Schneesaison:Wie wird der Winter?

Althergebrachte Bauernregeln, ein Anruf bei Indianern und Ameisenhügel - all dies soll helfen, will man das Wetter vorhersagen. Wir haben Menschen gefragt, die es wissen müssten.

Feucht und fröhlich

Schneesaison: Feiern wie hier in Ischgl kann man auch ohne Schnee.

Feiern wie hier in Ischgl kann man auch ohne Schnee.

(Foto: Foto: www.ischgl.com)

Der Wintersporttourismus hat es schon schwer. Keine Sparte in der ohnehin wetterempfindlichen Tourismusbranche ist derart auf die Launen der Natur angewiesen.

Das Kolosseum in Rom steht immer, die Fernreisenden überweisen ihr Geld oft schon Monate im Voraus und dem typischen Mittelmeer-Urlauber kann ein sonniger Aufenthalt fast schon garantiert werden.

Dagegen soll es nach dem Willen der Gäste ausgerechnet am unberechenbaren Berg möglichst viel Schnee und gleichzeitig Sonne geben. Die Langzeitprognose für viele Wintersportorte lautet deshalb: Es wird härter.

Je nach Lage bestehen jedoch Unterschiede. Miriam Fuchs, Pressesprecherin des Harzer Verkehrsverbandes, konstatiert auch wegen der unbeständigen Wetterlage immer mehr kurzfristige Buchungen der Winterkunden, kann aber für die kommenden Monate zumindest so viel versprechen: "Wenn kein Schnee kommt, wird keiner bei uns die Türen schließen."

Inzwischen wird auch bewusst auf Angebote ohne Schnee gesetzt, nachdem die lokalen Touristiker in jenem beinahe schneelosen Winter vor zwei Jahren laut Fuchs "ein kleines bisschen in den Schockzustand" verfielen. Weil auch der vergangene Winter nur unmerklich besser war, buchen die Kunden vor Saisonstart entsprechend zögerlich. Andererseits hat jene Spontanität der Gäste eben auch den Vorteil, dass bei einem plötzlichen Schneesegen "der Harz ganz gut besucht wird", so Fuchs.

Bruno Huggler hingegen, Marketingleiter von Wallis Tourismus in der Schweiz, verweist für die anstehenden Weihnachtsferien auf eine ähnliche Buchungslage wie im vergangenen Jahr. "Was allerdings dann im Januar und zwischen Fasching und Ostern passiert, wissen wir noch nicht", sagt er.

Insgesamt erwarte er nach dem vergangenen Rekordwinter eine eher rückläufige Tendenz. Schließlich profitierte das Wallis als echte Bastion in Sachen Schneesicherheit mit Skigebieten zwischen 3500 und fast 3900 Metern Höhe auch von der Schwäche der Konkurrenz. Die Wintersaison ist dort jetzt schon eröffnet.

Zumindest gibt es eine Konstante im unsicheren Geschäft: Im Après-Ski-Paradies Ischgl wird auch 2008/09 wieder gefeiert. Zwar sagt auch Ischgls Tourismusverbands-Obmann Alfons Barth trotz hochmoderner Beschneiungsanlage: "Winterstimmung kommt am besten auf, wenn überall Schnee liegt", aber die Partystimmung scheint davon unabhängig zu sein. Gesprächspartner verabschiedet er schon mal mit einem Spruch wie: "Wenn wir uns sehen, dann trinken wir ein Glaserl."

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, wie sich der Meteorologe bei den Indianern schlau macht.

Wie wird der Winter?

Im Mittel normal

Schneesaison: Ein Eisberg in der Antarktis - hier friert man gerade.

Ein Eisberg in der Antarktis - hier friert man gerade.

(Foto: Foto: dpa)

Wenn man Karl Gabl fragt, wie der Winter wird, sagt er: "Da muss ich erst bei den Apachen anrufen." Weil: "Wenn die Indianer viel Holz gesammelt haben, wird der Winter streng." Einer wie Gabl kann so eine Frage natürlich nur mit Ironie beantworten, alles andere erschiene ihm unseriös.

