Schlosshotels in Polen:Zurück in die Zukunft

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Das Hirschberger Tal bei Breslau gefiel dem preußischen Adel einst so gut, dass dort ein prächtiger Herrensitz neben dem anderen errichtet wurde. Nach jahrzehntelangem Verfall sind aus vielen der einstigen Schlösser historische Schlosshotels geworden.

Klaus Brill

So ähnlich muss es vor 20 Jahren überall hier ausgesehen haben wie jetzt an diesem alten Speicher noch, der neben dem Schloss steht. Das Dach ist löchrig, die Fensterscheiben sind zerbrochen, von der Mauer ist der Putz abgefallen. Doch wenn Elisabeth von Küster von jenem sonnigen Tag im Herbst des Jahres 1991 erzählt, an dem sie und ihr Mann Ulrich, damals noch ihr Freund, zum ersten Mal das Gelände betraten, dann wird schnell klar: Um Schloss Lomnitz stand es noch viel schlimmer als um diesen Speicher, der auf seine Restaurierung wartet.

Im Hirschberger Tal hat sich einst der preußische Adel Herrensitze erbauen lassen: Schloss Wojanow. (Foto: Schloss Wojanow)

Das Dach des Schlosses und die Decken waren eingestürzt, durch die zerstörten Fenster sah man meterhohen Schutt im Inneren liegen, auch der Park war verwildert und mit Müll verdreckt. Heute fällt es schwer, sich das vorzustellen. Wie ein polierter Edelstein glänzt der Bau in der Sonne mit seinen gelb-weißen Barockfassaden und seinen roten Dächern. Im Park blühen Blumen, ein Brunnen plätschert, und nebenan im ebenfalls umfassend restaurierten Witwenschloss sitzen die Gäste des hier befindlichen Hotels an diesem lauen Frühlingsabend plaudernd auf der Terrasse und wählen schlesische Gerichte aus.

Elisabeth von Küster setzt sich mit ihrer kleinen Tochter hinzu, erzählt vom 21-jährigen Abenteuer dieses Wiederaufbaus und sagt am Ende: "Die Rettung war erfolgreich." Schloss Lomnitz bedeute für sie und ihren Mann "Spaß und Ärger und niemals Langeweile und eine tolle Aufgabe".

Historische Herausforderung

Diese Aufgabe kann man durchaus als historische Herausforderung bezeichnen, und nicht nur die Familie von Küster hat sich ihr gestellt. Lomnitz ist nur eines von mehr als 2000 Schlössern und Herrensitzen, die es in Schlesien einst gab. Allein im Hirschberger Tal, rund 100 Kilometer von Breslau und 70 Kilometer von Görlitz entfernt, gibt es auf engem Raum 36 solcher Objekte, dazu fünf mittelalterliche Burgen. Die Schrecken des 20. Jahrhunderts, die 1945 den Übergang Schlesiens von preußischer in polnische Hoheit und damit unter kommunistische Herrschaft zur Folge hatten, führten zur Enteignung und Verwahrlosung der Bauten, die Besitzer wurden vertrieben. Wie Lomnitz waren auch die meisten anderen Herrenhäuser dem Ruin nahe, als 1989 der Kommunismus zusammenbrach und Polen wieder ein freies Land wurde.

Nach der Wende fing Ulrich von Küster, der in Westdeutschland lebte, an, seiner schlesischen Familie nachzuforschen. Seine Großmutter hatte noch auf Lomnitz (polnisch: Lomnica) gelebt, und nach der ersten Reise an diesen Ort fasste er 1991 mit seiner Frau spontan den Entschluss, die Ruine zu erwerben und wieder aufzubauen.

