Schneeschuhtour im Kleinwalsertal:Nur nicht aus der Reihe tanzen

"Herrlich, dieser Schneesturm!" Ja spinnt denn die Bergführerin? Im eisigen Kleinwalsertal sind die Schneeschuhwanderer zunächst wenig begeistert. Bis sie sich auf den Weg machen.

Von Stephanie Schmidt, Kleinwalsertal

Berge können sich nicht verstecken. Oder doch? Der 2533 Meter hohe Große Widderstein, höchster Berg des Kleinwalsertals, verschanzt sich hinter dicken Nebelvorhängen, Dunst ist bis in die Hanglagen hinuntergekrochen. Vielleicht doch lieber ins warme Café? Und nicht auf diesen Berg, der heute offenbar keinen Besuch wünscht? Aber kneifen geht nicht, die Schneeschuhtour durch das Schwarzwassertal im österreichischen Vorarlberg ist gebucht und die Gruppe wartet.

"Wieso, ist doch prächtiges Wetter für eine Schneeschuhwanderung", meint Bergführerin Daniela Schwendiger. Die zehn Teilnehmer, einige von ihnen Anfänger mit guter Grundkondition, sind weniger begeistert: Der eisige Wind bläst ihnen Schneeflocken entgegen, die auf ihren Gesichtern stechend schmelzen. Start ist an der 1260 Meter hoch gelegenen Auenhütte an der Talstation der Ifenbahn, hier teilt Schwendiger Schneeschuhe und Skistöcke aus und gibt eine kurze Einführung: "Ihr müsst breitbeinig gehen, denkt an John Wayne", sagt die Walserin - und erklärt für die Neulinge gleich noch Details des Schneeschuhs.

Etwa die Steighilfe, ein Bügel, der die Ferse ein Stück weit nach oben drückt. Eine willkommene Hilfe, wenn es steil durch den Tiefschnee nach oben geht. Bei leichten Anstiegen wie auf dem Weg durch das Schwarzwassertal ist diese Funktion aber überflüssig. Ebenso wie höhenverstellbare Teleskop-Wanderstöcke, die man sich für Touren besorgen sollte, auf denen es stark bergauf und bergab geht. Doch bei geringen Höhenunterschieden reichen Skistöcke völlig aus.

Immer wieder verlässt Schwendiger den Winterwanderweg und führt ihre Gruppe ins Gelände. Da tanzt man besser nicht aus der Reihe, das hat jeder bald begriffen: Der Erste, der die Spur im Tiefschnee zieht, tut sich am schwersten, der Zweite kommt bereits deutlich leichter vorwärts. Mancher ist zuerst ein wenig wackelig auf den Beinen, gerade wenn es die erste Tour der Saison ist. Doch auch mit wenig Schneeschuh-Erfahrung wächst das Vertrauen schnell: Selbst wer mal das Gleichgewicht verliert, fällt in dem tiefen Schnee weich wie auf Schaumstoffpolster.

Bei dieser Tour im Kleinwalsertal, die mit Pausen insgesamt etwa viereinhalb bis maximal sechs Stunden dauert, marschiert die Gruppe ein Stück am Schwarzwasserbach entlang, der durch das nach ihm benannte Hochtal fließt. Den Hochmooren der Umgebung verdankt er seine schwarzbraune Farbe. Sie kontrastiert mit den Bäumen - der starke Schneefall der vergangenen Stunden hat sie in Skulpturen verwandelt, die mit Eiskristallen umhüllt sind. Bergführerin Schwendiger ruft, weiterhin begeistert: "Ist das nicht herrlich, dieser Schneesturm!"

Auch die Gruppe ist inzwischen fröhlicher gestimmt. Die klare Bergluft wirkt belebend, Beine und Arme sind warm, da gut durchblutet. Schneehauben nehmen Felsblöcken die harten Konturen, auf einigen der Brocken wachsen Bäume. Ein Fels sieht aus wie das Haupt eines versteinerten Riesen, ein anderer wie der Kopf eines Drachens, ein weiterer Stein wie das Gesicht einer Elfe. Die Landschaft gäbe eine gute Kulisse für einen Märchen-Film ab, doch sie kann auch von gefährlicher Schönheit sein.

Knarz, knarz, wieder und wieder

Gerade bei stürmischer Witterung sollte man eine Schneeschuhtour nie auf eigene Faust, sondern immer mit Guide unternehmen. Er weiß, wo es im Schneetreiben wieder ins Warme geht und in welchen Gebieten Lawinengefahr besteht.

Im Schwarzwassertal versinken die Schneeschuhe wie in Watte, als die Gruppe über das Hochplateau der Alpe Melköde stapft, vorbei an einer kleinen Almhütte, die ein Kleid aus Eiszapfen trägt. Bei jedem Schritt, der den Schnee zusammenpresst, knarzt es. Knarz, knarz, wieder und wieder, gemächlich geht es voran, im immer gleichen Rhythmus, Atemzug für Atemzug. Das hat etwas Meditatives. Der Kopf wird frei, die Gedanken ordnen sich, und es bleibt genug Zeit, die Landschaft auf sich wirken zu lassen.

Dieses Gefühl und die Chance, Berge und Täler ohne Lifte und Pisten zu erkunden, bringen manche Alpinskifahrer dazu, auf Schneeschuhe umzusteigen. Fern von Menschenmassen wollen sie die Natur durchstreifen, in einer Stille, in der man viel hören kann. Dafür sind Schneeschuhe ideal: Niemand muss erst einen Kurs besuchen und für die Ausrüstung fallen vergleichsweise geringe Kosten an.

