Rundreise durch Sri Lanka:Wellenreiter und Wolkenmädchen

Australier Jared Neal bei einem Surfevent in Arugam Bay, Sri Lanka

Paradies für Surfer: der Australier Jared Neal bei einem internationalen Surfevent in Arugam Bay.

(Foto: AFP)

Surferparadies, Königsstädte und Schönheiten auf dem Fels: Touristen entdecken den Norden und die Ostküste Sri Lankas wieder. Was Badeurlauber im überlaufenen Südwesten verpassen.

Von Andrea Schuhmacher

Der grasgrüne Gecko in der Hütte führt vor, wie es geht. In der Dämmerung sitzt er da auf dem Mauervorsprung, wärmt sich in der Abendsonne, blickt auf den Indischen Ozean und die Wellen und macht: gar nichts. Das ist genau die richtige Haltung für die Arugam Bay.

Der entlegene Bade- und Fischerort an der Ostküste Sri Lankas bietet, wovon die Daheimgebliebenen nur träumen: tropischen Strand mit feinem Sand, dazu grazil gebogene Kokospalmen und Surf-Wellen, die angeblich zu den Top Ten dieses Planeten gehören. Doch fast noch wichtiger ist, was die Arugam Bay nicht hat: Abgase und Verkehr, riesige Hotelblocks, Pauschaltourismus, lärmende Bespaßungsunternehmen, Einkaufszentren.

Als die Regierung nach dem Tsunami 2004 hier mehrere Luxusresidenzen errichten wollte, widerstand die Gemeinde mit großer Geschlossenheit. Noch ist die Arugam Bay ein sympathisch verschlafener, unendlich entspannter Platz.

Urlauber mieten zum Beispiel eine mit Palmblättern bedeckte Holzhütte am Strand, bestellen mal einen frischgepressten Mangosaft oder ein kühles Bier - und tun es ansonsten dem Gecko gleich.

Strand von Arugam Bay an Sri Lankas Ostküste

Entspannt auf den ersten Blick: der Strand von Arugam Bay

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Manchmal, wenn sie noch mehr Ruhe wollen, lassen sie sich an einen ungefähr zehn Kilometer enfernten, einsamen Surfer-Strand in Richtung Süden fahren. Hier hören alle Straßen auf und das Ende der Welt ist offenbar nah - was in diesem Fall wunderbar ist. Der Name des Strandes lautet, kein Witz: Panama.

Die Gegend um Arugam Bay zeigt aufs Beste, was der gesamte Norden und die Ostküste Sri Lankas bieten: verblichenen Charme, versteckte Paradiese, Orte für Entdecker. Lange Zeit durch den Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen weitgehend isoliert, dann entsetzlich vom Tsunami getroffen, rappelt sich die Region nun langsam wieder auf. Seit 2009 gab es keinen Terroranschlag mehr, die Infrastruktur ist weitgehend repariert, und die Insel versucht, ihren alten Ruf als Reiseparadies und Perle des Indischen Ozeans wiederzubeleben.

Doch der Tsunami hat seine Narben im Land hinterlassen: Zwar ist die früher erbärmliche Küstenstraße dank internationaler Hilfsgelder mittlerweile saniert. Aber im Fahrzeug wird es ganz ruhig, als die Route an einem strandnahen Friedhof vorbeiführt, in dem fast alle Grabsteine umgeworfen oder zerbrochen sind. Blaue Schilder weisen mit Piktogrammen die Fluchtwege - für den Fall, dass sich der Ozean wieder erhebt.

Viele Menschen planen bei der Sri-Lanka-Reise nur die klassischen, aber von Touristen überlaufenen Strandziele wie Beruwala oder Hikkaduwa an der Westküste südlich der Hauptstadt Colombo ein. Tatsächlich bietet aber kaum ein Land Asiens auf so kleiner Fläche eine solche Vielfalt wie Sri Lanka, ein Land etwas kleiner als Bayern: Berge, Städte, Strände und Tempel.

Hütte in Arugam Bay an Sri Lankas Ostküste

Hütte für Urlauber in Arugam Bay: einfach romantisch.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Und die Osthälfte Sri Lankas hat noch einen weiteren Vorteil: Die beste Reisezeit ist hier von April bis September - also genau in jenen Monaten, in denen in den meisten anderen südostasiatischen Ländern und auch an der Südwestküste Sri Lankas der Monsun den Urlaub verregnet.

Wer daher auf dem schnellsten Weg zur Arugam Bay will, steigt in Colombo in den Direkt-Bus und erreicht etwa zehn Stunden später die Ostküste. Touristen, die von Sri Lanka mehr als Strand und Wellen erwarten, nehmen sich ein paar Tage mehr Zeit und fahren in einem nördlichen Bogen durch das Land: zu den Attraktionen des sogenannten Kulturdreiecks, dessen Eckpunkte die ehemaligen Königsstädte Anuradhapura, Polonnaruwa sowie Kandy bilden.