Andere Objekte fanden das Interesse polnischer Investoren, zum Beispiel des Breslauer Bauunternehmers Piotr Napierala, der im Nachbarort Wojanów (deutsch: Schildau) zusammen mit Partnern das dortige Schloss erwarb und ebenso zum Hotel ausbaute, wie es die Küsters mit ihrem Witwenschlösschen taten. Mittlerweile sind im Hirschberger Tal, das auf Polnisch Kotlina Jeleniogórska heißt, in gleicher Weise bereits acht Schlosshotels entstanden, an zwei weiteren wird noch gearbeitet. Womit denn diese liebliche Region im Dreiländereck zwischen Polen, Tschechien und Deutschland nicht mehr nur die größte Dichte an Schlössern in Europa aufweist, sondern auch die an Schlosshotels.

Das Hirschberger Tal liegt am Fuße des Riesengebirges, von vielen Stellen sieht man die auch im Frühsommer noch mit Schnee bedeckten Hänge und ihren höchsten Punkt, die Schneekoppe. Das Panorama galt schon früheren Generationen als Attraktion.

Schloss Wernersdorf, eine "Herberge der Luxusklasse", gehört einem Ärztepaar aus dem Saarland. Der Mann entstammt der Familie, die das Objekt vor 1945 besaß. (Foto: Schloss Wernersdorf)

Im Mittelalter stand die Region zunächst unter der Herrschaft der polnischen, dann der böhmischen Könige, auch schlesische Herzöge bestimmten mit. 1526 gelangte sie an die österreichischen Habsburger, deren Königin Maria Theresia sie 1742 im Schlesischen Krieg an den räuberischen Preußenkönig Friedrich II. verlor. Schon damals fanden adlige Familien und die sogenannten Schleierherren, eine örtliche Kaufmannsaristokratie, die durch den Leinenhandel reich geworden war, Gefallen daran, alte Rittersitze zu barocken Lustschlösschen umzuwandeln oder neue Herrenhäuser zu errichten. Im 19. Jahrhundert dann legten sich hier preußische Aristokraten komfortable Paläste zu.

Idyllische Wunschlandschaften im romantischen Geist

Architekten wie Karl Friedrich Schinkel und der Gartenbaudirektor Peter Joseph Lenné legten Hand an, idyllische Wunschlandschaften entstanden im romantischen Geist. Das Hirschberger Tal galt als "das schlesische Elysium", wie der Kunsthistoriker Arne Franke schreibt. Als später noch die Eisenbahn bis Hirschberg, Jelenia Góra, reichte, zog es Erholungssuchende in großer Zahl aus Berlin herbei, war doch das Riesengebirge für sie die nächstgelegene, mit Express bequem erreichbare Bergregion. Man wanderte und fuhr Ski.

Die touristische Infrastruktur indes war vor 100 Jahren besser ausgebaut als heute. Und für die wagemutigen Unternehmer, die in die alte Tradition wieder einzutreten hoffen, ist es der Ansporn, das Hirschberger Tal erneut zu einer Destination der Sonderklasse in Europa zu machen. Auch der Tourismus zur Fußball-Europameisterschaft könnte seinen Teil dazu beitragen. Ein Abstecher ins Hirschberger Tal ist jedenfalls eine ruhige Alternative zum Fußballrummel. "Die Attraktion liegt im Ganzen, nicht nur in jedem einzelnen Palast", sagt Krzysztof Korzen, der Direktor der Stiftung Schlösser und Gärten des Hirschberger Tals.

Die Stiftung wurde von dem auf Denkmalschutz-Objekte spezialisierten Breslauer Bauunternehmer Piotr Napierala ins Leben gerufen, der mit seinen Partnern außer in Wilanów auch in Hirschberg und Karpniki (Fischbach) Schlösser renoviert und zu Hotels umgebaut hat, ein viertes Projekt in Bukowiec (Buchwald) ist in Entwicklung. Als ersten großen Erfolg verbuchten sie, dass jüngst die Parklandschaft mit elf Schlössern in die nationale polnische Denkmalliste eingetragen wurde. "Das hat uns viel Arbeit gekostet", sagt Krzysztof Korzen. Jetzt will er das ganze Hirschberger Tal zum Unesco-Weltkulturerbe erklären lassen.

