Die Löcher soll Barkeeper Lawrence Wilson in den sechziger Jahren mit seinem 45er Revolver dort hinein geballert haben - weil drei Kunden nicht zahlen wollten. Unzählige Schwarzweiß-Fotos und Bergwerk-Überbleibsel wie Gaslampen, Blechschilder und Äxte zieren die Wände. Selbst die Bar, das Herzstück des Saloons, droht in der Fülle dieses nostalgischen Krimskrams fast unterzugehen.
Seit mehr als hundert Jahren ist der Saloon schon Treffpunkt für Einheimische - und seine Geschichte damit auch die Geschichte des Städtchens Wayne. Die ersten Ölfunde im Jahr 1947 in der Region Alberta hatten aus einer florierenden Bergbauerstadt eine scheintote Geisterstadt gemacht: Bis dahin schürften täglich mehr als 2000 Arbeiter in den umliegenden Bergen nach Kohle. Weil die Rosedeer Coal Mine direkt gegenüber liegt, strömten etwa 250 Arbeiter jeden Tag zum Essen und natürlich zum Trinken in den "Last Chance Saloon".
"Sechzig Bergleute wohnten bei uns im Hotel, das damals noch mit einem riesigen Esszimmer und zwei Küchen ausgestattet war", erinnert sich der ehemalige Besitzer Fred Dayman, der mittlerweile im Ruhestand ist. Sein Urgroßonkel hatte den Saloon vor mehr als hundert Jahren eröffnet. Aus Erzählungen seiner Mutter weiß Dayman, dass es unter den Minenarbeiter oft blutige Kämpfe gegeben hat, die vor dem Saloon ausgetragen wurden.
Zudem sollen viele Arbeiter Anhänger der Kommunistischen Partei gewesen sein. "Der Ku-Klux-Klan beherrschte damals die Gegend. Regelmäßig haben sie versucht, Arbeiter oben im Hotelzimmer mit Gewalt vom Kommunismus abzubringen. Dabei sollen sie oft zu weit gegangen sein", berichtet Dayman. Seitdem kursieren unheimliche Gerüchte über zu Tode gefolterte Kommunisten. Ihre ruhelosen Seelen sollen noch immer in den Hotelzimmern umher spuken und beleben damit den Ort: Sie locken Geisterjäger aus dem ganzen Land nach Wayne.
Die unheimliche Vergangenheit des Anwesens konnte Dave Arsenault nicht davon abhalten, den Saloon samt Hotel vom einstigen Besitzer Dayman abzukaufen. "Ich plante eigentlich, ein Bed&Breakfast zu eröffnen. Aber als die Daymans das hier alles aufgeben wollten, konnte ich nicht anders", sagt Arsenault. Vor fünf Jahren hat der ehemalige Landvermesser, der damals noch für die Öl- und Gas-Industrie arbeitete, den Saloon übernommen. Auch weil er selbst seine Hochzeitsnacht in der historischen Suite im Rosedeer Hotel verbrachte - ganz ohne Spuk.
Besitzer Dave Arsenault in der Lobby seines Rosedeer Hotels in Wayne, Alberta.
(Foto: Lisa Wazulin)Nach dem Kauf hat der 56-Jährige die Einrichtung des Saloons nicht verändert, sondern lediglich das Hotel neu hergerichtet. "Selbstverständlich kann man heute dort übernachten", sagt Arsenault und fügt lächelnd hinzu: "Wenn man starke Nerven hat." Sechs Hotelzimmer hat er renoviert, wobei der Kanadier sich an historischen Aufnahmen orientierte. Über eine unscheinbare Schiebetür gelangt man vom Saloon in die Lobby des Hotels. Im schummerigen Licht eines kleinen Kristallkronleuchters führt eine alte Holztreppe ins Dunkel.
"Eine Nacht kostet 80 Dollar, wir haben die Zimmer nach Themen eingerichtet", erklärt der Kanadier stolz. So gibt es etwa das Bergarbeiterzimmer, den Golfraum und auch noch immer die Honeymoon-Suite. Dass der dritte Stock für Gäste gesperrt ist, weil es dort spuken soll, erwähnt er nicht.
Dafür erzählt er von zahlreichen Besuchern, die sich als Erforscher des Paranormalen sehen. Ein 70-jähriger Gast etwa quartiert sich jedes Jahr im Winter für eine Woche ins Hotel ein, wenn es komplett leer ist. "Seltsamer Typ, aber er ist vom Spuk überzeugt", findet Arsenault. Und er selbst? "Man muss schon daran glauben. Oder eben sehr empfänglich für diese Phänomene sein."