Im Norden Sri Lankas: die Königsstadt Anuradhapura

Fünf Stunden mit dem Express-Bus von Colombo entfernt, lässt sich trefflich über die Vergänglichkeit alles Irdischen nachdenken: in Anuradhapura. Hier befand sich mehr als tausend Jahre lang die mächtige Hauptstadt Sri Lankas, bis sie im Jahre 993 nach Christus überfallen wurde und dann langsam verfiel. Die Herrscher ließen unter anderem die 120 Meter hohe Jetavana-Stupa errichten, die 300 vor Christus das drittgrößte Bauwerk der Welt war.

Heute kündet ein 40 Quadratkilometer großes, verwunschen wirkendes Ruinenfeld von der einst stolzen Stadt. Das weitläufige Gelände erkundet man am besten mit dem Miet-Fahrrad, sich dabei zu verfahren, gehört dazu. Vor einer Ruine bläst ein Schlangenbeschwörer auf seiner Kürbisflöte, dazu wiegt sich eine Kobra und ein trauriger Affe führt an der Kette Kunststücke vor.

Voll ist es nur an den zentralen Stätten, der Maha Thupa etwa, der Großen Stupa: In dem buddhistischen Bauwerk werden Reliquien aufbewahrt. Die weiße Kuppel erhebt sich einem gigantischen Sahnetörtchen gleich, geschmückt mit einem roten Farbband.

Mönche binden ein Tuch um einen großen weißen Stupa Ruwanweliseya Dagoba Anuradhapura Sri Lanka

Mönche binden in Anuradhapura ein Tuch um einen großen weißen Stupa, Ruwanweliseya-Dagoba.

(Foto: Imago Stock&People)

Auch am heiligen Bodhi-Baum drängen sich die Menschen. Angeblich ist er ein Ableger jener Pappel-Feige, unter der einst Buddha in nordindischen Bodhgaya die Erleuchtung fand. Fliegende Händler verkaufen in Anuradhapura Kerzen und violett leuchtende Lotusblumen als Opfergaben. "It´s good for your Karma", beteuert der Verkäufer.

Höhlentempel von Dambulla

Religion ist eine wichtige Angelegenheit in Sri Lanka, das sieht man auch nach zwei Stunden Fahrt im südlich von Anuradhapura gelegenen Örtchen Dambulla. Nur so ist das Durchhaltevermögen zu verstehen, mit dem hier Mönche im Laufe von 2000 Jahren zahlreiche, bis zu 14 Meter große Buddha-Figuren in den Fels von fünf großen Höhlentempeln meißelten - Kunstwerke mit großer Ausstrahlung. Dafür lohnt sich der bei Hitze ziemlich anstrengende Aufstieg.

Buddhastatuen und Wandmalereien in einem der Höhlentempel des Goldenen Tempels UNESCO Weltkulturerbe

Buddhastatuen in einem der Höhlentempel von Dambulla.

(Foto: Imago Stock&People)

Nach dem Besuch kann man sich nur wundern, wie wohl die moderne Buddha-Statue im Kloster am Fuße des Hügels zustande gekommen ist: 30 Meter hoher Kitsch in Gold - ein ungewohnter Anblick in dem sonst so stilsicheren Sri Lanka. Selten findet sich hier das kreischend Bunte und das laute Chaos, wie man es etwa aus Indien kennt. Sri Lanka hingegen entspannt.

Die Wolkenmädchen von Sigiriya

Wolkenmädchen am Löwenfelsen von Sigiriya

Wolkenmädchen am Löwenfelsen von Sigiriya - Touristen ist das Fotografieren jedoch untersagt.

(Foto: Imago Stock&People)

Dabei fehlt es nicht an Exotik, etwa im nahen Sigiriya. Dort ragt wie ein riesiger Zahn die berühmte Felsenfestung aus dem Urwald 200 Meter in den Himmel. Steile Eisentreppen führen auf den solitären Tafelberg, wobei man auf halber Höhe von den Wolkenmädchen empfangen wird: Mehr als 20 barbusige und anmutige Schönheiten, die unbekannte Künstler im fünften Jahrhundert nach Christus in warmen Farbtönen an die Felswände gemalt haben.

Es sind die ältesten nicht-religiösen Gemälde in Sri Lanka, und so erotisch, dass ein fanatischer Vandale vor ein paar Jahrzehnten fast alle der ursprünglich 500 Bilder zerstört hat.

Schulmädchen beim Besuch des Löwenfelsen von Sigiriya

Schülerinnen beim Besuch Löwenfelsen, der zum Unesco-Welterbe gehört.

