Die Wilhelminakade ist ein Ort des Fernwehs: Von dem berühmten Pier an der Maas machten sich im 20. Jahrhundert Emigranten auf Richtung New York. Heute trotzt noch eine alte Klinkerhalle den Hochhäusern an der Waterfront, das Gebäude war zu Kolonialzeiten Sitz der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Seit 2018 befindet sich in der Halle die günstige Hipster-Unterkunft einer spanischen Hotelkette. Der Eingang führt nicht nur in die Hotellobby, wo neonflackernde Sternbilder an Reisende und Händler vergangener Jahrhunderte erinnern, sondern auch direkt in die Foodhallen, zu vietnamesischem Streetfood, mexikanischen Tacos oder chinesischen Dim Sum.
room-matehotels.com/nl/bruno, Wilhelminakade 52-58, DZ ab 75 Euro
Den Blick zum Wasser vom Hotel Bruno aus versperrt teilweise das mit insgesamt 162 000 Quadratmetern größte Gebäude der Niederlande auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Auch das De Rotterdam, entworfen von Rem Koolhaas, bietet auf den ersten 23 Stockwerken Hotelzimmer. Am schönsten guckt man im Nhow aus den bodenbündigen Fenstern der Skyline-View-Zimmer, direkt über Ben van Berkels Erasmusbücke. Wer hier nicht eincheckt, sollte wenigstens in der Bar im siebten Stock einen Drink nehmen.
Hotel Nhow, ab 150 Euro pro Nacht
Aus der langsam rotierenden Glasgondel des mit 185 Metern höchsten Aussichtsturms der Niederlande betrachtet, erscheinen selbst die Wolkenkratzer und weitläufigen Hafenanlagen Rotterdams als Miniatur. Ursprünglich entwarf der Architekt H.A. Maaskant, der den Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend mitprägte, den Turm für die Gartenschau von 1960. Nach 22 Uhr, sobald der Euromast-Betrieb eingestellt ist, gehört der Bau ausschließlich den Gästen der zwei Hotelsuiten mit "dem höchsten Balkon Rotterdams". Wem das doch zu einsam ist: Abseilen (und auch eine Zipline) wird von Mai bis Oktober von hier aus auch angeboten, - unter coronakonformen Bedingungen. Hätte Rapunzel das mal gewusst.
euromast.nl, Parkhaven 20, DZ ab 395 Euro
Zwischen den kleinen Segelbooten der Red Apple Marina schwimmt seit Mai 2017 das Wikkelboat. Dank eines Katamaran-Unterbaus ist diese Version vom Wikkelhouse wassertauglich. Ursprünglich konzipiert wurde das Tiny House aus Wellpappe mit Holzvertäfelung von einem Amsterdamer Start-up.
Man könnte sogar einen Bootsmotor anbringen, erklärt Mitentwickler Sander Waterval. Im Moment braucht es den allerdings nicht, das Wikkelboat liegt ja hier sehr hübsch vor Anker: Der Blick von der Außenterrasse reicht zur roten Willemsbrücke und den weiß glasierten Jugendstilbacksteinen des ersten Hochhauses Europas, dem Witte Huis. Auf 32 Quadratmetern bietet das Wikkelboat Platz für vier Personen, dank Hochklappbetten und einer Miniküche. Hot Tub und Outdoor-Sofa stehen auf der hölzernen Plattform, eine Leiter führt ins Wasser. "Die Maas hat nicht die beste Wasserqualität", sagt der 45-jährige IT-Unternehmer, aber das Wasser werde regelmäßig kontrolliert und sei zum Schwimmen freigegeben. Da das digitale Einchecken kontaktlos funktioniert und man auf seiner schwimmenden Insel niemanden trifft, den man nicht zu sich einlädt, gehört der Aufenthalt im Wikkelboat zu den schönsten Arten zelebrierter Corona-Konformität.
