Reiseziele und Währungen:Wenn der Euro fällt und die Urlaubslust steigt

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Wohin lässt es sich 2015 günstig reisen? (Foto: N/A)

Ausgerechnet zur Buchungszeit bricht der Euro ein. Also wohin in diesem Jahr? SZ-Korrespondenten berichten aus Ländern, die nun erst recht interessant werden - und von solchen, die um Touristen kämpfen müssen.

Es ist Buchungszeit in Deutschland. Viele Familien und Paare sitzen gerade gemeinsam über Reisekatalogen und planen ihre Sommerreisen. Ausgerechnet jetzt bricht der Wechselkurs des Euro ein. Zum Dollar und zum Schweizer Franken, aber auch gegenüber Chinas Yuan, karibischen Währungen und sogar zu Exoten wie dem kubanischen Peso, hat die Gemeinschaftswährung in den vergangenen Wochen deutlich an Wert verloren. Doch wer glaubt, dass das die Menschen von ihrer Reiselust abhält, der täuscht sich. Zumindest sagen das die Experten. Zumal der Ölpreis rapide gesunken ist und es auch Länder gibt, wo der Euro mehr wert ist als früher.

72 Millionen größere Reisen haben die Deutschen 2014 unternommen und dabei mit etwa 1200 Dollar pro Trip und Person so viel ausgegeben, wie keine andere Industrienation. Und für 2015 haben sie sich noch mehr vorgenommen, heißt es in der jüngsten Analyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen aus Kiel: Der "Urlaubslustindikator" liege auf Rekordhöhe. 42 Prozent der Menschen im Land planen dorthin zu reisen, wo sie noch nie gewesen sind, schreiben die Urlaubsforscher.

Generell gilt: "Die Kaufkraft ist wichtiger als die aktuellen Wechselkurse. Am Ende zählt dann für viele der Komplettpreis einer Reise, und der wird Monate im Voraus schon von den Veranstaltern festgelegt", sagt Ulf Sonntag, Projektleiter bei der Forschungsgemeinschaft. Und da schneiden südosteuropäische Länder außerhalb der Euro-Zone meist noch immer gut ab. Davon profitiert auch die Türkei. Mit mehr als fünf Millionen Reisen pro Jahr ist das Land mit Abstand das beliebteste Reiseziel der Deutschen außerhalb des Euro-Raums. Bei näheren Reisedestinationen wie der Schweiz, die durch die Aufwertung des Franken sehr teuer geworden ist, gelte das Preisargument dagegen wegen der sehr kaufkräftigen Klientel nicht durchgängig.

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Was den Forschern noch auffällt: Es gibt Chancen für exotische Ziele, die eher die später buchenden Paare, Singles und Gruppen interessieren. Japan zum Beispiel hat in der Beliebtheit als Reiseziel gegenüber China zugenommen, weil der Yen für Euro-Zahler günstig ist, aber auch, weil es immer mehr Japan-Reiseangebote in Deutschland gibt. Bislang erreicht die Anzahl der Reisen in beide asiatischen Länder allerdings kaum sechsstellige Buchungszahlen.

Auch Skandinavien könnte vom jüngsten Währungstrend profitieren. Die norwegische Krone gehört zu den wenigen Devisen, die noch stärker abgewertet wurden als der Euro. Ob auch Russland wenigstens touristisch vom Rubel-Verfall profitiert und bald mehr Deutsche nach St. Petersburg oder Moskau lockt, ist unklar. Zwar wird viel Werbung gemacht, doch einzelne Reiseveranstalter bemerken, dass die Kunden wegen der politischen Lage "wenig Lust auf Putin-Land" verspüren. Flaute auch im vielbeworbenen Brasilien. Das Land ist, ebenso wie Argentinien, nach Jahren hoher Inflation offenbar vielen Urlaubern aus Euroland zu teuer geworden.

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Die ungarische Nationalhymne ist so traurig, dass die meisten Ungarn beim Singen des Himnusz melancholisch werden, wie sie selbstironisch sagen. Beim Betreten ungarischer Geschäfte ergeht es Touristen womöglich ähnlich, denn die Preise in den Geschäften sind oft erstaunlich hoch. Sicher: Manches ist günstiger zu haben als in Deutschland. Brot etwa, jenseits der Supermärkte auch Obst und Gemüse. Und Genussmittel wie Zigaretten und der Unicum-Schnaps sowieso. Ansonsten aber gerät der Einkauf schnell zu einer unerfreulichen Geschichte, für Touristen spätestens beim Blick auf den Kontoauszug.