Gabl leitet die Regionalstelle für Tirol und Vorarlberg beim österreichischen staatlichen Wetterdienst, der Zentralen Anstalt für Meteorologie und Geodynamik. Seit 30 Jahren ist er Meteorologe, und in Sachen Bergwetter gilt er als letzte Instanz.

Extrembergsteiger wie die Huber-Buam oder Ralf Dujmovits rufen ihn mal schnell per Satellitentelefon an, damit er ihnen sagt, wie das Wetter am K2 oder in der Antarktis wird. Fünf bis sechs Tage im Voraus könne man heute eine relativ sichere Aussage treffen, sagt Gabl, mehr aber nicht.

Zwar gebe es Langzeit-Wettermodelle über mehrere Wochen und Monate, aber die hörten sich dann so an: "Im Temperatur-Mittel wird der Dezember normal verlaufen, aber es gibt Anzeichen dafür, dass er kälter sein könnte." Derselbe Satz gelte auch für den Januar 2009, sagt Gabl, daran könne man sehen, wie aussagekräftig solche Jahreszeitprognosen seien.

Was er mit Sicherheit sagen kann, ist, dass die Huber-Brüder in der Antarktis gerade frieren, weil es dort auf 2000 Metern, wo sie klettern, etwa minus 20 Grad Celsius hat. Und in die Vergangenheit kann er auch schauen: Im Alpenraum seien die Winter-Temperaturen seit 1970 um etwa zwei Grad gestiegen. Was aber nicht heiße, dass weniger Schnee fällt.

Zumindest im nordtirolerischen und bayerischen Raum habe die Schneemenge nicht abgenommen, im Gegenteil, die Niederschläge seien sogar um etwa fünf Prozent gestiegen. "Nur wird die Zeit, die der Schnee liegenbleibt, kürzer - wegen der höheren Temperaturen", so Gabl.

Im Übrigen möchte er gar nicht unbedingt in der Lage sein, das Wetter lange im Voraus zu kennen. "Da wäre ich entweder reich - oder tot. Stellen Sie sich nur vor, ich könnte den Südtirolern sagen: bis Februar kein Schnee - die würden mich lynchen."

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, dass Bauernregeln wenig treffsicher, aber unterhaltsam sind.

Wie wird der Winter?

Schneesaison: Die Alten vertrauen häufig noch den traditionellen Bauernregeln.

Die Alten vertrauen häufig noch den traditionellen Bauernregeln.

(Foto: Foto: ddp)

Elisabeth zeigt's an

Der Volksmund ist ein sturer Hund. Was die Alten als unumstößliche Wahrheit von sich gaben, das plappert er nach, seit Jahrhunderten. Aufklärung? Fehlanzeige! Und so ist es wenig verwunderlich, dass in Zeiten, in denen das Wetter zunehmend unberechenbar wird, selbst der Städter und Büroknecht auf den Bauern verweist, von Lostagen und 100-jährigem Kalender fabuliert.

Und sogar ernstzunehmende Meteorologen ziehen den Hut vor mancher Bauernregel, wenn man nur den regionalen Kontext berücksichtige und den zehntägigen gregorianischen Kalendersprung von 1582 mit einrechne.

Die meisten Bauernregeln gehen nämlich zurück auf deutsche Spruchsammlungen aus den Jahren 1508 ("Bauernpraktik") und 1510 ("Reynmanns Wetterbüchlein").

Was sagen sie uns nun, die Bauernregeln, über den kommenden Winter? "Hängt das Laub bis in den November hinein, wird der Winter lange sein." Das Laub hängt noch vielerorts, weil es relativ warm und wenig stürmisch war. Im Grunde heißt es aber wohl nur: Ein Winter, der spät anfängt, dauert eben länger - Küchenmeteorologie.

Nicht so aber die heilige Elisabeth: "Elisabeth (19.11.) zeigt an, was der Winter für ein Mann." Diesen Anspruch untermauert ein ambitionierter Diplomand der Universität Graz. Er will herausgefunden haben, dass zumindest im Osten der Steiermark diese Regel eine statistische Signifikanz von mehr als 90 Prozent besitzt.

