Safari-Lodge in Kenia:Rosa Typen willkommen

In Kenia betreiben Massai ein Urlaubsresort, in dem sogar Prinz William absteigt. Dabei waren die Massai vor den ersten Touristen noch davongerannt.

Michael Bitala

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KENYA-LIONS-ENVIRONMENT

Quelle: AFP

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Inmitten spektakulärer Natur gelegen und durch königlichen Besuch geadelt: In Kenia betreiben Massai ein Urlaubsresort, von dem die westliche Welt sich einiges abschauen kann. Eine Reportage von Michael Bitala.

Eine der ersten Regeln, die man als Tourist in Kenia lernt: Steige bei einer Tour durch einen Nationalpark nur an sicheren Orten aus dem Auto! Niemals mitten auf der Strecke! Es könnte ein Löwe im Gebüsch versteckt sein, ein Leopard auf einem Baum sitzen oder ein einsamer Büffel sich gestört fühlen. An diesem Morgen aber gilt diese Regel nicht, es geht nämlich zu Fuß von der Il N'gwesi Lodge durch ausgetrocknete Flussbetten, Akazienhaine und Dornengebüsch. Plötzlich streckt James ole Kinyaga den Arm aus und sagt: "Schauen Sie, da hinten, da sitzt ein Löwe."

Gazelle

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Ein Löwe - und den einzigen Schutz den man hat, ist der Massai Kinyaga, der einen in diesen frühen Morgenstunden durch die Savanne führt. Da kann man sich dann nur noch darauf verlassen, dass der stolze Vertreter dieses Krieger- und Hirtenvolkes weiß, wie man einen angreifenden Löwen mit den Händen bändigt. Er hat nämlich nichts dabei, keinen Schlagstock, keinen Speer, keinen Pfeil und keinen Bogen. Doch der Schreck ist zum Glück nur kurz. Der vermeintliche Löwe ist nur eine Gazelle. Was zu der Erkenntnis führt, dass selbst ein Massai ab und zu so blind durch die ostafrikanische Landschaft läuft wie ein mitteleuropäischer Tourist.

Ngwesi Lodge Kenia

Quelle: Ngwesi Lodge

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Den 30-jährigen Kinyaga sollte man trotzdem nicht unterschätzen. Der Mann, der in seiner traditionellen roten Tracht und mit den bunten Ketten um den Hals aussieht wie aus einem Reiseprospekt, hat mit all den anderen Massai seiner Gemeinde etwas geschafft, das in Kenia gemeinhin als Ausnahme gilt: Sie haben auf ihrem Land eine einzigartige Öko-Lodge (Foto) errichtet, die ihnen ganz alleine gehört und die sie selbst verwalten. Und sie ist so schön und luxuriös, dass der britische Prinz William und seine Freundin Kate Middleton hier schon ein halbes Dutzend Mal Urlaub gemacht haben und mindestens genauso königlich versorgt wurden wie jeder andere Gast: mit Fünf-Gänge-Menu, Buschfrühstück und einem sensationellen Ausblick in die ostafrikanische Landschaft.

Massai

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Die Lodge ist allein schon deshalb eine Ausnahme, weil es unter weißen Kenianern gerne heißt: Schwarze können das nicht, sie können keine Lodge führen, sie schützen die Tiere nicht, sie wissen nichts von Management, und sie haben auch keine Ahnung, welche Ansprüche europäische oder amerikanische Touristen stellen. James ole Kinyaga spricht diese rassistischen Vorurteile selbst an, dann sagt er: "Was diese rosa Typen behaupten, ist wirklich beleidigend und nervend." Rosa Typen, pink people, ist einer seiner Lieblingsbegriffe. Er sagt nicht Weiße, sondern immer nur rosa Typen. Und weil er den meisten rosa Typen lange Zeit misstraut hat, wäre es mit der Lodge beinahe nichts geworden.

Mount Kenia

Quelle: iStockphoto

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Denn die Idee dazu hatte der Umweltschützer Ian Craig, ein weißer Farmer, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Tierwelt rund um den Mount Kenya, den mit 5199 Metern höchsten Berg des Landes (Foto), zu schützen, und deshalb mit den dort lebenden Massai zusammenarbeitet. Mitte der neunziger Jahre schlug er der Massai-Gemeinde von James ole Kinyaga vor, dass sie eine Touristenlodge auf ihrem Land errichten sollten. Damit wären sie nicht mehr nur vom Ertrag ihrer Rinderherden abhängig, sondern könnten auch mit dem Wild, das sich auf ihrem Grund befindet, Geld verdienen. Denn das wollen die Urlauber aus aller Welt ja sehen: die Löwen, Gazellen, Leoparden, Nashörner, Flusspferde, Büffel, Elefanten und all die anderen Tiere, die hier zu beobachten sind.

"Ich war total dagegen", sagt James ole Kinyaga. Damals war er noch ein Teenager, und alles, was er bis zu diesem Zeitpunkt über Weiße wusste, war: "Die wollen doch nur unser Land. Die wollten immer nur unser Land. Wir brauchen keinen Weißen, der auf uns aufpasst. Der soll verschwinden und unser Land respektieren."

Ngwesi Lodge Kenia

Quelle: Ngwesi Lodge

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Doch Ian Craig war hartnäckig. Die Ältesten der Massai-Gemeinde durften sich viele andere Lodges ansehen, der weiße Umweltschützer stellte dafür sein Kleinflugzeug zur Verfügung, bezahlte die Reisen, redete unablässig auf die Massai ein und organisierte bei privaten Spendern, der Weltbank und dem Kenya Wildlife Service das Geld, das für den Bau nötig war. Und dann waren die Alten so weit, dass sie der Lodge zustimmten - und die Jungen, wie James ole Kinyaga, waren entsetzt. "Ich musste weinen, als diese Entscheidung getroffen wurde, ich hielt sie für falsch."