Konkurrenz zwischen den einzelnen Schlosshotels dürfe es angesichts dieses Ziels nicht geben, da sind die Hoteliers sich einig. "Jedes der Objekte hat ja einen etwas anderen Charakter", sagt Korzen. Und in der Tat, der Unterschied ist spürbar, nicht nur in der Kapazität.

Denkmalpreis für die Renovierung

Schloss Wojanów, mit 200 Betten die größte Herberge, spricht mit seinem verspielten neogotischen Getürm, den Farbkontrasten und dem Plüschgestühl den Geschmack der Massen an - in Bussen kommen polnische Reisegruppen zu Besuch. Hingegen regiert im kleineren Schloss Lomnitz mit gedeckten Tönen der diskrete Charme der ländlichen Eleganz, die Küche ist bodenständig. Im neu eröffneten Schloss Wernersdorf (Pakoszów) wiederum, das sich als "Herberge der Luxusklasse" versteht, wird auch das Essen den Ansprüchen eines Feinschmeckers gerecht. Besitzer ist ein saarländisches Ärztepaar, der Mann entstammt der Familie, die das Objekt vor 1945 besaß.

"Jedes Haus ist anders, jedes hat eine andere Atmosphäre", sagt auch Waclaw Dzida. "Wir unterscheiden uns, die Kundschaft unterscheidet sich ja auch." Seit zehn Jahren betreibt der junge polnische Hotelier das barocke Schloss Staniszów (Stonsdorf), das einst den Grafen Reuß gehörte und bekannt war durch den hier erzeugten Kräuterlikör. Wer hier die alten Holzfußböden oder Sandsteinfliesen betritt, verspürt sogleich den Geist verlebter Jahrhunderte, der Bau wirkt authentisch. Beim gehobenen französisch-polnischen Diner auf der Terrasse geht der Blick in den wiederhergestellten Landschaftspark mit seinen Wegen und Teichen. Waclaw Dzida hat für die Restaurierung einen polnischen Denkmalschutzpreis erhalten.

Die Nazi-Zeit ist kein Thema mehr

Mehr als die Hälfte seiner Gäste sind Deutsche, der Anteil der Polen aber, bisher ein Drittel, wächst. Und ebenso nimmt das polnische Interesse an der wechselvollen, in einer langen Phase auch deutsch bestimmten Geschichte der Region zu. Die Nazi-Zeit und die historische Belastung der Beziehungen ist hier "kein Thema mehr", wie Waclaw Dida sagt.

Von den Behörden, insbesondere vom zuständigen Denkmalschützer Wojciech Kapalczynski in Jelenia Góra haben die neuen deutschen genauso wie die neuen polnischen Schlossherren nachdrückliche Unterstützung erhalten. Das neue Einvernehmen zeigt sich auch darin, dass Kapalczynski als stellvertretender Vorsitzender in dem von Deutschen gegründeten Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur mitwirkt, der beim Wiederaufbau von Schloss Lomnitz kräftig mitgeholfen hat und dort ein Kulturzentrum betreibt.

Die Zeit, die Hände in den Schoß zu legen, ist noch nicht gekommen. Auf allen Schlössern gehen die Bauarbeiten weiter, die Nebenhäuser und die Außenanlagen sind noch nicht fertig. "Die Zukunft", heißt es auf der Website von Schloss Lomnitz so schön, "hat gerade angefangen."

Informationen:

Anreise: Flug nach Prag oder Breslau, von dort weiter mit dem Mietauto.

Unterkünfte: Hotel Schloss Lomnitz, Lomnica: DZ ab 60 Euro, www.schloss-lomnitz.pl, Hotel Schloss Schildau, Wojanow: DZ ab 95 Euro, www.palac-wojanow.pl Hotel Schloss Stonsdorf, Staniszow: DZ ab 80 Euro, www.schlossstonsdorf.de Schlosshotel Wernersdorf, Pakoszow: DZ ab 81 Euro, www.schlosshotel-wernersdorf.de

Weitere Auskünfte: www.polen-travel.de

© SZ vom 31.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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