Von 26 Bauernregeln, die er mit Wetterdaten abgeglichen hat, besaßen ganze vier eine solch positive Signifikanz, allerdings beziehen sich die drei anderen nicht auf den Winter. Bei vier weiteren Regeln machte das Wetter zu 90 Prozent genau das Gegenteil dessen, was der Spruch besagt - alle anderen hatten überhaupt keine Aussagekraft.

So verhält es sich mit den Bauernregeln in etwa so wie mit der Religion: Es kommt aufs Glauben, nicht aufs Wissen an - und auf den Unterhaltungswert, der früher an langen Winterabenden wohl auch wichtig war: "Ist Ambrosius (7.12.) schön und rein, wird Florian (22.12.) ein Wilder sein."

Erfahren Sie auf den nächsten Seite, wie sich der Schneekanonier selbst behilft.

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Schneesaison: Eine Schneekanone auf dem Fellhorn.

Eine Schneekanone auf dem Fellhorn.

(Foto: Foto: dpa)

Weiß oder gestreift

Egal, welche Wettervorhersagen Meteorologen, Kräuterfrauen und Skilehrer treffen - für Carlos Canins steht jetzt schon fest, dass der Winter weiß wird.

Der 45-Jährige aus Pedraces kümmert sich seit 24 Jahren um die Beschneiungsanlagen und die Pistenpflege in Alta Badia, einem der größten Skigebiete Südtirols. Dort, zwischen 1400 und 2500 Metern, stehen knapp 400 Schneekanonen, wie viele genau es sind, kann der Schneemacher selbst nicht sagen. Jedenfalls kann er es damit auf 80 Prozent aller Pisten der Region Winter werden lassen.

Dabei sind er und sein 15-köpfiges Team nicht ganz unabhängig vom Wetter. Schließlich brauchen seine Maschinen Außentemperaturen von mindestens minus zwei Grad, um überhaupt Kunstschnee produzieren zu können.

Die Luftfeuchtigkeit in seiner Region ist relativ hoch, weshalb die Wassertropfen nach dem Austreten aus den Düsen der Schneekanonen viel Kälte brauchen, um gefrieren zu können. Das Wasser dafür kommt aus dem Bach im Hochabteital, mit welchem auch der offene Speicherteich und 15 weitere unterirdische Reservoire gefüllt werden - das reicht für eine Woche Beschneiung, dann muss wieder aufgefüllt werden.

"Wir haben lediglich die Voraussetzungen für einen schneereichen Winter geschaffen, aber das Wetter können wir nicht beeinflussen. Sonst wären wir ja perfekt", sagt Canins und lacht. Dass die wichtigen Minustemperaturen kommen werden, steht für Canins fest. Die Frage laute nur: Wann ist es soweit?

Der Auftakt der Kunstschnee-Saison in Alta Badia ist für Ende November geplant. "Die Maschinen stehen schon, wir sind startbereit", sagt Canins.

Allerdings lassen die derzeit milden Temperaturen noch nicht einmal die Grundbeschneiung von etwa 30 Zentimetern zu. Den Startschuss wird Canins also erst geben können, wenn sich eine längere Kälteperiode abzeichnet. Denn für die Grundbeschneiung der rund 50 Pistenkilometer benötige er zwei Wochen. "Wenn wir früher anfangen würden, wäre das mehr oder weniger rausgeschmissenes Geld", sagt er.

Zwischen zwei und fünf Euro kostet der Kubikmeter Kunstschnee; pro Wintersaison, die bis Ende Februar andauert, werden so bis zu sieben Millionen Euro ausgegeben. Lohnen würde sich die Investition auf jeden Fall, sagt Canins, sonst wäre das Skigebiet nicht mehr konkurrenzfähig - vor allem dann, wenn der Naturschnee mal ausbleibe. Den möchte selbst der Anlagen-Chef nicht missen: "Die Kulisse ist viel schöner, wenn keine braunen Streifen am Rande der Pisten zu sehen sind."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Skilehrer Erich Melmer an fernen Kontinenten orientiert.

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Schneesaison: Auf dem Perito-Moreno-Gletscher in Argentinien.