(Foto: AP)

Auf halbem Weg bietet eine Terrasse Gelegenheit für eine Rast. Nur muss man aufpassen, dass die diebischen Makaken nicht die Wasserflasche entführen. Nun ist es an der Zeit für eine ernsthafte Überlegung, die vor allem Menschen mit Höhenangst anstellen sollten: Traue ich mich ganz nach oben? Denn jetzt geht es auf äußerst luftigen Stegen zwischen den Überresten - zwei Tatzen - einer monumentalen Löwenfigur zum abgeflachten Gipfel, auf dem einst die Festung stand. Von dieser sind nur noch Grundmauern zu sehen, doch der Blick in die Ebene entschädigt: Der Dschungel leuchtet in Grünschattierungen, durchsetzt von blinkenden Wasserläufen, am Horizont der blaue Schattenriss des Berglandes.

Im Zentrum von Sri Lanka: Elefantenparade in Kandy

Kandyan dancer performs in front of Sri Dalada Maligawa during Esala Perahera festival in ancient hill capital of Kandy

Tänzer beim Esala Perahera Festival in Kandy

(Foto: REUTERS)

Ziemlich in der Mitte des Landes lohnt ein Zwischenstopp in Kandy. Sie war die letzte Hauptstadt des singhalesischen Königreiches, bevor sie 1815 von den Briten erobert wurde. Es sind die Tage des August-Vollmonds und die Esala-Perahera findet statt, das angeblich größte religiöse Fest Asiens. Die Esala-Perahera ist wie ein Volksfest: An Imbissständen gibt es Leckereien, Luftballons mit Monstermotiven fliegen in den Himmel, Kinder rennen, Eltern schimpfen. Die Feier dauert zehn Tage, doch heute Abend ist der Höhepunkt.

Wer jetzt noch gute Sitzplätze für den berühmten Zug der Elefanten bekommen will, muss ein unverschämt hohes Bestechungsgeld in Kauf nehmen - hundert Euro für zwei Plastikstühle am Gehsteig. Etwa 150 Elefanten werden aus dem ganzen Land hergebracht, damit sie einmal im Jahr vom Zahntempel aus quer durch die alte Königsstadt marschieren. Der größte und schönste Elefant trägt dabei in einem goldenen Schrein die wichtigste Reliquie Sri Lankas: einen Zahn, der angeblich direkt aus dem Munde Buddhas stammt.

Geschmückte Elefanten vor dem Zahntempel in Kandy

Elefanten bei der Prozession vor dem Zahntempel in Kandy

(Foto: AFP)

Als die Nacht über Kandy fällt, geht es los: Tänzer mit nackten Oberkörpern und Turbanen führen den Zug an. Musiker spielen, gefolgt von Feuerspuckern, die flammende Figuren in die Luft zeichnen. Und dann: Elefanten, Elefanten, Elefanten - zwei, drei, vier Stunden lang. Je nachdem welcher der Tempel in Kandy für die Tiere verantwortlich ist, tragen sie einen roten, weißen oder blauen Überwurf, geschmückt mit LED-Lämpchen, die wie kleine Sterne funkeln. Ein unglaubliches Spektakel, das aber auch ein gewisses Durchhaltevermögen erfordert.

Wandern im Süden: im Bergdorf Ella

Nach dem Trubel sehnt sich mancher nach Abgeschiedenheit und findet sie im Örtchen Ella, das im zentralen Bergland, etwas südlich von Badulla liegt. Könnte man die Hauptstadt Colombo im Westen und Arugam Bay im Osten mit einer waagrechten Linie verbinden, träfe man etwa in der Mitte auf Ella. Ächzend schraubt sich der rotgestrichen Linienbus die engen Straßen hoch in das kleine Dorf mit der wohl spektakulärsten Aussicht Sri Lankas: Aus etwa tausend Metern Höhe blickt man bei klarem Wetter bis zum Indischen Ozean.

Nach Ella zogen sich die englischen Kolonialherren in die kühle Sommerfrische zurück. Das Klima macht Lust auf Bewegung: Mehr oder weniger anspruchsvolle Spaziergänge und Bergtouren führen durch Teeplantagen und lichten Wald, an Wasserfällen vorbei und auf felsige Gipfel.

Wem das Wandern doch zu anstrengend wird, steigt in Ella in den Zug und fährt gen Westen bis nach Colombo durch: Die Strecke gilt als eine der schönsten in Asien. Die Bahntrasse führt durch Bergwälder und tiefe Schluchten, über gewaltige Brücken, an Bananenplantagen, Rhododendron-Wäldern und Riesenfarnen vorbei. Dabei zuckelt der Zug so langsam durch die Landschaft, dass man sich lässig auf die Stufen der meist offenen Waggontüren setzen kann und den Fahrtwind im Gesicht spürt - eine Eisenbahnfahrt wie vor hundert Jahren.

Wen jedoch im Bergdorf Ella die Sehnsucht nach Panama quält, fährt von hier aus nach Osten - zu den Stränden von Arugam Bay.

Rawana Ella Wasserfälle in der Uva Provinz, Sri Lanka

Die Rawana Ella Wasserfälle sind im Süden des Dorfes zu finden.

(Foto: Imago Stock&People)
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