Kleinwalsertal

Das Kleinwalsertal nahe Oberstdorf

(Foto: SZ)

Zwar bietet das Kleinwalsertal, das nur aus den vier Ortschaften Riezlern, Hirschegg, Mittelberg und Baad besteht, doch 128 Kilometer Pisten für Alpinfahrer. "Unter unseren Gästen sind aber nur 35 Prozent Skifahrer", sagt Elmar Müller, Pressesprecher der Genossenschaft Kleinwalsertal Tourismus und ausgebildeter Schneeschuhführer. Die übrigen seien Winterwanderer und Schneeschuhgeher, für die 60 Kilometer Winterwege jeden Tag "von den Jungs vom Bauhof präpariert werden".

Eine beliebte Anlaufstelle für Wanderer und Wintersportler ist die auf 1620 Metern gelegene Schwarzwasserhütte, Ziel auch dieser Schneeschuhtour. Sie ist eine von 30 bewirtschafteten Hütten und Berggasthöfen des Kleinwalsertals und Ausgangspunkt für weitere Touren. Die Hütte erreicht man in einer guten Stunde vom Hochplateau der Alpe Melköde (1350 Meter) - von dort aus sind es 300 Höhenmeter direkt bis zum Ziel. Auf dieser letzten Etappe der Tour sieht man Schluchten und quert gefrorene Wasserfälle - heißt es. Doch Schneeschuhgeher müssen flexibel sein: An diesem Tag bleibt die Gruppe auf dem Wanderweg, es liegt einfach zu viel Schnee für eine abseitige Route. Die Belohnung am Ziel: Für eine Weile verzieht sich der Nebel. Beim Blick in Richtung Aufstiegsroute taucht rechts das Walmendinger Horn auf (1990 Meter), links der Hohe Ifen (2230 Meter). An diesem Tag erinnern die beiden Gipfel an Eisberge, so viel Schnee ist in den vergangenen 24 Stunden gefallen.

Das Faltengebirge des Ifen entstand vor 70 Millionen Jahren in der Kreidezeit. Wer in etwa 2000 Metern Höhe auf dem Gottesacker-Plateau schneeschuhwandern will, der zum Ifenstock gehört, braucht gute Sichtverhältnisse. Dort oben verliert man leicht die Orientierung. Die Schneedünen-Landschaft des Gottesackers mit ihren Spalten, Löchern und Senken ist eine geologische Besonderheit, von der aber auch besondere Gefahren ausgehen. Wer sie erkunden will, muss warten, bis die Spalten ausreichend mit Schnee gefüllt sind. Elmar Müller hat das Karstgebiet zu allen Jahreszeiten durchstreift: "Von Jahr zu Jahr verändert der Gottesacker sein Gesicht. Manchmal erkenn' ich ihn gar nicht mehr wieder."

Informationen

Unter www.kleinwalsertal.com kann man Schneeschuhtouren online buchen. Die Schneeschuhtour ins Schwarzwassertal und zur Schwarzwasserhütte kostet 56 Euro pro Person und wird immer mittwochs vom 21.Dezember 2016 bis 29. März 2017 angeboten; Schneeschuhe und Stöcke sind jeweils im Preis enthalten. Wer sich die Tour noch nicht zutraut, kann die Schneeschuhe auf einer zweistündigen Schnupperrunde ausprobieren.

Unterkunft z.B. im Hotel zur Post in Riezlern. Von dort sind es nur wenige Gehminuten zur nächsten Walserbus-Haltestelle; mit dem kostenlosen Walserbus erreichen Gäste zahlreiche Bergbahn- und Sesselliftstationen. Mit der Buslinie fünf gelangt man von Riezlern zur Talstation der Ifenbahn/Auenhütte, Treffpunkt für die Schneeschuhtour zur Schwarzwasserhütte.

Bei gutem Wetter könne man von dort den Bodensee, die Berge der Region Bregenzerwald und den 2502 Meter hohen Säntis in der Schweiz sehen. Wer in diesem Gebiet mit Schneeschuhen unterwegs sei, wird bestimmt die Sage über die Entstehung des Gottesackers hören. Müller erzählt sie so: "Ein Bettler hatte dort einst einen Bauern um Essen gebeten. Der Bauer gab ihm einen Topf mit Schmalz. Aber unter einer dünnen Schmalzschicht war nichts anderes als Kuhmist. Als der Bettler merkte, dass er betrogen worden war, stieß er einen Fluch aus - und der Gottesacker verwandelte sich in eine unfruchtbare Karstlandschaft."

Ganz im Gegensatz zum Schwarzwassertal. Beim Abstieg von der Hütte führt der Weg wieder im Flockentreiben durch einen schneeverwunschenen Märchenwald mit Gestalten aus Wurzelwerk und Gestein. Und die erst nicht so wetterfeste Gruppe?

Wieder am Ausgangspunkt Auenhütte angekommen sagt eine Teilnehmerin zur Bergführerin: "Übrigens: Genau das richtige Wetter für eine Schneeschuhtour." Alle nicken, die Wangen feuerrot.

Die Recherche für die Tour wurde unterstützt von Kleinwalsertal Tourismus.

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