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Stand da früher meist noch ein Umrechnungskurs von weniger als 300 Forint pro Euro, hat sich der Forint nun oberhalb dieser Marke etabliert. Derzeit gibt es für einen Euro etwa 315 Forint - die Währung hat sich abgeschwächt. Die Abwertung wirkt kontrolliert, als würde die Notenbank auf einen schwächeren Forint hinarbeiten, um die Wirtschaft zu stärken. Das ist einfach: Monat für Monat werden die Zinsen zurückgenommen. Genauso macht es die ungarische Zentralbank, die die Leitzinsen nunmehr auf fast zwei Prozent gedrückt hat.

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Norwegen ist teuer, immer noch. Der "Big-Mac-Index" des britischen Economist zeigt es: Nirgendwo auf der Welt kostet die immer gleiche Bulette zwischen dem Pappbrötchen mehr als in Norwegen, mit Ausnahme der Schweiz. Umgerechnet 5,45 Euro muss man in Oslo dafür hinblättern. Wer also Urlaub in Norwegen machen möchte, muss genügend Kleingeld mitnehmen. Trotzdem ist die Reise jetzt oft günstiger als in den vergangenen Jahren, denn die norwegische Krone ist seit Monaten noch schwächer als der Euro.

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8,82 Kronen bekam man am Donnerstag der Norwegischen Zentralbank zufolge für einen Euro. Zu Jahresbeginn waren es noch mehr als neun Kronen - deutlich mehr als eine Krone über dem Jahresschnitt von 2013. Schuld an der schwachen Währung ist der Rohölpreis, der seit Mitte vergangenen Jahres um 50 Prozent gefallen ist. Von ihm hängt Norwegens Wirtschaft ab, denn der Verkauf von Öl und Gas machen mehr als 20 Prozent der gesamten norwegischen Wirtschaftsleistung aus.

Die Zentralbank hat bereits im Dezember reagiert und den Leitzins gesenkt. Für die Touristen bleibt es dennoch eine gute Nachricht, sagt John-Steve Linløkken vom Nordnorwegischen Tourismusrat. Besucher aus dem Euro-Raum könnten durch die Währungsschwäche im Land 20 bis 25 Prozent einsparen.

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Mit finanziellen Anreizen mehr Besucher nach Russland locken - diese Idee hatte kürzlich auch der russische Premier Dmitrij Medwedew. Als ein Mittel gegen die Krise holte er den alten Vorschlag aus der Schublade, auch in Russland das Tax-Free-Verfahren einzuführen. Beim russischen Tourismusverband löste das wenig Begeisterung aus. Dessen Sprecherin nannte den Vorschlag "absurd".

Russland sei nun einmal "kein Land für Shopping". Kleidung etwa sei 30 bis 50 Prozent teurer als in Europa. Und die Souvenirstände auf dem Moskauer Arbat dürften wohl kaum Quittungen zur Rückerstattung der Steuer ausstellen. Um mehr Menschen nach Russland zu locken, seien andere Maßnahmen notwendig: eine einfachere Visa-Vergabe, eine Stabilisierung der außenpolitischen Situation und ein positiveres Image des russischen Staates im Ausland.

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Dass die Sprecherin damit recht hat, zeigt die Entwicklung der Besucherzahlen im vorigen Jahr. Der Tourismusverband stellte einen Rückgang der Reisenden aus den USA um 30 Prozent fest, aus Deutschland kamen 16 Prozent weniger Besucher. Dies trotz der Olympischen Spiele in Sotschi. Der große Knick kam im Sommer nach dem Abschuss der Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine. Zum einen, weil viele Indizien zumindest auf eine indirekte Beteiligung Russlands hinweisen. Andererseits, weil viele Touristen nun Angst haben, in die Region zu fliegen.

Viele Hotels der mittleren Kategorie haben ihre Preise gesenkt, um nicht noch mehr Gäste zu verlieren. Einer Studie des Unternehmens JLL zufolge, war eine Übernachtung in einem Moskauer Hotel 2014 bis zu sieben Prozent günstiger als im Vorjahr. Nur in der Spitzenklasse zogen die Preise an: Fünf-Sterne-Hotels wurden zwei Prozent teurer. Eine Übernachtung kostet dort im Schnitt 10 000 Rubel, das sind nach gegenwärtigem Kurs 126 Euro.