Auf dem Perito-Moreno-Gletscher in Argentinien.

(Foto: Foto: AFP)

Wie in Argentinien

Erich Melmer ist nicht irgendein Skilehrer. Er ist der Skilehrer. Seit 2003 steht der gebürtige Tiroler dem internationalen Skilehrerverband Interski vor. Daneben agiert er als Berater von Skigebieten rund um den Globus, war einst Chef des Tourismusverbandes Klostertal und wuchs im Pitztal als Bauernbub auf.

Vor kurzem hat er einem Oligarchen in Ostsibirien bei der Konzeption eines Skigebiets geholfen. Da müsste eine banale Schneefallprognose doch ein Klacks sein für ihn. Aber er lässt sich nicht hinreißen: "Es ist pure Wahrsagerei zu sagen, wie der Winter wird", sagt Melmer. Doch als lokal geschulter und international tätiger Wintersportspezialist hat er zumindest eine gewisse Vorahnung. Dafür blickt er dann nicht in die Glaskugel, sondern beispielsweise nach Südamerika und Australien, die die kalte Jahreszeit bereits hinter sich haben und deren Schneelage als Indikator für die Alpen gilt.

Erst neulich erhielt Melmer ein Schreiben eines argentinischen Auszubildenden, der regelmäßig auch in seiner Skischule in Vorarlberg gastiert. Der habe sich gefreut: "Bei uns lag richtig viel Schnee." Er sei sich daher sicher, dass es auch an Melmers Hausberg Sonnenkopf richtig viel schneien werde.

Im Pitztal, Melmers Heimatort, hat man früher freilich weit weniger auf interkontinentale Kommunikation als vielmehr auf lokale Phänomene gesetzt. "Die haben die Natur beobachtet, da sie auf die Schneeverhältnisse angewiesen waren", sagt Melmer. Er selbst könne das leider nicht mehr, außerdem "verändern sich die Rahmenbedingungen ja laufend".

Und obwohl der Sonnenkopf als recht schneesicher gilt, zieht Erich Melmer das fundierte Fazit der gewagten Prognose vor: "Wie gut die Saison war, kann ich Ihnen am Ostermontag sagen.

Lesen Sie auf der letzten Seite, wie eine Kräuterfrau die Witterung von Ameisenhügeln abliest.

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Schneesaison: Wer das Wetter vorhersagen will, sollte Ameisen beobachten.

Wer das Wetter vorhersagen will, sollte Ameisen beobachten.

(Foto: Foto: AP)

Wahrscheinlich mild

Wetterhexe sei sie keine, sagt Christl Percht, sondern "total geerdet". Die Heilkräuterberaterin, wie sie sich selbst nennt, betreibt seit 20 Jahren einen Kräutergarten auf 1250 Metern Höhe in Michaelerberg in der Steiermark und liest seither das Wetter aus der Natur ab. "Der Winter wird niederschlagsreich und feucht", sagt Percht. "Zumindest für unsere Höhenlage, für andere Regionen kann ich nichts vorhersagen."

Vorzeichen gebe es viele: Die Ameisenhügel liefen bereits im Juli spitz zu, was auf viel Niederschlag hindeute - so könne die Feuchtigkeit besser abrinnen und die Tiere könnten den Winter überleben.

Dass diesen Winter wohl eher mit viel Regen statt Schnee zu rechnen ist, könne sie auch am Fallen des Laubs ablesen: Wenn vor dem ersten November das meiste Laub von den Bäumen gefallen ist - wie in diesem Jahr in ihrer Gegend der Fall -, dann werde der Winter eher mild. Außerdem suchten zurzeit viele Mäuse Schutz in umliegenden Häusern, die Erde sei zu nass. Das deute ebenfalls auf einen feuchten Winter hin.

"So wie es aussieht, wird es Anfang und Ende Dezember schneien", sagt Percht. Das liege am heißen Juli und August. Ob es so kommen wird? "Bisher haben meine Vorhersagen zu 90 Prozent gestimmt", sagt Percht. Und bei einem ist sie sich zu 100 Prozent sicher: "Wir werden genug Schnee haben, dank der Beschneiungsanlagen."

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