrekten Sitz von Taucherbrille und Schnorchel und schubst uns los, den Campbell-Fluss runter. Da sind sie schon: Dutzende, Hunderte, ach was, Tausende dunkel glänzender, großer Fischleiber. Legionen von Lachsen wandern elegant den Fluss rauf. Lachse über Lachse, zum Greifen nahe, aber viel zu schnell und geschickt, um sich von einer menschlichen Hand kurz berühren zu lassen. Man schwebt über sie hinweg, unter einem nur Fische und der glasklare Blick auf steinigen Grund. Die Welt über Wasser ist vergessen, die Kälte sowieso, alles wird zur Trance - ist man noch Mensch oder schon Lachs?

Fischer und Schwarzbären freuen sich

"Lachshauptstadt der Welt" nennt sich das 32.000 Einwohner große Campbell River. Zwischen Juli und November kommen die Lachse, alle fünf Pazifik-Arten, sie schwimmen vom Meer den Campbell rauf, der Geruch des Wassers leitet sie zurück zu den Stellen, an denen sie vier Jahre zuvor geboren und aufgewachsen sind. Dort laichen sie ab, und haben damit ihr Lebenswerk vollbracht. Sie sterben, entkräftet vom Schwimmen und Springen flussaufwärts und weil sie während der Migration nichts mehr fressen.

2013 ist ein Rekordjahr, vermeldet die Hatchery, die staatliche Lachsaufsicht und -aufzucht von Campbell River. Sie wurde 1974 gegründet, als der Bestand der pazifischen Wildlachse wegen Überfischung gefährlich zurück ging. Jedes Jahr im Herbst sitzt ein Mitarbeiter täglich auf dem Counting Fence, einer künstlichen Flusssperre, und zählt die durchspringenden Lachse. Zwischen 800.000 und 900.000 Exemplare sind heuer zu erwarten, so viele waren es seit 30 Jahren nicht mehr. Die meisten wurden hier künstlich befruchtet.

Man erkennt sie an der fehlenden kleinen Fettflosse am Rücken, die ihnen seinerzeit als Babylachse entfernt wurden. So lassen sie sich später, wenn sie mit der Migration wiederkommen, von den reinen Wildlachsen unterscheiden. Nur die Exemplare, die ursprünglich aus der Hatchery stammen, dürfen gefischt werden, und in einem Jahr wie diesem ist das ein Fest für alle.

Jamie Turko, der im Schlauchboot nebenher treibt, stupst uns mit dem Paddel an. "Schaut, da drüben!", er deutet zum Ufer. Da steht eine Schwarzbärin mit zwei Jungen, sie starren auf die vorbeischwimmenden Leckerbissen. Am anderen Ufer das Gegenbild: Fliegenfischer, bis zum Bauch in der Strömung. Und flussabwärts, in der Hatchery, kommen so viele Lachse an, dass die hiesigen Kwakiutl-Indianer, die qua Gesetz das erste Zugriffsrecht haben, sie über dicke Rohre ableiten, die zappelnden Fische in Container werfen und Eis draufschaufeln. Aus ihnen wird Sushi, Tiefkühlkost, Katzenfutter, Dünger.

Kein angenehmer Anblick, den die Männer in ihren Gummilatzhosen bieten; als Trost bleibt, dass die Fische in spätestens einem Monat, nach der Laich, eh sterben, und dann Hunderttausende tote Fische den Campbell hinunter treiben würden.

Bis dahin ist es noch lange hin. Wir rücken Brille und Schnorchel zurecht, tauchen die Köpfe wieder unter Wasser und schweben weiter. Diesen Nachmittag gehören die Lachse uns ganz allein.

Informationen

Vancouver Island Kanada SZ Grafik Campbell River
(Foto: SZ Grafik)

Anreise: Air Canada fliegt täglich ab Frankfurt nach Vancouver, ab München kostet der Hin- und Rückflug mit Umsteigen in Toronto etwa 780 Euro, www.aircanada.com. Fähren setzen im Sommer stündlich nach Vancouver Island über, www.bcferries.com.

Unterkunft: Haig Brown House Heritage Site in Campbell River, eine nette Pension und ein begehbares Museum, EZ ab ca. 65 Euro, www.haig-brown.bc.ca

Lachsschnorcheln mit Jamie Turko: dreistündige Tour ab etwa 90 Euro, www.destinyriver.com

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