Röhrenhotel bei Linz:Volles Rohr Gemütlichkeit

Als Pool fungiert die Donau, die Suite ist ein Kanalstück. Das Röhrenhotel ist gewöhnungsbedürftig, aber unter Umständen ganz romantisch.

Georg Ch. Heilingsetzer

Eine Übernachtung im Kanalrohr ist, wenn man nicht gerade zur Spezies der Ratten zählt, nichts Alltägliches. Selbst in Zeiten wie diesen nicht, in denen skurrile Herbergen in grotesker Umgebung längst in Mode gekommen sind. Drei Standardkanalrohre, deren touristische Anfänge in der Europäischen Kulturhauptstadt Linz lagen, sind bereits seit vier Jahren gut im Fremdenverkehr der zehn Kilometer stromaufwärts gelegenen Marktgemeinde Ottensheim etabliert.

Parkhotel

Manche Hotels bieten fünf Sterne, dieses bietet Millionen - wenn der Gast bei klarem Himmel aus der Röhre schaut.

(Foto: Foto: Parkhotel)

Der Künstler, Architekt und Designer Andreas Strauss, der mit seinen zweckentfremdeten Installationsobjekten die Grenzen zwischen der Privatsphäre und dem öffentlichen Raum spielerisch lockert, hat das Konzept für das "Parkhotel" entworfen. Damit wendet er sich an "Alltagsflüchtlinge, Kulturreisende, Radfahrer oder jene, die ein wenig Abstand zum täglichen Umfeld und eine neue inspirative Umgebung zur individuellen Horizonterweiterung suchen", wie er auf der Website der Herberge formuliert. Strauss war schon früher in Erscheinung getreten, mit einem "Heliotherapieautomat" als Lichtdusche für Passanten zum Beispiel oder einem "Soupermobile", einer beweglichen Mülltonnenküche.

Parkhotel, so heißt also der Verbund der drei grauen Kolosse, die in idyllisch grüner Lage, im Schatten einer Birkenhecke im Gras liegen, nahe jener Stelle, wo die Rodl der Donau frisches Wasser aus dem Mühlviertel zuführt. Direkt an der Donauradroute R1 bieten sich die Rohre, die von ihrem Schöpfer liebevoll als "Suiten" bezeichnet werden, als Übernachtungsmöglichkeit für genügsame Radreisende an. Die je 2,75 Meter langen und 9,5 Tonnen schweren Schlafinseln mit einem Innendurchmesser von zwei Metern sind minimalistisch: Es ist alles da, was man für eine angenehme Zeit braucht, zugleich aber ist nichts vorhanden, was man gut und gerne entbehren könnte.

Den Wecker etwa kann man getrost zu Hause lassen, denn auf den Hahn von nebenan ist immer Verlass. Vorhanden sind: ein Lattenrost mit Doppelbettmatratze, warme Wolldecken, Polster, frische Laken und Hüttenschlafsäcke, eine Steckdose zum Aufladen von Batterien sowie eine Nachttischlampe. Durch eine Öffnung gelangt auch Frischluft in den - trotz des Doppelbettes - ein wenig wie eine Klosterzelle anmutenden Rundraum, durch ein Bullauge blickt man in den Himmel.

Heute ersetzt das Fenster mühelos den Fernseher, draußen wird Universum gespielt. Fernes Donnergrollen kündigt ein heftiges Gewitter an, ehe bald grelle Blitze die Nacht erhellen. Das Licht flutet durch die kleine Öffnung bis in den letzten - nun ja - Winkel der Unterkunft.

Schützt die Röhre vor Gewitter?

Nun stellt man sich die bange Frage, ob das Rohr, das wohl kein Faradayscher Käfig ist, einen Blitzableiter hat. Es wird schon keinen Blitzableiter brauchen, beruhigt man sich, bevor der Himmel seine Schleusen öffnet. Schwere Regentropfen prasseln gegen das Glas des Bullauges, doch eines ist gewiss: Die Röhren lassen sich nicht einfach wie Klorollen wegspülen. Nach einer Weile ist der ganze Spuk dann auch vorbei, die Wolken verziehen sich, und durch die Dachluke fällt der Blick auf einen klaren Himmel, gegen den kein Fünf-Sterne-Hotel ankommt.

Parkhotel

Im Röhrenhotel ist alles aufs Wesentliche reduziert.

Foto: Parkhotel

Wofür es im heimeligen Rohr keinen Platz gibt, das befindet sich in unmittelbarer Nähe: Als Schwimmbad fungiert die Donau, Trinkwasser kommt aus dem Brunnen, Toilette und Dusche finden sich im Bauhof der Gemeinde Ottensheim oder beim Imbissbuffet "Rodlbudl", wo man neben musikalischen Häppchen auch sogenanntes Strandgut, Kleinigkeiten zum Essen in Einmachgläsern, offeriert. Dem Zisterzienserstift Wilhering genau gegenüberliegend, wartet Ottensheim, international bekannt durch Ruderregatten, mit einer durchaus abwechslungsreichen Gastronomie auf: Zu vernünftigen Preisen lässt es sich im Fischrestaurant, im zünftigen Wirtshaus oder in der Pizzeria speisen. Eine Visite lohnt freilich auch das Brauhaus Ottensheim, das Thor-Bräu direkt im Ortszentrum, wo es verschiedene Biersorten gibt, die man mit Blick ins Sudhaus genießt.

Mit der spätgotischen Pfarrkirche und einigen adretten Bürgerhäusern, darunter dem Kindlhaus, in dem der städtische Namenspatron Prinz Otto zur Welt gekommen sein soll, bildet die Schaubrauerei ein schönes Ensemble. Dieses sollte, wie auch die Nachbarschaft zu Linz, das man bequem mit der Bahn erreicht, allein schon einen Aufenthalt in dem 4500 Einwohner zählenden Markt rechtfertigen können.

In Linz war der Röhrenhotel-Erfinder Strauss im vergangenen Jahr beim spektakulären Kunstparcours "Höhenrausch" über den Dächern der Kulturhauptstadt mit seinem "90° Kiosk" vertreten, einem auf den Kopf gestellten Bauwagen, der abhängig von der Witterung verschiedene Funktionen übernahm. Sein Parkhotel steht an einem geschichtsträchtigen Ort. An Donau und Rodl sollen bereits vor 4000 Jahren Menschen gelebt haben - wohl kaum luxuriöser als in den Kanalrohren. Heute hat eine solche Übernachtung jedoch auch eine kathartische Nebenwirkung. Durch die Reduktion auf das Notwendigste erfährt man im Parkhotel, dass man fast nichts braucht, um glückliche Zeiten zu erleben.

Nicht einmal Geld braucht man dafür. Hier bezahlt der Gast einfach so viel, wie ihm die Nacht in der Betonröhre wert war.

Informationen: Anreise: Mit der Bahn nach Linz, hin und zurück von München ohne Ermäßigung für 113 Euro, weiter mit der Regionalbahn. Röhrenhotel: Die Buchungsanfrage erfolgt über das Internet, www.dasparkhotel.net. Den Schlüssel zur "Suite", einen Sicherheitscode, erhält man nach der Reservierungsbestätigung per E-Mail. Für Notfälle wird darin auch eine Telefonnummer übermittelt. Das Röhrenhotel in Ottensheim wird traditionell am 1. Mai eröffnet und im Oktober wieder geschlossen. Ende Mai soll auch in Bottrop ein Röhrenhotel eröffnen.

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