Schneeverhältnisse in den Alpen:207 Prozent Winter

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Wer vergessen hat, wie sich Schnee unter den Brettern anfühlt, muss derzeit sein Glück jenseits des Alpenhauptkamms versuchen. Dort kann es einem allerdings auch passieren, dass man wegen des Schneefalls nicht auf die Pisten kommt. (Foto: Stefan Herbke)

Schneemangel? Welcher Schneemangel? In den bayerischen Skigebieten macht sich gerade Frust breit. Auf der Südseite der Alpen gibt es dagegen genügend Stoff für Wintersportler. In manchen Orten ist es sogar fast zu viel. Eine Auswahl.

Oberengadin, Schweiz

Man kann den Schweizern so einiges nachsagen, aber fehlenden Hang zur Akkuratesse nun wirklich nicht. Das Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos gibt seit Jahren sogenannte Schneekarten heraus. Eine davon zeigt die "Schneehöhe im Vergleich zum langjährigen Mittel". Das klingt erst einmal sehr nach Schwiizer Institutsdütsch, ist aber gar nicht so schwer zu verstehen. Für die Region um den Berninapass unweit von Pontresina weist die Karte momentan die Zahl 207 aus. Oder anders ausgedrückt: Es liegt hier mehr als doppelt so viel Schnee wie in einem Durchschnittsjahr.

Das Beste: Wer die 207 Prozent wirklich spüren möchte, dem steht die ganze Welt des Wintersports offen - und zwar zu beinahe allen Tages- und Nachtzeiten. An der Diavolezza beispielsweise werden nicht nur Vollmondskifahren (Rätoromanisch: Glüna Plaina) und Sprudelbad (vulgo: Jacuzzi) angeboten, sondern auch die mit zehn Kilometern längste Gletscherabfahrt der Schweiz. Sie führt bis direkt zum Restaurant der Bahnstation Morteratsch, von wo aus Langläufer wiederum die etwa 2,8 Kilometer lange Loipe bis zur Gletscherzunge des Morteratschgletschers angehen. Die Bahn erschließt die Weiten des großartigen Oberengadins - oder führt zurück zur Diavolezza-Talstation. Wer warten muss, trinkt am besten einen Espresso - zum Preis in Höhe von 207 Prozent im Vergleich zum langjährigen deutschen Mittel.

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Dominik Prantl

Tageskarte: 50 Euro (62 CHF), www.engadin.stmoritz.ch, www.slf.ch

In Südtirol lachen sie sich ins Fäustchen. Während die Kollegen an der Alpennordseite den Kunstschnee zusammenkratzen, kommt hier pünktlich seit Weihnachten ein Mittelmeertief nach dem anderen rein - und bringt Schnee, Schnee, Schnee. Vor allem Ulten, ein Tal, das sich südwestlich von Meran erstreckt, hat diesmal viel abbekommen. Im kleinen Skigebiet Schwemmalm liegen jetzt an der Bergstation (2625 m) schon zwei Meter, und dieser Tage soll noch mal ein halber dazukommen. Das Skigebiet hat rund 20 Pistenkilometer, großteils rote und blaue. Die sind nicht zu unterschätzen, schließlich trainiert hier regelmäßig Dominik Paris, der aus dem Tal stammt und im vergangenen Jahr auf der Streif die Abfahrt gewonnen hat. Das Gebiet ist südseitig ausgerichtet, was viel Sonne bedeutet, und von ganz oben schaut man auf die Dreitausender der Ortlergruppe. Zwischen den Pisten sind ausreichend unpräparierte Flächen, auf denen man zurzeit im Pulverschnee wühlen kann - wenn es die Lawinenlage erlaubt.

Mindestens so wichtig sind die vier Skihütten, in denen man gut isst. Vor allem die Äußere Schwemmalm hat einen exzellenten Ruf. Sie wurde 2013 zur besten Skihütte des Landes gekürt. Wirt Norbert Zöschg bietet in dem Holzbau neben Speckknödeln und Almkäse auch Fleischgerichte vom Ultner Laugenrind an. Einziger Wermutstropfen ist, dass es bis jetzt keine Talabfahrt gibt, man also wieder mit der Gondel hinunterfahren muss.