wikkelboat.nl, Wijnhaven 2, ab 170 Euro pro Nacht
"Eigentlich ist es ein städtischer Zeltplatz", untertreibt Mitbetreiberin Laura Abbink. Denn es ist doch mehr als das: Mit dem Culture Campsite ist am rechten Maasufer ein hybrides Übernachtungsareal irgendwo zwischen Kunst, Architektur und Nachhaltigkeits-Testfeld entstanden. Seit die 37-Jährige vor zwei Jahren mit drei weiteren Akteuren der Rotterdamer Kreativenszene auf dem Asphalt dieses einstigen Parkplatzes den Culture Campsite eröffnet hat, kann man in abenteuerlichen Objekten aus recycelten Materialien und Fundstücken übernachten. Etwa in dem einstigen Futtersilo Val Ross, in das die Designer des benachbarten Büros Mud Projects einfach ein Fenster in die Klapptür geschnitten, eine Leiter für den Einstieg angeschraubt und die innere Schicht geglättet haben. So klein und schon Architektur. Nur isoliert ist keines dieser bewohnbaren Designwerke, daher schließt der Zeltplatz über den Winter und öffnet erst wieder im Frühling, dieses Jahr am 1. Mai - natürlich unter Einhaltung der gängigen Pandemie-Sicherheitsregeln, auch in der offenen Küche, den Gemeinschaftsduschen und dem Hot Tub mit der Riesengummiente.
culturecampsite.com, Schiehavenweg 12, ab 65 Euro Euro pro Nacht
2014 hatten Glenn Severin und Jan-Maarten de Reus zunächst Loftly gegründet, eine Plattform für Kurzaufenthalte in Rotterdam im Stile von Airbnb. Durch dieses Unternehmen sei ihm aufgefallen, so erzählt Severin heute, dass seine Stadt mehr und mehr von Touristen entdeckt wurde. Verwundert war er nicht: Wo Amsterdam "wie frisch poliert" erscheine, zeige Rotterdam "echtes, kantiges Leben".
Nur ein Hotel, das ihm gefällt, fand er nicht im städtischen Portfolio. Deswegen hat der Niederländer 2019 das Supernova eröffnet. Dessen 38 Zimmer sind von so ausgesuchter Designkundigkeit, dass sich noch bis zur schwarzpoliert gesprenkelten Einfassung des Waschbeckens sämtliches Interieur als instagramtauglich erweist. Neben der Rezeption findet der Gast im hoteleigenen Minimarkt Objekte und Essbares aus Rotterdam. Es gibt kostenlose Fahrräder, ein Mansardenzimmer mit Plattenspieler oder Räume mit Gartenanschluss. Und wer abends eine Papiertüte an seine Zimmertür hängt, findet morgens darin ein Frühstück mit frischem Orangensaft und Müsli.
Nun allerdings, in der Pandemie, haben sich die beiden Gründer ihrer Ursprünge erinnert und vermieten die Zimmer mangels Kurztrip-Touristen wieder langfristig. Nur an den Wochenenden kann man derzeit auch kurzfristig im Supernova einziehen und auf dem Zimmer ein 4-Gänge-Menü essen, was vor allem Einheimische tun, notgedrungen. Und man fühlt sich eben wirklich gleich schicker, wenn man nicht in den eigenen vier Wänden speist, sondern im "Colour blocking" der Hoteleinrichtung, wo intensive Farben großflächig aufeinander treffen und so "all die Farben der Stadt aufgreifen, die im Schmelztiegel Rotterdam so gut miteinander funktionieren", erklärt Severin. Zu sehen ist das bunte Miteinander in der multikulturellen Einkaufsstraße West-Kruiskade in Laufnähe des Hotels - und damit auch Läden afrikanischer Perückenmeister, Couturiers für Hindu-Hochzeiten oder türkische Backwaren.
supernovahotel.nl, Gravendijkwal 68, DZ 110 Euro
Bis 1976 befand sich hier der Sitz der Tageszeitung Het Vrije Volk. Bevor das inzwischen denkmalgeschützte Haus im vergangenen Oktober als Marriott-Hotel eröffnet wurde, hatte es bereits viele Zwischennutzer gesehen, Billardsaalbetreiber und Hausbesetzer inbegriffen. Die Präsenz der Letzteren ist noch immer an den schwarz gesprühten Anarcho-Kürzeln auf manchen Betonverstrebungen der 74 Zimmer abzulesen. Heute erinnert die Inneneinrichtung aus Marmor, Holz und Messing an die stilsicheren Zeiten der 50er- und 60er-Jahre. In der Lobby-Bar wird dementsprechend Mad-Men-Taugliches serviert. Etwa Martinez, ein Cocktail mit Gin und Wermut, der als Vorläufer des Martinis gilt.