Dann aber gehörte er zu den 80 jungen Kriegern, die die Lodge nach den Plänen eines französischen Architekten innerhalb von zehn Monaten bauten, und anschließend zu jenem Dutzend, das als Personal angestellt wurde. Sechs halboffene Luxus-Hütten aus Holz hat Il N'gwesi heute (Foto), sie sind so an einen Hang gebaut, dass man selbst vom Bett aus einen phantastischen Blick in die Savanne hat.

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Die Freiluftdusche, die Freilufttoilette und die riesige Veranda haben dann noch einen besonders exklusiven Reiz, wenn man weiß, dass man gerade die Hütte benutzt, in der Prinz William und Kate Middleton immer absteigen. Wann lebt man schon mal in einer Prinzenhütte? Und wo hat man selbst von der Toilettenschüssel aus einen wunderschönen Blick auf ein Wasserloch in der Savanne, an dem sich Giraffen oder Gnus drängen?

Kenia

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Heute hört man von James ole Kinyaga kein schlechtes Wort mehr über den Umweltschützer Ian Craig, er weiß nun, was er ihm zu verdanken hat. "Früher, wenn Dürre herrschte, magerten unsere Rinder ab oder starben. So hatten wir kein Geld für die Schulgebühren unserer Kinder oder für die Arztrechnungen." Nun aber sei die Lodge ihre Lebensversicherung: "Die ist wie eine zweite Kuh, die wir melken können." Mit den Erträgen aus dem Tourismus zahlen sie die Schulgebühren für die Kinder der Massai-Gemeinde oder Arzt- oder Krankenhausrechnungen und damit haben viele von ihnen sichere Arbeitsplätze.

Frau in Kenya

Quelle: AFP

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Und es ist auch heute noch überaus charmant, wenn Massai-Frauen einem das Zimmer zeigen. Sie sind so freundlich, aber auch so schüchtern, dass man sich gut vorstellen kann, wie es früher war: "Am Anfang, als die ersten Touristen kamen", sagt James ole Kinyaga, "wussten wir nicht, wie wir mit den rosa Typen umgehen sollen. Wir trauten uns nicht einmal, denen die Hand zu schütteln. Wir gaben ihnen einfach den Schlüssel für ihre Hütten und rannten dann so schnell wie möglich wieder weg."

Ranger in Kenya

Quelle: online.sdereise

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Die kenianische Tierschutzbehörde, der Kenya Wildlife Serviec, bildet die Massai heute auch als Ranger aus. Damit diese wissen, wie sie die Tiere schützen können und wie sie Wilddiebe am besten in die Flucht schlagen. Denn die Wilderei ist immer noch weit verbreitet in Kenia, es gibt immer wieder Überfälle auf Elefantenherden oder auf Nashörner. Auch im Gebiet der Massai von James ole Kinyaga war das früher üblich. Entweder kamen andere Halbnomaden-Völker wie die Samburu oder die Turkana und klauten ihnen die Herden und töteten die Massai. Oder es kamen große Banden bis aus Somalia, um hier, in der Nähe der Stadt Nanyuki, zu wildern oder die Massai-Dörfer zu plündern.

A white rhino and its baby cross a road on the drying shores of Lake Nakuru in Kenya's Rift Valley

Quelle: Reuters

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Safari-Lodge in Kenia:Nashörner

Mit der Lodge aber und dem professionellen Tier- und Umweltschutz ist die Wilderei praktisch auf null zurückgegangen. Die Tiere fühlen sich so sicher, dass der Bestand in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Selbst die bedrohten Breitmaul- und Spitzmaulnashörner gibt es wieder in der Gegend, sie haben sich nach mehr als 20 Jahren wieder angesiedelt. "Die Tiere", sagt James ole Kinyaga, "haben mitbekommen, dass sie in unserem Reservat in Ruhe leben können." Einem Reservat, das nicht eingezäunt ist und somit den Tieren ihre natürlichen Wanderwege lässt.

Ngewsi Lodge Kenia

Quelle: Ngewsi Lodge

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Die Lodge der Massai ist jedenfalls so vorbildlich und erfolgreich, dass sie nicht nur schon mehrere Tourismus- und Ökologie-Preise gewonnen hat. Sie hat auch den Krieger James ole Kinyaga zum Chef-Betreuer der Touristen und zum obersten Fremdenführer gemacht - und somit auch zu einem wohlhabenden Mann. Er lebt mit seiner Frau und drei Söhnen und besitzt 80 Rinder, 120 Ziegen und 350 Schafe. Und es dürfen, wenn es nach ihm geht, durchaus noch mehr Kinder und Tiere werden.

BRITAIN-AIR-BA-TRAVEL

Quelle: AFP

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Außerdem durfte der Massai schon mehrmals nach Europa reisen, um das Konzept der Il N'gwesi Lodge vorzustellen. Seine erste Reise, erzählt er, ging nach London, er saß damals zum ersten Mal in einem Flugzeug und war begeistert. Als er aber in London-Heathrow ankam, war es mit der Begeisterung vorbei. "Wissen Sie", sagt James ole Kinyaga, "ich habe keine Angst vor Löwen, auch wenn ich keine Waffe dabei habe - aber diese vielen Menschen am Flughafen, diese Massen, so viele hatte ich zuvor noch nie auf einem Fleck gesehen. Da hatte ich wirklich Angst."

© SZ vom 15.07.2010/beu
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