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Hans Gasser

Tageskarte: 30 Euro, www.ultental-deutschnonsberg.info

So entlegen ist Osttirol nun auch wieder nicht, aber für viele ist die Exklave - von Nordtirol durch einen Streifen Südtirol, das Salzburger Land und die Hohen Tauern getrennt - etwas umständlich zu erreichen. Ein Großteil der Wintersportler fährt nur auf dem Weg nach Südtirol durch sie hindurch, etwa zu den Skigebieten in den Sextner Dolomiten. Wer jedoch Entschleunigung und Abstand zum Pistenremmidemmi sucht, ist in der Region um Lienz genau richtig. Hier hat man sich bewusst gegen die massive Erschließung der Natur durch Liftanlagen entschlossen - und für sanftere Wintertouristen, etwa Skitourengeher, Rodler und Langläufer.

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In Lienz und Obertilliach findet am kommenden Wochenende Österreichs größte Langlauf-Veranstaltung statt, der viertägige Internationale Dolomitenlauf mit zahlreichen Bewerben für Amateure und Profis. Die Bedingungen sind ideal. Das Einzige, was den Teilnehmern zu schaffen machen könnte, sind die vorhergesagten neuen Schneefälle. Wenn die Sicht gut ist, überblickt man von der Königsstrecke, der 60 Kilometer langen Grenzlandloipe, das Hochpustertal bis zum Großglockner. Nach dem Lauf regeneriert man sich am besten in Luigis Sportstüberl im Biathlon-Zentrum bei hausgemachter Pizza oder Schlipfkrapfen, inmitten von Langlauf-Memorabilia wie Fotos des mehrmaligen norwegischen Olympiasiegers und Weltmeisters im Biathlon Ole Einar Bjørndalen, der in Obertilliach seine Wohnsitz hat.

Jochen Temsch

Tageskarte: 5 Euro Loipengebühr, www.biathlon-obertilliach.com

Krr, krr, krr, das erste Geräusch des Tages ist ein in vielen anderen Alpenregionen schon fast vergessenes: Schaufeln kratzen über den Straßenbelag, schieben eine schwere Last zur Seite. Auch der Blick auf die dick gepolsterten Dächer zeigt: Über Nacht hat es geschneit, einen halben Meter mindestens, und es will nicht aufhören. In dem weiten, terrassierten Talkessel, gebettet zwischen die Dolomitengiganten Tofana, Monte Cristallo sowie Monte Pelmo, liegt Cortina d'Ampezzo mit seinen 140 Pistenkilometern derzeit unter einer Decke aus Schnee.

Falls wegen des anhaltenden Flockenfalls einmal nicht ans Skifahren zu denken ist, bietet das 6000-Einwohner-Dorf mit seinen Kunstgalerien, Gourmetrestaurants und Boutiquen entlang dem Corso Italia ein Alternativprogramm mit Promifaktor. Der Baita Pie' Tofana mit ihrer schwarz gebeizten Holzfassade und den grünen Fensterläden ist von außen nicht anzumerken, dass sie ein beliebtes VIP-Lokal ist - und war. In den Siebzigerjahren habe hier Ministerpräsident Giulio Andreotti mit einem Kardinal und Licio Gelli, dem Begründer der berüchtigten Freimaurerloge P 2, zusammen gesessen, behauptet Skilehrer Paolo D'Amico. Heute tafelt D'Amico in der Baita mit russischen Privatkunden, darunter einflussreichen Freunden Putins. Diesen habe er auch schon nach Cortina eingeladen, erzählt D'Amico und grinst. Wie die Welt funktioniert, weiß er ja mittlerweile.

Helmut Luther

Tageskarte: 31 Euro (bis 1.2.), www.cortina.dolomiti.org

© SZ vom 16.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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