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Da hilft es wenig, dass Russlandreisen wegen des Rubel-Verfalls zuletzt deutlich günstiger geworden sind. Die russische Währung hat gegenüber dem Euro fast 40 Prozent verloren. Doch das wird teilweise durch die Inflation wieder aufgefressen. Der Tourismusverband geht aber davon aus, dass Reisen nach Russland nun 30 bis 40 Prozent günstiger sind.

Von Julian Hans

Gerade haben sie in Brasilien wieder gegen die Buspreise demonstriert. Die sind etwa in São Paulo zum Jahreswechsel um 16 Prozent gestiegen. 3,50 Reais kostet jetzt eine Fahrt. Pro Bus, wohlgemerkt. Wer zweimal umsteigt, der zahlt insgesamt 10,50 Reais, also 3,60 Euro. Das ist stattlich für ein Land, in dem der Durchschnittslohn bei 700 Euro liegt.

Die Brasilianer hätten aber genauso gut gegen die Restaurantpreise oder die Sonnenbrillenpreise demonstrieren können. Ein Stückchen Schafskäse kostet im Supermarkt gut und gerne acht Euro, eine Flasche Wein ist nicht unter zehn Euro zu haben. Das iPhone wird für 1095 Euro angeboten. Zuletzt haben die Brasilianer mit Erschrecken festgestellt, dass sie auch im schon zitierten "Big-Mac-Index" des Economist auf den vierten Platz geklettert sind. Nur die Schweiz, Norwegen und Dänemark liegen noch vor ihnen.

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Wer als Tourist nach Brasilien kommt, muss sich freilich kein Handy kaufen. Bei Flügen, Hotels und Sonnencremes wird man sein Geld allerdings genauso schnell los. Zumal der Real gegenüber dem Euro zuletzt deutlich aufgeholt hat. Nach Berechnungen der Zeitung O Globo sind die brasilianischen Drei-Sterne-Hotels sogar die teuersten weltweit. Demnach lag der Durchschnittspreis für ein Doppelzimmer Ende 2014 bei 520 Reais - nach aktuellem Kurs 178 Euro.

Wenn in zwei Wochen in Rio de Janeiro der Karneval beginnt, geht es noch deutlich kostspieliger. Natürlich kann man auch in Brasilien sparsam reisen. Dann sollte man allerdings um Rio und São Paulo einen großen Bogen machen. Und Taxifahrten, Eierbrötchen oder Zigaretten sind auch recht günstig. Am preiswertesten ist dieses Land aber immer noch, wenn man sich mit einer Isomatte in den Urwald legt, die Augen schließt und den Flussdelfinen beim Planschen zuhört.

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Ausländische Touristen, die sich in Japan nie verirrt haben, waren gar nicht da, sagt der Volksmund. Im Bahnhof Shinjuku, mit 3,5 Millionen Reisenden täglich der passagierreichste Bahnhof der Welt, verlieren sich sogar Japaner. Und alle haben es eilig. Abgesehen davon: Die Züge sind pünktlich, die Hotels pieksauber, das Essen selbst im Imbiss an der Ecke hervorragend, man wird nicht bestohlen und betrogen. Und niemand nimmt Trinkgeld. Japan ist also das perfekte Tourismusland.

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Gleichwohl kamen 2014 nur 13 Millionen Ausländer nach Japan, unter ihnen 140 000 Deutsche - Geschäftsleute und Crews eingeschlossen. Mehr als 95 Prozent der Touristen in Japan sind Japaner. Dass Japan sehr teuer sein soll, ist ein Klischee, die Preise stagnieren seit Jahren. Und der Yen hat seit 2012 gegenüber dem Euro 30 Prozent verloren.

Für Touristen, die in Hotels mit vielen Sternen absteigen und Restaurants nach Michelin auswählen, kann Japan aber tatsächlich horrend teuer werden. Wer darauf verzichtet, der speist ums Eck für drei bis sieben Euro so gut wie in Michelin-Lokalen für 70 oder 150 Euro.

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Von Christoph Neidhart, Tokio

Selbstbucher, die sich mit den winzigen Zimmern der "Business-Hotels" begnügen, übernachten für 40 bis 60 Euro anstatt anderswo für 250 Euro aufwärts. Die Bahnpreise sind hoch, aber für Ausländer gibt es den Japan-Rail-Pass. Und die Züge bringen einen auch in abgelegene Regionen. Bleibt der zwölfstündige Flug: Der wird nie ganz billig sein.

Von Christoph Neidhart

© SZ vom 31.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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