The Slaak, Slaak 34, DZ ab 150 Euro
Wohnen im niederländischen Klischee? Das geht im Müllerhaus De Molenaarswoning, einem backsteinernen historischen Mühlenkomplex. Links ein Häuschen mit zwei zeitgenössisch eingerichteten Studios, rechts eine Schnupftabak- und Gewürzmühle, in der es weihnachtlich riecht, sollten die zwei großen Mühlsteine etwa gerade Kardamomkapseln und Zimtstangen zu Spekulatiusgewürz zermahlen. Legt sich der Wind, stoppen die Mühlräder. Und auch sonst geht alles langsamer voran in diesem Grundstück am See (ein eigenes Kanu gehört zu den Studios), mitten im Kralingse Bos. Das Erholungsgebiet von Rotterdam liegt rund drei Kilometer östlich des Stadtzentrums und wartet auch mit Kinderbauernhof, Golfklub, Kletterpark oder Segelschule auf. Die Organisation Stadsherstel Historisch Rotterdam hat sich der Restaurierung historischer Denkmäler verschrieben, anschließend werden die restaurierten Objekte an Unternehmen vermietet. Oder eben, im Falle des Müllerhäuschens, an gewürzaffine Touristen.
molensaandeplas.nl/, Plaszoom 316, ab 145 Euro pro Nacht
Das Schlafkapsel-Hotel City Hub richtet sich an Reisende der Generation Y, für die Internetzugang ungefähr so lebensnotwendig ist wie Sauerstoff. Service am Gast definiert sich für sie beispielsweise über den kostenlosen tragbaren Hotspot für eine datengestützte Erkundung der Stadt. Oder darüber, dass man mit dem vorab zugemailten QR-Code beim Einchecken am Rezeptions-Dock ein eigenes Armband erhält, das nicht nur als Zimmerschlüssel fungiert, sondern auch als Zahlmittel fürs selbst gezapfte Bier an der Bar.
Das City Hub in Rotterdam hat als zweites Haus der jungen Kette nach Amsterdam im April 2018 eröffnet, 2020 kam Kopenhagen dazu, zudem sind Eröffnungen in Edinburgh, Lissabon und Reykjavik geplant. Als "Hubs" werden hier die Zweier-Schlafkuben bezeichnet, die hinter weiß verkleideten Sci-Fi-Hosteltüren liegen, und zwar jeweils doppelstöckig, sodass immer einer der Räume ebenerdig liegt und im anderen eine kleine Treppe zur Schlafkoje führt. Stehen kann man in beiden Versionen, ein bisschen von der Beengtheit eines Raumflugs hat es dennoch.
Über vier Stockwerke verteilen sich Gemeinschaftsbäder und 128 Zimmer, alle sind gleich, samt den Gimmicks wie Bluetooth-Lautsprecher in jedem der schalldichten Hubs oder der Handy-Stützvorrichtung an der Wand gegenüber der Schlafstätte, für bessere Selfies. Und wer eine Mail an den Drucker in der Lobby schickt, erhält einen kostenfreien Ausdruck. Da man muss dann allerdings selbst hinlaufen. Old school!
cityhub.com/rotterdam/, Witte de Withstraat 87, ab 37 Euro pro Nacht
Was hat dieses hübsche Stadthäuschen aus dem Jahr 1872 nicht schon alles in seinen Mauern begrüßt: illegale Spielstätten, Tätowierer, und ja, auch ein Bordell. Seit März 2014 ist es aber - mit Café-Bar samt Sitzschaukeln, King-Kong-Plakat und durchwegs lässigem Publikum - eine der kultigsten Anlaufstellen der an kultigen Ausgeh-Adressen eh schon reichen Witte de Withstraat. Seit Neuestem gibt es jetzt auch drei King Kong Studios mit Küche und separatem Eingang. Aber natürlich lässt es sich auch weiterhin noch kostengünstiger in einem der 130 Betten der verschiedenen Schlafsäle nächtigen. Und natürlich erhält weiterhin jeder Gast als Willkommengruß an der Rezeption erst mal eine Banane.
kingkonghostel.com/, Witte de Withstraat 74, ab 21,50 Euro pro Nacht im Schlafsaal (für vier bis 16 Leute), ab 108 Euro pro Nacht im Studio